Die Hisbollah hat Israel in den vergangenen Wochen mit Drohnenangriffen materiellen Schaden zugefügt und mehrere Todesopfer verursacht. Während die IDF weiterhin Mühe bei der Identifikation und Neutralisierung dieser Waffensysteme bekundet, dürfte deren Einsatz durch die Terrorgruppe weiter eskalieren. Wie soll mit dieser Herausforderung umgegangen werden?
von Liran Antebi
Seit Beginn des Kriegs in Gaza hat die Hisbollah eine Vielzahl von Drohnen, auch bekannt als unbemannte Luftfahrzeuge (unmanned aerial vehicles, UAVs), zur Beschaffung von Informationen und für Angriffe auf Israel eingesetzt. In jüngster Zeit hat sie auch verstärkt mit Sprengstoff bestückte Kamikazedrohnen bei fast täglichen Angriffen eingesetzt. Dies geschieht zusätzlich zum ständigen Beschuss mit Raketen und Panzerabwehrraketen und dem Einsatz verschiedener Arten von Drehflüglerdrohnen.
Zwar gelingt es den IDF, einen Großteil der auf Israel gerichteten Drohnen abzufangen, doch haben viele davon, die meist vom Libanon aus gestartet wurden, Sachschäden und Opfer verursacht. So wurden insbesondere der Stützpunkt des Nordkommandos in Safed, das Dorf Arab al-Aramshe und Metula von Drohnen angegriffen.
Neben Drohnen, die direkt vom Libanon aus gestartet werden, nehmen auch iranische Proxies aus anderen Teilen des Nahen Ostens Israel mit Angriffs ins Visier, die bisher erfolgreicher abgefangen werden konnten. Die bekanntesten von der Hisbollah eingesetzten Systeme sind die im Iran hergestellten Ababil und Shahed, von denen es jeweils mehrere Modelle gibt. Diese Drohnen haben in der Regel eine Flügelspannweite von 2 bis 3,5 Metern und werden durch menschliche Fernsteuerung oder GPS-gesteuerte automatische Navigation zu ihren Zielen geführt. Sie können mehrere Dutzend Kilogramm Sprengstoff tragen und schlagen in der Regel in ihr Ziel ein.
Zusätzlich zu diesen Kamikazedrohnen hat die Hisbollah laut Eigendokumentation vom 16. Mai bei einem Angriff in der Nähe von Metula zum ersten Mal eine raketenbestückte Drohne gegen Israel eingesetzt. In einem Video ist zu sehen, wie die Drohne Raketen auf Fahrzeuge und andere Ziele abfeuert und den Moment der Einschläge aufzeichnet, bevor sie anschließend in der Gegend abstürzt.
Bei den von der Drohne abgefeuerten Raketen handelt es sich um alte S5-Raketen aus sowjetischer Produktion, die nicht lenkbar sind. Ihre Länge von etwas mehr als einem Meter erfordert eine relativ große Plattform. Es wird vermutet, dass es sich um eine iranische HESA-Ababil-Drohne handelt, von der es mehrere Modelle gibt, die von einem mobilen LKW-basierten Startgerät aus gestartet werden können, ohne dass eine Startbahn erforderlich wäre. Die Flügelspannweite des Modells Ababil 2 beträgt etwa 3,25 Meter. Obwohl dies der erste Einsatz einer raketenbewaffneten Drohne durch die Hisbollah gegen Israel ist, kommt dieser wenig überraschend. Es gibt Hinweise darauf, dass die Organisation diesen Modus Operandi seit 2014 während des syrischen Bürgerkriegs eingesetzt hat.
Ein weiteres Indiz für die Eskalation des Drohnenkriegs ist der erfolgreiche Angriff der Organisation auf den großen Beobachtungsballon Tal Shamayim (Himmelstau) in der Nähe der Golani-Kreuzung mit einer Kamikaze-Drohne am 15. Mai. Dieser Angriff spiegelt eine Verbesserung der Genauigkeit und der Fähigkeit wider, der israelischen Luftverteidigung zu entgehen. Der Ballon, ein Produkt israelisch-amerikanischer Zusammenarbeit, gilt als eines der größten seiner Art weltweit.
Der IDF-Sprecher räumte ein, dass die Drohne den Ballon traf, der sich im Rahmen des operativen Empfangsprozesses am Boden befand, und behauptete, der Treffer habe die Fähigkeit der IDF, ein Luftbild zu erstellen, nicht beeinträchtigt. In derselben Erklärung wies der IDF-Sprecher darauf hin, dass die Luftwaffe alle paar Tage Drohnen abfängt, die nicht nur aus dem Libanon, sondern auch aus dem Irak, Syrien und dem Jemen gestartet werden. Ein kurz nach dem Ballonangriff veröffentlichtes Video der Hisbollah zeigt ebenfalls eine lange und erfolgreiche Aufzeichnung ihrer Operation.
Der Einsatz von Drohnen durch die Hisbollah sollte Israel nicht überraschen. Bereits im ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre begann Israels Überlegenheit bei Drohneneinsätzen zu schwinden. So setzte die Hisbollah während des zweiten Libanonkriegs drei Ababil-Drohnen ein, die von der israelischen Luftwaffe abgefangen wurden. Seitdem hat sich – auch aufgrund der globalen Veränderungen bei der Verbreitung bewaffneter Drohnen und ihres umfassenden Einsatzes in verschiedenen Konflikten weltweit – gezeigt, dass die meisten westlichen Länder das moderne Schlachtfeld nicht antizipiert haben.
Der technologische Vorsprung ist nicht mehr nur fortschrittlichen Nationen mit großer militärischer Macht vorbehalten. Im Laufe der Jahre hat die Hisbollah gelegentlich Drohnen gegen israelische Ziele eingesetzt, wobei der Einsatz von drei Aufklärungsdrohnen gegen die israelische Gasbohrinsel Karish im Juli 2022 (die vom Barak-1-System auf Marineschiffen und F-16-Flugzeugen der Luftwaffe abgefangen wurden) als Beispiel für zahlreiche Eindringversuche dient. Der Generalsekretär der Hisbollah hat sich oft damit gebrüstet, dass die Organisation Drohnen einsetzt und ihre mit iranischer Hilfe entwickelten Fähigkeiten zur Eigenproduktion nutzt.
Ein weiteres Indiz für die Erosion der israelischen Überlegenheit gegenüber der Hisbollah sind die erfolgreichen Versuche der Gruppierung, israelische Drohnen, darunter Zik und Kochav, abzuschießen, was ihre Luftverteidigungsfähigkeiten und ihr erhebliches Potenzial unter Beweis stellt, die Aktionsfreiheit der IDF im Libanon aus der Luft zu stören.
Es scheint, dass die Vorbereitungen auf diese Herausforderung unzureichend waren und die sich verändernde Art der Bedrohung aus der Luft bei der Weiterentwicklung der Streitkräfte der IDF nicht vollständig verstanden oder angemessen berücksichtigt wurde. In Verbindung mit Israels ineffektiver Politik und schwachen Reaktionen auf den Einsatz kleiner Rotationsdrohnen durch terroristische Organisationen hat dies dazu geführt, dass beispielsweise die Hamas mit diesen Systemen entlang der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Israel bereits vor dem 7. Oktober Handlungsfreiheit hatte.
Gegenwärtig begegnen die IDF der Drohnenbedrohung hauptsächlich mit traditionellen Flugabwehrsystemen, Kampfjets und Kriegsschiffen, die alle mit Abwehrraketen bewaffnet sind, sowie mit verschiedenen Systemen zur elektronischen Kriegsführung. Der Einsatz von Raketen ist jedoch äußerst kostspielig und kann auch gege eine grosse Anzahl Drohnen oder bei einem kombinierten Angriff von Drohnen zusammen mit anderen Waffensystemen unzureichend sein. Ein Beispiel für einen solchen kombinierten Angriff war der umfangreiche iranische Luftangriff auf Israel in der Nacht vom 13. auf den 14. April, bei dem Hunderte von ballistischen Lenkwaffen, Marschflugkörpern und verschiedene Arten von Drohnen zum Einsatz kamen und der eine regionale und internationale Zusammenarbeit sowie erhebliche Anstrengungen der IDF zur Abwehr erforderte.
Medienberichten zufolge hat das israelische Verteidigungsministerium die Beschaffung von C-UAV-Systemen (Counter UAV, dt. Drohnenabwehrsysteme) zur Abwehr von Angriffsdrohnen und Kamikazedrohnen in Höhe von Hunderten Millionen Schekel beschleunigt. Einem Bericht zufolge zielen die Beschaffungen in erster Linie auf Systeme ab, die neben verschiedenen Arten von Abwehrfeuer auch Frequenzen blockieren oder stören können, auf denen Drohnen und UAVs operieren. Dies geschieht parallel zur voraussichtlichen Lieferung des Laserabfangsystems Iron Beam durch Rafael an die IDF, das bis Ende 2025 einsatzbereit sein soll. Es stellt sich jedoch die Frage, ob sich die IDF zusätzlich zu den aktuellen Bedrohungen auch auf künftige Bedrohungen vorbereiten.
Angesichts von Entwicklungen wie dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine sollten sich die IDF auf große Mengen von FPV-Drohnen (First Person View) und anderen Arten von Sprengstoff bestückten Drohnen vorbereiten, die derzeit als wichtigstes Mittel für Angriffe auf Ziele beider Kriegsparteien gelten. Darüber hinaus sollte die IDF darauf vorbereitet sein, Drohnen und UAVs zu bekämpfen, die von KI-basierten Systemen gesteuert werden und sich bei der Navigation auf Bilderkennung stützen, um GPS-Störungen und andere Arten der elektronischen Kriegsführung zu überwinden, wie dies bei den ukrainischen Angriffen auf russische Energieproduktionsstätten der Fall war. Und auch wenn dieses Konzept derzeit nur in Experimenten von hoch entwickelten Nationen vorgestellt wird, lohnt es sich, sich auch auf die Bedrohung durch autonome Schwärme einzustellen und vorzubereiten.
Während die Herausforderungen in Bezug auf Technologie, Budget und Operationen beträchtlich sind, kann die Entwicklung von Antworten auf dieses Problem auch eine immense Chance für Israel darstellen, da die Nachfrage nach fortschrittlichen Reaktionsmitteln über seine Grenzen hinaus wächst. Das internationale Interesse an diesem Bereich nimmt zu, da man sich der wachsenden unbemannten Bedrohung auf den zukünftigen Schlachtfeldern ubewusst ist. Darüber hinaus ist es von entscheidender Bedeutung, sich mit Blick anch vorne auf den Tag vorzubereiten, an dem Israel wie jedes andere Land an einem sicheren zivilen und kommerziellen Betrieb von Drohnen und UAVs in Routine- und Notfallsituationen interessiert ist, während es gleichzeitig vor deren Einsatz durch kriminelle und terroristische Akteure geschützt werden muss.
Liran Antebi ist Senior Researcher am Institute for National Security Studies/INSS und leitet das Programm für fortgeschrittene Technologien und nationale Sicherheit. Auf Englisch zuerst erschienen bei INSS. Übersetzung und Redaktion Audiatur-Online.