Hamas soll verboten werden – aber auch nicht

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2012 empfing Geri Müller im Bundeshaus Hamas Vertreter. Foto Mushir Al-Masri/Facebook
2012 empfing Geri Müller im Bundeshaus Hamas Vertreter. Foto Mushir Al-Masri/Facebook
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Am 4. September legte der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft vor, die ein Verbot der Hamas in der Schweiz empfiehlt. Diese Initiative folgt auf frühere, gescheiterte Versuche, die radikal-islamische Organisation zu verbieten, die von SP, Grünen sowie Teilen der FDP und Mitte blockiert wurden. Nach den verheerenden Angriffen der Hamas am 7. Oktober kam es jedoch zu einem Umdenken. Trotz Verbot soll der «Dialog» mit der Hamas möglich bleiben.

Am 4. September hat der Bundesrat seine Botschaft an das Parlament veröffentlicht, das über die Gesetzesvorlage zum Hamas Verbot informiert. Es ist nicht der erste Versuch, die Hamas in der Schweiz zu verbieten. Vor dem 7. Oktober scheiterten entsprechende Vorstösse der SVP zweimal im Parlament, 2018 und 2022. Beide Male stimmten SP und Grüne geschlossen gegen das Verbot. Auch, die Mehrheit von FDP und Mitte war 2022 noch dagegen. Im Namen der Mehrheit der sicherheitspolitischen Kommission warnte Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner damals: «Ein Verbot der Hamas würde weder im Inland noch im Ausland zu mehr Sicherheit führen, sondern das Gegenteil bewirken, weil ein Abbruch der Beziehungen zur Hamas deren Radikalisierung zur Folge hätte.»

Die Wende nach dem 7. Oktober

Erst die grauenvollen Massaker mit über 1200 getöteten Israelis vom 7. Oktober überzeugten Bundesrat und Parlament, dass es das Hamas-Verbot wirklich braucht. Am 4. September hat der Bundesrat seine Botschaft an das Parlament veröffentlicht, das über die Gesetzesvorlage zum Hamas Verbot informiert. Die Vorlage bleibt nach der Vernehmlassung, bei der Parteien und interessierte Organisationen ihre Meinung beisteuern konnten, weitgehend unverändert. Mitglieder der Hamas und Unterstützer können mit bis zu 20 Jahren Haft oder eine Geldstrafe bestraft werden. Wie der finale Entwurf des Gesetzes präzisiert, sind für die Verfolgung und Beurteilung terroristischer Handlungen im Zusammenhang mit der Hamas – wie bei anderen terroristischen Organisationen auch – die Bundesbehörden zuständig.

Neben der Hamas könnten auch verwandte Organisationen, die mit der Hamas in «Zielsetzung, Führungspersonen oder Mitteln übereinstimmen», verboten werden. Man denke dabei an den Palästinensischen Islamischen Jihad oder die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), die ebenfalls am brutalsten antisemitischen Pogrom seit Ende des Zweiten Weltkriegs beteiligt waren. Allerdings braucht es dafür einen Entscheid des Bundesrates, der vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden kann. Ein langes juristisches Hickhack wäre zweifellos die Folge.

Kontakte mit der Hamas weiterhin möglich

In ihren Vernehmlassungsantworten hatten fast alle Parteien das Hamas-Verbot unterstützt. SP, Grüne und EVP forderten allerdings, dass diplomatische Kontakte mit der Hamas zur Erfüllung der «humanitären und diplomatischen Dienste der Schweiz» weiterhin möglich sein müssen. Die Grünen und NGOs forderten deshalb einen zusätzlichen Absatz, um die NGOs vom Verbot auszunehmen.

Mit dieser Kritik zielten die linken Organisationen primär auf die Wahrung ihrer Interessen: Die «Dienstleistungen» von NGOs und internationalen Organisationen im Westjordanland und in Gaza sind oft nur im Zusammenspiel mit lokalen terroristischen Akteuren möglich, wie der Fall UNRWA zeigt.

Der Bundesrat legte in seiner Medienmitteilung deshalb Wert darauf, diese Ängste zu beruhigen, und machte darauf aufmerksam, dass «humanitäre Organisationen» gemäss Artikel 260 des StGB vom Hamas-Verbot ausgenommen sind. Beim Bundesrat scheint also vorerst kein grosses Interesse zu existieren, die oft problematische Nähe zwischen der Hamas und Hilfsorganisationen auf gesetzlichem Weg zu bekämpfen.

Der «Dialog» mit der Hamas soll fortgesetzt werden

Nicht nur viele NGOs bewegen sich immer wieder im Dunstkreis der Hamas. Auch die Schweizer Diplomatie pflegte seit mindestens 2006 einen engen Kontakt mit der Hamas («Dialog»).

Obwohl dieser Dialog mit den Massakern am 7. Oktobern katastrophal gescheitert ist, möchten ihn linke Parteien und auch gewisse, dem EDA nahestehende Kreise, fortsetzen. Hier scheint man demnach dem Versprechen der Israelis, die Hamas zerstören zu wollen, noch keinen Glauben zu schenken und sieht sich weiterhin in der Rolle des Vermittlers. Dies suggeriert zumindest die Vernehmlassungsantwort des Genfer Zentrums für Sicherheitspolitik, das mehrheitlich vom Bund finanziert und eng mit dem EDA verbunden ist. Hier schreibt man, das Hamas-Verbot könnte den «Spielraum der institutionellen Akteure …, die … Dialogprozesse zwischen den Konfliktparteien ausserhalb der besetzten palästinensischen Gebiete, sogar in der Schweiz, erleichtern» einschränken. Übersetzt: Der Hamas-Dialog soll fortgesetzt werden.

Hamas-Versteher möchten kein Verbot

Zuletzt sei noch auf die skurrile Vernehmlassung-Antwort der Gesellschaft Schweiz Palästina (GSP) erwähnt. Dort lehnt man das Verbot prinzipiell ab und behauptet ungeachtet der Massaker vom 7. Oktober, dass die Hamas «primär eine politische Bewegung und nicht eine terroristische Organisation» sei. Bei den selbsternannten Palästina-Freunden rund um GSP Präsident Geri Müller, scheint man mittlerweile palästinensische Interessen mit Hamas-Interessen gleichzusetzen und der völligen moralischen Verwahrlosung anheimgefallen zu sein.

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Über Daniel Rickenbacher

Daniel Rickenbacher ist promovierter Historiker und arbeitet in der Analyse und Politikberatung. Er studierte Geschichte, Politik und Religion und forschte an der Universität Basel, der Ben Gurion Universität, der Concordia Universität in Montreal und an der Militärakademie an der ETH.

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