Iranische Einflussnahme bei antiisraelischen Protesten – auch in der Schweiz?

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Propalästinensische Kundgebung In der Stadt Basel 13.01.2024. Foto IMAGO / dieBildmanufaktur
Propalästinensische Kundgebung In der Stadt Basel 13.01.2024. Foto IMAGO / dieBildmanufaktur
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Der Iran führt an mehreren Fronten Krieg gegen Israel. Mittlerweile ist klar, dass Teheran bei den antiisraelischen Protesten, die seit dem 7. Oktober für Unruhe sorgen, seine Finger im Spiel hat – auch in der Schweiz.

Kurz nach dem Überfall auf Israel am 7. Oktober entzündeten sich weltweit Proteste gegen Israel, die sich zunehmend an die Universitäten verlagerten. Die Protestierenden wandten sich nicht nur gegen Israel, sondern solidarisierten sich oft mit dem Hamas-Terrorismus. Angesichts der raschen Ausbreitung der Proteste und dem hohen Organisationsgrad stand von Anfang an der Verdacht im Raum, dass der Iran als Schirmherr der Hamas an diesen Protesten direkt oder indirekt beteiligt war.

Bestätigung durch US-Geheimdienste

Dieser Verdacht hat sich in den letzten Monaten verdichtet. Am 9. Juli schrieb die Direktorin der nationalen Nachrichtendienste der USA, Avril Haines in einer Pressemitteilung, dass der Iran versucht, die Anti-Israel-Proteste für sich auszunutzen: «Wir haben beobachtet, dass Akteure, die mit der iranischen Regierung in Verbindung stehen, sich online als Aktivisten ausgeben, Proteste fördern und sogar finanzielle Unterstützung für die Protestierenden bereitstellen.» Ende Juli haben deshalb 22 US-Parlamentarier in einem Brief an Avril Haines um weitere Informationen zu den iranischen Aktivitäten gebeten und verlangt, dass anti-israelische Organisationen, die iranisches Geld akzeptiert haben, im Rahmen der Antiterrorismus-Gesetzgebung bestraft werden.

Social Media Kampagnen

Die Protestierenden an nordamerikanischen Universitäten werden von einer ausgeklügelten Social-Media Kampagne angefeuert. Dahinter stehen oft keine echten Menschen, sondern automatisierte Programme, sogenannte Bots. Die McGill Universität im kanadischen Montreal ist ein Zentrum der pro-Hamas-Proteste. Eine Analyse der kanadischen Sicherheitsfirma XPOZ fand, dass rund 60 Prozent der pro-Hamas Kommentarschreiber auf X/Twitter Bots waren, die die Propaganda des islamischen Regimes verbreiteten.

Bots sind auch auf der proisraelischen Seite aktiv. Allerding machten sie nur 25 Prozent aus, während 75 Prozent der pro-israelischen Social Media Nutzer echt waren. Nach Angaben von XPOZ handelt es sich bei der pro-Hamas Kampagne um «eine massive … koordinierte und organisierte Aktivität» einer ausländischen Regierung, «die Kanadier … beeinflusst und zu Gewalt und echten Handlungen anstiftet.»

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Grafik Cybersicherheitsunternehmen XPOZ.

TikTok

Auch Irans geopolitische Verbündete nutzen soziale Netzwerke zur Beeinflussung westlicher Gesellschaften. Insbesondere China wird verdächtigt, über die Plattform TikTok, die grösstenteils in chinesischem Besitz ist, die Meinungsbildung zu Ungunsten Israels und der Juden zu beeinflussen. Dies ist fatal, denn TikTok ist besonders bei jungen Menschen beliebt. In diesem Alterssegment ist der Antisemitismus seit dem 7. Oktober sprunghaft angestiegen.

Pro-Hamas Proteste an den Universitäten

In den USA wird die Mehrheit der Proteste von der Gruppe Students for Justice in Palestine (SJP) organisiert. Gemäss einem Bericht des Institute for the Study of Global Antisemitism and Policy (ISGAP) steht hinter SJP ein Dickicht von Organisationen und Persönlichkeiten. Viele von ihnen haben Verbindungen zum Hamas-Spender-Netzwerk und wurden dafür auch gerichtlich verurteilt. Ob direkt oder indirekt über befreundete Organisationen, die Wegweiser zeigen nach Teheran.

In Europa scheint vor allem die Terrororganisation Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) als Scharnier zwischen dem Iran und den Uni-Besetzern zu dienen. Die PFLP ist in der Schweiz ein alter Bekannter. In den 1970er Jahren verübte sie mehrere Anschläge gegen die Schweiz und erzwang dadurch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit den Palästinensern. Seit den frühen 2010ern wird die PFLP militärisch und finanziell vom Iran unterstützt. Grässlicher Höhepunkt der Kooperation: Die PFLP beteiligt sich an den Massakern vom 7. Oktober.

Eng verbunden mit dem Linksradikalismus

In Europa und den USA tritt die PFLP seit 2011 unter dem Decknamen Samidoun auf. Den 7. Oktober feiert Samidoun enthusiastisch. In Berlin verteilt sie öffentlich Süssigkeiten – und wird bald darauf in Deutschland verboten.

Seit Jahrzehnten pflegt die PFLP/Samidoun enge Beziehungen zur radikalen Linken in Europa. Es ist daher keine Überraschung, dass Samidoun-Vertreter wie Mohammed Khatib seit dem 7. Oktober immer wieder von linksextremistischen Organisationen wie dem Revolutionären Aufbau in die Schweiz eingeladen. PFLP-Symbole und -Flyer tauchten an den Uni-Besetzungen in Genf, Lausanne und Basel auf. Das Ganze wurde von der iranischen Propaganda begleitet: Press TV filmte eine Demo in Lausanne und der Hisbollah-Sender Al Mayadeen führte Interviews mit den Organisatoren der Proteste.

Alles Zufall? Die Vermutung liegt nahe, dass Samidoun/PFLP direkt oder indirekt über befreundete linksradikale Organisationen in die Uni-Besetzungen involviert war. Im Mai konstatierte der Luzerner Extremismusexperte Johannes Saal: «Generell ist zu beobachten, dass PFLP-nahe Organisationen wie z.B. Samidoun … zunehmend ihr Aktionsfeld in die Schweiz verlagern.»

Die Schweizer Behörden werden aktiv

Anfang Juni setzten die Schweizer Sicherheitsbehörden ein klares Zeichen gegen die zunehmende Aktivität der Samidoun in der Schweiz. Das Fedpol verhängte ein Einreisverbot gegen Khatib. Seitdem ist es an den Schweizer Unis spürbar ruhiger geworden. Ob diese Ruhe Bestand haben wird, wird sich im Herbst zeigen. Klar ist schon jetzt: Der Iran und andere Diktaturen betrachten die Offenheit der westlichen Staaten als Einfallstor, um die Meinungsbildung der Öffentlichkeit zu beeinflussen.

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Über Daniel Rickenbacher

Daniel Rickenbacher ist promovierter Historiker und arbeitet in der Analyse und Politikberatung. Er studierte Geschichte, Politik und Religion und forschte an der Universität Basel, der Ben Gurion Universität, der Concordia Universität in Montreal und an der Militärakademie an der ETH.

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