Yahya Sinwars verzweifelte Taktik: Kehrt der Selbstmordterror der Hamas zurück?

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Nachdem die Hamas die Verantwortung für den gescheiterten Selbstmordanschlag in Tel Aviv übernommen hatte, veröffentlichte sie dieses Bild, das Erinnerungen an die zweite Intifada weckt. Foto Telegram
Nachdem die Hamas die Verantwortung für den gescheiterten Selbstmordanschlag in Tel Aviv übernommen hatte, veröffentlichte sie dieses Bild, das Erinnerungen an die zweite Intifada weckt. Foto Telegram
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Die Hamas hat die Wiederaufnahme von Selbstmordanschlägen in Israel angekündigt. Leitende Mitarbeiter des Sicherheitsapparats vermuten, dass diese Entwicklung den erheblichen Druck auf Yahya Sinwar widerspiegelt, welcher als Reaktion auf die Erfolge der israelischen Armee und des israelischen Sicherheitsdienstes in Gaza versucht, neue Fronten gegen Israel zu eröffnen.

von Yoni Ben Menachem

Die israelischen Sicherheitsbehörden sind nach dem missglückten palästinensischen Selbstmordanschlag in Tel Aviv am 18. August 2024, den die Hamas für sich verbuchte, besonders besorgt.

Einem Hamas-Terroristen gelang es, nach Israel einzudringen, nach Tel Aviv zu gelangen und in der Nähe einer Synagoge einen 8 kg schweren Sprengsatz zu zünden. Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt, da es eine Fehlfunktion im Auslösemechanismus des Sprengsatzes gab. Der Terrorist, der in einem Dorf in der Nähe von Nablus lebte, kam bei der Explosion ums Leben. Er hatte keine Vorstrafen und war nicht aktenkundig.

General Peretz Amar, Kommandeur des Distrikts Tel Aviv, sagte: „Dies war ein Angriff mit einer schweren und mächtigen Bombe. Wäre sie nicht im Freien detoniert, hätte sie katastrophalen Schaden anrichten können. Wenn der Terrorist die Synagoge betreten hätte, wäre es zu einer schrecklichen Tragödie gekommen.“

Die Polizei, Agenten des israelischen Inlandsgeheimdienstes und die israelischen Streitkräfte haben eine umfassende Untersuchung eingeleitet, über die derzeit eine Nachrichtensperre verhängt wurde.

Eine neue Strategie der Hamas oder des Islamischen Dschihad?

Für die israelischen Sicherheitskräfte stellt sich die Frage, ob die Hamas ihre Strategie ändert. Plant Yahya Sinwar, der zunehmend unter Druck gerät, Selbstmordanschläge wieder einzuführen, um seine Führungsrolle zu demonstrieren?

Diese Taktik wurde während der Zweiten Intifada im Jahr 2000 und früher im Jahr 1996 ausgiebig eingesetzt, um die Osloer Abkommen zu torpedieren. Traditionell waren Selbstmordanschläge nicht die Waffe der sunnitischen Hamas oder der Fatah. Als Israel 1992 Hunderte von Hamas-Mitgliedern in den Libanon auswies, wurden sie von der schiitischen Hisbollah willkommen geheissen und ausgebildet und indoktriniert. Heute sind die Organisationen Waffenbrüder.

Der sogenannte militärische Flügel der Hamas unter der Führung von Yahya Sinwar und seinem Bruder Muhammad steht Berichten zufolge aufgrund der intensiven Militäraktionen der israelischen Streitkräfte in Gaza, die einen Grossteil der militärischen Eliteführung der Hamas, darunter auch Muhammad Deif, dezimiert haben, unter erheblichem Druck. Sinwar scheint bestrebt zu sein, neue Fronten zu eröffnen, um den militärischen Druck auf Gaza zu verringern und die Moral der Palästinenser zu stärken.

Die Hamas hat in Abstimmung mit dem Palästinensischen Islamischen Dschihad die gemeinsame Verantwortung für den Angriff auf Tel Aviv übernommen.

In einer offiziellen Erklärung verkündete die Hamas ihre Entscheidung, Selbstmordanschläge in Israel zu erneuern, und begründete dies mit Israels Politik der gezielten Tötungen und der Behandlung von Palästinensern.

Trotz dieser Erklärung prüfen israelische Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes, ob die Hamas tatsächlich beabsichtigt, Selbstmordanschläge wieder aufzunehmen, oder ob diese Ankündigung lediglich ein Bestandteil der Propaganda- und Hetzbemühungen der Organisation ist.

Obwohl die israelische Sicherheitsbehörde noch keinen eindeutigen Trend in Richtung eines erneuten Aufkommens von Selbstmordattentätern erkennen kann, wurde in den letzten zwei Jahren ein zunehmender Einsatz von Sprengkörpern durch Terrororganisationen beobachtet.

Solche Sprengkörper wurden auf Strassen in Judäa und Samaria, Galiläa und Golan gelegt oder auf IDF-Truppen abgefeuert. Einige werden im Norden Samarias hergestellt, weitere werden in grösseren Mengen aus dem Iran über Syrien und Jordanien eingeschmuggelt. Trotz anhaltender Bemühungen der israelischen Armee und des Schin Bet, den Schmuggel einzudämmen, haben sie nur begrenzten Erfolg.

Die Sicherheitsbehörden sind besonders besorgt über mögliche Nachahmeranschläge, da Terrororganisationen soziale Medien nutzen, um den Angriff auf Tel Aviv zu verstärken und zu weiterer Gewalt in Israel anzustacheln.

Ein weiteres Problem ist die Führung der Hamas in Judäa und Samaria, die vermutlich von Zaher Al-Jabarin geleitet wird. Al-Jabarin, der Saleh al-Arouri nach dessen gezielter Tötung durch den israelischen Mossad in Beirut Anfang dieses Jahres ersetzte, gilt auch als das „Finanzgenie“ der Hamas.

Er war für die Finanzierung des Massakers vom 7. Oktober 2023 in den Gemeinden rund um Gaza verantwortlich und ist nun eines der obersten Ziele Israels zur Ausschaltung. Al-Jabarin lebt in der Türkei und steht Berichten zufolge dem türkischen Präsidenten Erdogan nahe.

Als Reaktion auf den Angriff in Tel Aviv hat die israelische Polizei ihre Wachsamkeit und Aufmerksamkeit an allen öffentlichen Orten, insbesondere im Zentrum Israels, erhöht, um sich auf mögliche weitere Angriffe vorzubereiten.

Yoni Ben Menachem, ein langjähriger Kommentator für arabische Angelegenheiten und Diplomatie beim israelischen Rundfunk und Fernsehen, ist ein leitender Nahost-Analyst beim Jerusalem Center for Public Affairs. Übersetzung Audiatur-Online.

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