Gefährden Linksextreme und der «Palästina-Block» die Lohndemo der Gewerkschaften?

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Symbolbild. Propalästinensische Kundgebung In der Stadt Basel. Foto IMAGO / dieBildmanufaktur
Symbolbild. Propalästinensische Kundgebung In der Stadt Basel. Foto IMAGO / dieBildmanufaktur
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Bei der bevorstehenden Lohndemo könnten Linksextreme und ein «Palästina-Block» die Ziele der Gewerkschaften gefährden. Welche Risiken birgt diese Vereinnahmung?

Die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) und den ihm angeschlossenen Gewerkschaften für den 21. September geplante Demonstration für höhere Löhne droht zu einem Tummelfeld für radikale Gruppierungen zu werden. Während das Anliegen für höhere Löhne an sich berechtigt ist, muss eine mögliche Teilnahme von linksextremen Organisationen wie «Organisiert Handeln» oder «Revolutionärer Aufbau Schweiz» als erhebliche Gefahr für den friedlichen Charakter der Demonstration betrachtet werden. Zusätzlich problematisch ist ein angekündigter «Palästina-Block», der von einem sogenannten «Schweizer Netzwerk von GewerkschafterInnen für den Waffenstillstand in Gaza» ins Leben gerufen wurde. Diese Ankündigungen werfen ernsthafte Fragen auf, nicht nur in Bezug auf die Sicherheit und den Ablauf der Demonstration, sondern auch in Bezug auf die politische Instrumentalisierung gewerkschaftlicher Anliegen.

Gefährliche Vereinnahmung der Gewerkschaftsbewegung

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Aufruf von Linksextremisten. Foto zVg

Zunächst ist es unverständlich und unverantwortlich, dass die Gewerkschaften es offenbar zulassen, dass linksextreme Gruppierungen wie der «Revolutionäre Aufbau Schweiz», eine Organisation, die in der Vergangenheit mehrfach durch gewaltsame Aktionen aufgefallen ist und vom Schweizer Nachrichtendienst beobachtet wird, an der Demonstration teilnehmen. Solche radikalen Gruppierungen propagieren nicht die Interessen der Arbeiterschaft, sondern verfolgen eigene politische Ziele, die weit über das eigentliche Thema der Demonstration hinausgehen. Sie nutzen die Veranstaltung als Bühne für ihre marxistisch-leninistischen ideologischen Vorstellungen und erhöhen dadurch das Risiko für Ausschreitungen, die die eigentlichen Anliegen in den Hintergrund drängen könnten.

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Aufruf des «Revolutionären Aufbau Schweiz». Foto Screenshot Website

Die Bereitstellung von Gratis-Transporttickets durch die Gewerkschaft Unia, für Extra-Züge und Extra-Busse, ohne Anforderung zur Angabe von Personalien von zusätzlich angemeldeten Personen, verstärkt diese Problematik. Durch diese Massnahme wird es nicht nur erleichtert, dass gewaltbereite Extremisten kostenlos und auf Kosten der Gewerkschaftsmitglieder zur Demonstration gelangen, sondern auch, dass diese anonym bleiben und sich bei möglichen Ausschreitungen der Verantwortung entziehen können. Laut der ehemaligen Grünen Nationalrätin und jetzt Leiterin Abteilung Kommunikation und Kampagnen der Gewerkschaft Unia, Natalie Imboden, sei das unmöglich. Die Transporte würden «sehr engmaschig von Unia-Kolleginnen und Kollegen in Dutzenden von Städten begleitet» und es seien «viele Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter vor Ort». Da man regelmässig Grosskundgebungen organisiere, habe man «hier viel Erfahrungen», man sei im Kontakt mit den Behörden und der Polizei und die kollektiven Anreisen hätten immer bestens funktioniert. Ob dies reicht oder eher naiv bis fahrlässig ist, wird sich zeigen.

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Unia Werbung für Gratis Transport. Foto Unia

Ein eindrückliches Beispiel für die Gefahr extremistischer Vereinnahmung bietet ein Vorfall vom 22. Januar 2022, als die rechtsextreme Gruppierung «Junge Tat» eine Demonstration gegen die Corona-Massnahmen in Bern kaperte und sich an die Spitze des Protestzugs setzte. Damals wurde völlig zu Recht auch die Frage gestellt, warum sich die Corona-Massnahmen-Kritiker nicht klar von den Rechtsextremen absetzten und sie aus der Demo warfen. Diese Untätigkeit zeigte die erschreckende Macht, die Extremisten über legitime Protestbewegungen erlangen können, wenn nicht sofort Grenzen gezogen werden. Es liegt in der Verantwortung der Organisatoren, diese Art der politischen Instrumentalisierung zu verhindern, um den eigentlichen Anliegen nicht zu schaden.

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Aufruf «Schweizer Netzwerk von GewerkschafterInnen für den Waffenstillstand in Gaza». Foto zVg

Der «Palästina-Block»: Eine politische Entgleisung

Noch absurder ist die Teilnahme eines «Palästina-Blocks» in einer Demonstration, deren Kernanliegen höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen in der Schweiz sind. Der Konflikt im Nahen Osten hat weder thematisch noch inhaltlich etwas mit den Forderungen nach höheren Löhnen zu tun. Zwar betonen die Organisatoren in ihrer Antwort an Audiatur-Online, dass sie die Anfrage des sogenannten «Dachverbands Schweiz-Palästina» abgelehnt hätten. Doch dies ändert nichts an der Tatsache, dass der «Palästina-Block» mit grosser Wahrscheinlichkeit dennoch Teil der Demonstration sein wird.

Das Risiko, dass dieser Block zu einer Plattform für antiisraelische, antisemitische oder antizionistische Hetze bietet, ist hoch. In Zeiten, in denen antisemitische Übergriffe in Europa zunehmen, müssten die Organisatoren alles daran setzen, solche Entwicklungen zu verhindern. Es reicht nicht aus, lediglich zu behaupten, dass man «keine Form von Antisemitismus» toleriere. Es müssen konkrete Massnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass keine antisemitischen Parolen oder gewalttätigen Äusserungen verbreitet werden. Klare Richtlinien für die Demonstrationsteilnehmer, eine strikte Überwachung durch Ordner und ein Ausschluss von problematischen Gruppen sind hierbei unerlässlich. Leider ist davon in der Antwort der Gewerkschaften nichts zu lesen. Immerhin, einige Tage nach der Anfrage von Audiatur-Online hat die Gewerkschaft Unia auf ihrer Website einen Verhaltenskodex aufgeschaltet, wo es heisst: «Wir tolerieren an der Kundgebung keine Aufrufe zu Gewalt, keine diskriminierenden Slogans, keine antisemitischen Parolen.»

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Aufruf «Schweizer Netzwerk von GewerkschafterInnen für den Waffenstillstand in Gaza». Foto zVg

Politische Instrumentalisierung und Vertrauensverlust

Es ist nicht zu leugnen, dass Gewerkschaften immer eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Löhne gespielt haben. Doch diese Tradition wird durch solche Entwicklungen gefährdet. Statt die Interessen der Arbeiterschaft klar und deutlich zu vertreten, öffnen die Gewerkschaften mit solchen Aktionen ihre Plattform für politische Extremisten, die mit den eigentlichen Anliegen der Lohnpolitik nichts zu tun haben. Die Antwort der Gewerkschaften auf diese Bedenken ist bestenfalls unzureichend. Ein Verweis auf den «gesunden Menschenverstand» und die Hoffnung, dass problematische Elemente von selbst verschwinden, ist schlichtweg naiv.