Es ist eine bundesweite Premiere, heisst es in Frankfurt. Eine neue App möchte nicht nur die jüdische Gemeinde, sondern auch die Öffentlichkeit übersichtlich auf dem Laufenden halten. Und soll helfen, falls es ernst wird.
von Leticia Witte
Wann stehen das nächste Konzert und der nächste Vortrag auf dem Programm? Braucht jemand Rat und Tat? Wann genau beginnt am jeweiligen Freitag der Schabbat? Für solche und ähnliche Fragen hat die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main eine neue App entwickelt. Als erste jüdische Gemeinde bundesweit, sagt Benjamin Graumann. Am Sonntag ging die neue Anwendung an den Start.
Graumann betont mit Blick auf grassierenden Antisemitismus, dass die App auch bei einem möglichen Sicherheitsproblem Gemeindemitglieder über eine Pushnachricht warnen – und wieder Entwarnung geben könnte. Mit der App wollen die Frankfurter laut Graumann auch Vorreiter und Ratgeber für andere jüdische Gemeinden auf dem Digitalisierungsweg sein: „Viele blicken sehr gespannt darauf. Ich bin zuversichtlich, dass es Nachahmer geben wird.“
Der Rechtsanwalt ist Dezernent für Digitalisierung in der Gemeinde am Main, die mit knapp 7.000 Mitgliedern zu den vier grössten jüdischen Gemeinden in Deutschland gehört. Die Gemeinden unter dem Dach des Zentralrats der Juden in Deutschland haben nach offiziellen Angaben rund 95.000 Mitglieder. Seit drei Jahren sei an der neuen App gearbeitet worden. „Dabei haben wir auch die Gemeindemitglieder mit ins Boot geholt“, betont Graumann. Zudem habe man sich kirchliche Apps angeschaut, um sich Impulse zu holen. Eine aktive Zusammenarbeit habe es aber nicht gegeben.
Das Ziel der Frankfurter App: übersichtlicher Service, der Blick auf junge Leute und ein schneller Nachrichtenfluss. In der App gibt es zwei Bereiche, einen für die Öffentlichkeit und einen internen ausschliesslich für Gemeindemitglieder – als eine Art „Safe Space“. Im öffentlich zugänglichen Bereich finden sich Neuigkeiten aus dem Gemeindeleben und zahlreiche Infos über die Gemeinde sowie ein Kalender mit Veranstaltungen und Terminen für jede und jeden.
Hinzu kommt eine Übersicht über weitere digitale Angebote wie Videos, Newsletter, die Online-Ausgabe der Gemeindezeitung und Downloads zu Gebetszeiten oder Zertifikaten für koschere Produkte. Den internen Bereich müsse man sich wie ein Schwarzes Brett vorstellen, erklärt Graumann. Dort könnten Einladungen zum Schabbatdinner ausgesprochen oder Informationen zu koscheren Geschäften geteilt werden.
Die meisten Rubriken sind auf Deutsch, einige wenige Infos auch auf Englisch. Damit können zum Beispiel Geflüchtete aus der Ukraine, Menschen aus Israel oder anderen Staaten, die neu in der Stadt sind und noch kein Deutsch sprechen, erreicht werden. Graumanns Hoffnung ist, dass Menschen, die so zusammengebracht werden, auch eigene Initiativen auf die Beine stellen.
Graumann betont, dass die Frankfurter Gemeinde in den zwei Jahren seit Kriegsbeginn besonders viele Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen habe. So gibt es bereits den Online-Marktplatz „Shuk Maidan“, der ursprünglich Menschen aus der Ukraine beim Ankommen helfen sollte. Nachdem die Terroristen der Hamas am 7. Oktober das Massaker in Israel angerichtet hatten, suchten zahlreiche Israelis in Frankfurt Sicherheit und Unterstützung in der Gemeinde, die sie auffing und zum Beispiel psychosoziale Hilfe vermittelte.
Ohnehin kommen die Menschen im internationalen Frankfurt aus ganz vielen Ecken der Welt, weshalb es nicht ausgeschlossen ist, die App künftig auch mehrsprachig aufzulegen, wie Graumann sagt. Denkbar sei in Zukunft auch, Formulare und Dokumente über die App anzubieten oder eine Chatfunktion einzurichten: „Das ist jetzt noch nicht das Ende, sondern erst der Anfang.“
KNA/lwi/jps