Klärt in Davos ein Antisemit über Antisemitismus auf?

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Dr. Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter des Landes Baden-Württemberg an einer Demo in Stuttgart "gegen den Rechtsruck" in Deutschland. Foto IMAGO / Arnulf Hettrich
Dr. Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter des Landes Baden-Württemberg an einer Demo in Stuttgart "gegen den Rechtsruck" in Deutschland. Foto IMAGO / Arnulf Hettrich
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Der Knatsch zwischen den Juden, die seit vielen Jahren in Davos Ferien machen und einigen Einwohnern beziehungsweise der Gemeinde des idyllischen Graubündner Bergdorfs machte weltweit Schlagzeilen.

Nun hat die reformierte Pfarrerin Astrid Fiehland zusammen mit Eike-Harriet Riga, Geschäftsführerin des Kulturplatz Davos, für heute Abend eine Veranstaltung mit dem Titel «Was heisst hier ‹antisemitisch›» organisiert, um den Davosern zu erklären, was Antisemitismus eigentlich ist.

Als Experte zum Thema wurde Dr. Michael Blume eingeladen, seines Zeichens Antisemitimusbeauftragter des Landes Baden-Württemberg.

Antisemitismusbeauftragter: das klingt erstmal unverdächtig. Michael Blume ist jedoch nicht irgendein Antisemitismusbeauftragter.

Blume dürfte der einzige Antisemitismusbeauftragte weltweit sein, den man gemäss zwei rechtskräftigen Urteilen zweier unabhängiger deutscher Gerichte ungestraft als Antisemit bezeichnen darf.

DIE WELT: «Er soll eine konservative jüdische Aktivistin mit Adolf Eichmann verglichen und kritische Juden als rechtsextrem bezeichnet haben: Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Michael Blume schiesst nicht selten über das Ziel hinaus und darf deshalb auch als antisemitisch bezeichnet werden.»

Blume vergleicht zudem den Anti-Terror-Zaun in Israel, der Tausende Menschenleben rettete, mit der Berliner Mauer.

Überhaupt sind laut Blume am überbordenden Antisemitismus auf deutschen Strassen nicht islamistische Hamas-Apologeten und postkolonialistische Marxisten verantwortlich, sondern – wer wohl – Israel. 

Nach dem Massaker des 7. Oktober kommentiert Blume Israels Wille, die Hamas zu vernichten gegenüber der Deutschen Depeschen Agentur (DPA): «Das Verhalten der israelischen Regierung schadet uns in Europa sehr. Die Regierung Netanjahu hat viel dafür getan, dass die Menschen nicht mehr an eine Friedenslösung glauben».

Nicht die Hamas-Mörder verhindern den Frieden, sondern die Juden in Israel.

Diese Opfer-Täter-Umkehr zeitigt eine geharnischte Antwort des Holocaust-Überlebenden Roman Haller, ehemaliger Direktor der hoch angesehenen Jewish Claims Conference: 

Sehr geehrter Herr Blume, Ihre kürzliche Stellungnahme, bezüglich der Zuweisung des Antisemitismus ist ungeheuerlich und verschlägt mir, als Überlebender des Holocaust, der Einiges gewohnt ist, die Sprache

Ihre Aussage konterkariert nicht nur die ständigen Beteuerungen des Verteidigungsrechtes des Staates Israel, sondern ermutigt gerade jene, gegen die Sie, gerade als Antisemitismusbeauftragter, ankämpfen sollten. 

Denn, was Sie da von sich geben, ist Antisemitismus pur: Die Juden sind selbst schuld am Antisemitismus.

Mit Ihren Aussagen entziehen Sie nicht nur Israel das Recht sich zu verteidigen, sondern reden gerade denen nach dem Mund, die Israel auslöschen wollen. 

Ich erwarte von Ihnen eine eindeutige Entschuldigung. Sollten Sie allerdings bei Ihren unsäglichen Anschuldigungen bleiben, sind Sie für den Kampf gegen Antisemitismus untragbar.

Der CDU-Politiker und Parteikollege von Blume, Jan Jacobi, fordert Blumes Absetzung: «Die Entlassung von Michael Blume ist längst überfällig», schreibt Jacobi auf Twitter.

Wem das nicht reicht: Blume wurde vom amerikanischen Simon Wiesenthal Center zwei Mal auf die Liste der 10 schlimmsten Antisemiten weltweit gesetzt.

Sogar der amerikanische Kongress diskutierte das Thema.

Vielleicht war Pfarrerin Fiehland die Kontroverse um Blume nicht bewusst? Anlässlich eines längeren Telefongesprächs wird man eines Besseren belehrt.

«Ich habe das alles gelesen», kontert Fiehland die schwerwiegenden Anschuldigungen gegen Blume schnippisch.

Sie habe sich aber «beraten lassen» (von wem will sie nicht sagen) und habe «überhaupt keine Sorge», dass Blume den Davosern das Thema Antisemitismus «angemessen» näherbringen kann.

Diesbezüglich sind erhebliche Zweifel angebracht, wird doch der renommierte deutsch-jüdische Historiker und Publizist Michael Wolffsohn in der NZZ folgendermassen zitiert:«Michael Blume verstehe offenbar nicht, dass Antizionismus Antisemitismus sei. Das bewiesen viele seiner Einlassungen, so Wolffsohn mit Verweis auf die Vorwürfe des Wiesenthal-Centers».

Auch Kulturplatz-Leiterin Eike-Harriet Riga hat kein Einsehen: «Ja, wir haben im Zuge der Einladung von diesen Vorwürfen erfahren. Unsere Recherchen hierzu haben uns aber bestärkt, dass Herr Dr. Blume ein durchaus seriöser Referent zu diesem Thema ist», antwortet sie auf Anfrage trotzig.

«Wir werden die Veranstaltung heute Abend sicherlich abhalten und sind gespannt auf das Gespräch und die anschliessende Diskussion.»

«Von einer Verurteilung als Antisemit wissen wir nichts und ich kann mir nicht vorstellen, dass ein deutsches Bundesland einen verurteilten Antisemiten in seinem Ministerium anstellen würde.» Und weiter: «Bitte überprüfen Sie ihre Quellen; sollte etwas Wahres an der Behauptung, er sei verurteilter Antisemit, etwas dran sein, lassen Sie es mich gerne wissen».

Nachdem Audiatur-Online ihr die beiden rechtskräftigen Urteile gemailt hat, ist Sendepause.

Von der Kontroverse um Blume erfährt das Davoser Publikum im Ankündigungstext zur Veranstaltung nichts.

Gegen den Vorwurf der antiisraelischen Agitation verwehrt sich Pfarrerin Fiehland empört, sie habe doch «neun Jahre in Israel gelebt». Dieses Argument vermag allerdings nicht zu überzeugen.

Vom selbsthassenden Juden und ARD-Korrespondenten Richard C. Schneider, über Alexandra Föderl-Schmid, die obsessiv antiisraelische Korrespondentin des Tages-Anzeiger, bis hin zur antiisraelischen ZDF-Nahost-Redaktion: alle haben sie in Israel gelebt oder tun es – im Fall von Schneider – bis heute.

Pfarrerin Fiehland scheint indes ein Faible für antiisraelische Protagonisten zu haben.

Die von ihr organisierte Reise «Geschichten-Landschaften-Menschen-Reise nach Israel/Palästina» beinhaltet einen Aufenthalt in dem christlichen Dorf Nes Ammim, wo gemäss der Vereinssatzung ein «Zeichen der biblisch gebotenen Versöhnung und der Verständigung mit dem jüdischen Volk in der Welt und Israel gesetzt werden» soll, inklusive eines Gesprächs mit Dr. Tobias Kriener, dem dem Leiter der Studien- und Dialogarbeit im christlichen Begegnungs- und Lernzentrum Nes Ammim.

Gibt man Krieners Namen bei Google ein, erscheint als Erstes die «Stellungnahme zum Bericht ‹Wozu› von Dr. Tobias Kriener» des Vereins Nes Ammim.

«Der im letzten Newsletter versendete persönliche Bericht von Dr. Kriener ist bei einigen Leserinnen auf Kritik gestossen», ist da zu lesen.

«Die Kritik von Dr. Kriener insbesondere an der israelischen Regierung» sei «in Teilen sehr zugespitzt ausgedrückt», einige Formulierungen seien «durchaus fragwürdig» und der Text sei «in einigen Passagen nicht ausgewogen und sprachlich sensibel genug». «Auch hätte das Leid der jüdischen Israelis angesichts der Welle von Gewalt deutlicher zum Ausdruck gebracht werden müssen».

So viel zur «Versöhnung und der Verständigung mit dem jüdischen Volk».

Fazit: Keinerlei Einsicht bei den Davoser Friedensfrauen, die heutige Veranstaltung findet statt. Ein antizionistischer Antisemit klärt auf über Antisemitismus.

Ob das den Judenknatsch in Davos positiv beeinflussen wird?