Rabbiner Goldschmidt mit Karlspreis geehrt

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Verleihung des Internationalen Karlspreises im Rathaus der Stadt Aachen an Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt. Foto: IMAGO/Political-Moments
Verleihung des Internationalen Karlspreises im Rathaus der Stadt Aachen an Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt. Foto: IMAGO/Political-Moments
Lesezeit: 4 Minuten

Der Internationale Karlspreis geht in diesem Jahr an Pinchas Goldschmidt, den Vorsitzenden der Europäischen Rabbinerkonferenz. Seine Dankrede nutzt er für ein flammendes Plädoyer für die Menschenrechte.

Der Vorsitzende der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER), Pinchas Goldschmidt (60), hat als neuer Karlspreisträger zum entschiedenen Kampf für Demokratie und Menschenrechte sowie gegen Judenhass aufgerufen. Der Karlspreis für ihn und für alle jüdischen Gemeinschaften sei “eine Ermutigung in einer herausfordernden Zeit”, sagte er am Donnerstag bei seiner Dankrede in Aachen.

Der Karlspreis sei eine Auszeichnung, die verpflichte, mahnte der Rabbiner. In der Begründung für die Preisverleihung heisse es, man wolle das Signal setzen, dass jüdisches Leben selbstverständlich zu Europa gehöre und dort kein Platz für Antisemitismus sein dürfe: “Das klingt märchenhaft. Leider ist das Gegenteil ist der Fall. Jüdisches Leben ist eben nicht selbstverständlich, und in Europa ist viel Platz für Antisemitismus.”

Judenhass sei nie tot gewesen: “Aber seit dem islamistischen Pogrom in Israel am 7. Oktober 2023 ist er in einer Art und Weise entfacht, die die Sicherheit und Freiheit jüdischen Lebens – gerade auch in Europa – ernsthaft bedroht.” Und was dagegen getan werde, reiche bei weitem nicht: “Jüdisches Leben, von der Kita bis zum Seniorenheim, kann nur unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. Judenhass tobt sich auf den Straßen aus, bei Demonstrationen, auf denen offen zum Mord an Juden aufgerufen wird.”

Auch an den Universitäten gebe es “hochgebildete Antisemiten, die den jüdischen Kommilitonen die Luft zum Atmen nehmen”. Jüdische Menschen trauten sich nicht, als jüdisch erkennbar zu sein. Sie lebten in Angst und bangten um ihre Zukunft – für sich, ihre Kinder und Enkel: “Dem müssen Sie, meine Damen und Herren, etwas entgegensetzen. Die jüdische Gemeinschaft kann es nicht und es ist auch nicht ihre Aufgabe. Es ist die Aufgabe ihrer Heimatländer und Heimatgesellschaften sich gegen die Feinde der europäischen Werte zu erwehren.”

Antisemitismus müsse in all seinen Formen erkannt, benannt und bekämpft werden. Dazu gehöre die uralte rassistische rechtsradikale Gestalt, aber der Judenhass komme auch als “Antizionismus” und “Israelkritik” vor und sickere in Disziplinen wie Postcolonial Studies ein.

Am Ende einigten sich die Radikalen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, den Judenhass, kritisierte Goldschmidt weiter: “Oder eben: den Hass auf Israel – paradoxerweise die einzige Demokratie im Nahen Osten, die an vorderster Front für die westlichen Werte kämpft.”

Antisemitismus sei nicht zuerst das Problem der Juden, sondern das Problem der Gesellschaften, in denen er herrsche: “Er ist ein Seismograf für ihren Zustand. Extremismus von rechts und links und insbesondere der radikale politische Islam – die Pervertierung einer Religion – gefährden nicht nur das jüdische Europa. Sie bedrohen die Sicherheit, die Freiheit, ja die Zukunft ganz Europas.”

Alle freiheitsliebenden Demokratinnen und Demokraten müssten endlich wehrhaft werden – nach aussen und nach innen, forderte Goldschmidt zum Schluss: “Wann, frage ich Sie, soll ‘nie wieder’ sein, wenn nicht jetzt?”

Goldschmidt ist am Donnerstag in Aachen mit dem Internationalen Karlspreis geehrt worden. Der frühere Oberrabbiner von Moskau setze sich “für den Frieden, die Selbstbestimmung der Völker und die europäischen Werte, für Toleranz, Pluralismus und Verständigung” ein, hieß es zur Begründung. Zudem engagiere er sich für den interreligiösen Dialog zwischen Juden und Christen sowie zwischen Juden und Muslimen, so das Karlspreisdirektorium. Gemeinsam mit Goldschmidt erhielten auch die jüdischen Gemeinschaften in Europa die Auszeichnung.

In seiner Laudatio lobte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) im Krönungssaal des Aachener Rathauses die Entscheidung Goldschmidts, 2022 Putins Russland zu verlassen, um so gegen die Gewalt gegen die Freiheit in der Ukraine zu protestieren. “Es zeugt von Ihrem tiefen historischen Gerechtigkeitssinn”, so der Bundeswirtschaftsminister.

Mit dem Karlspreis an Goldschmidt setzt die Jury laut Habeck überdies auch ein Zeichen gegen Antisemitismus – und “dafür, dass jüdisches Denken und jüdisches Leben Europa reicher macht”. Zudem setze er sich als Mitgründer des europäischen Muslim-Jewish-Leadership Council für eine besseres wechselseitiges Verständnis zwischen den rund 1,5 Millionen Juden und den über 40 Millionen Muslimen in Europa ein.

Bei einem Gottesdienst vor der Karlspreis-Verleihung sagte der Aachener katholische Bischof Helmut Dieser, Goldschmidt stehe für ein demokratisches, freies und friedfertiges Europa. Mit dem Karlspreis für ihn und alle jüdischen Gemeinschaften in Europa werde hervorgehoben, dass Europa rechtsstaatlich sei und Raum für religiöse wie kulturelle Freiheit biete. Dieser rief ausserdem dazu auf, allen Formen von Judenhass entschieden entgegenzutreten – auch an der Wahlurne.

Der 1963 in Zürich geborene Goldschmidt steht seit 2011 der Europäischen Rabbinerkonferenz vor, der rund 800 orthodoxe Rabbiner angehören. Ab 1993 war er Oberrabbiner von Moskau. Weil er den russischen Überfall auf die Ukraine nicht unterstützte, geriet er unter Druck. Deshalb verliess er im März 2022 Moskau und reiste nach Israel aus.

Der Karlspreis wird seit 1950 an Persönlichkeiten und Institutionen vergeben, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Namensgeber ist Kaiser Karl der Grosse (742-814). Er gilt als erster Einiger Europas und wählte Ende des achten Jahrhunderts Aachen zu seiner Lieblingspfalz. Ausser der Urkunde erhalten die Preisträger eine Medaille, die das älteste erhaltene Stadtsiegel Aachens aus dem zwölften Jahrhundert mit Karl dem Grossen zeigt.

Bisher erhielten die Auszeichnung unter anderen Francois Mitterrand und Helmut Kohl (1988), Angela Merkel (2008) und Papst Franziskus (2016). Im vergangen Jahr ging sie an den ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyi und das ukrainische Volk.

KNA/amo/gbo

1 Kommentar

  1. Hmmm einen Preis der einer Person verliehen wird, die die SS als Freiheitskämpfer sieht und Nazis zu Nationalhelden ernennt, würde ich nicht annehmen. Die Bevölkerung der Ukraine mag im unklaren sein, dass es tatsächlich einen Putsch gab aber Selensky weiß es sicher. Wie auch immer, der Herr Goldschmidt hat entschieden und es ist seine Sache. Schrecklich der aktuelle kalte Krieg.

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