Vor dem Internationalen Gerichtshof verteidigt Israel seine Militäroperation als Kampf gegen Terroristen: Angesichts der Vernichtungsabsicht der Hamas gegenüber Juden werde der Genozid-Vorwurf grotesk verkehrt.
von Burkhard Jürgens
Israel hat vor dem obersten UN-Gericht den Vorwurf zurückgewiesen, die Militäroperation in Gaza ziele auf einen Völkermord an den Palästinensern. Diese von Südafrika vorgebrachte Darstellung sei „krass verzerrt“, erklärte Tal Becker, Rechtsberater des israelischen Außenministeriums, am Freitag vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Vielmehr würde ein Verzicht auf Selbstverteidigung Israel den erklärten Vernichtungsabsichten der Hamas ausliefern. Becker beantragte deshalb, die Forderung Südafrikas nach einstweiligen Anordnungen gegen Israel, unter anderem eine sofortige Einstellung der Militäroperation, zurückzuweisen.
„Die Kernkomponente des Genozids, die Absicht, ein Volk ganz oder teilweise zu vernichten, fehlt vollständig. Was Israel mit seiner Operation in Gaza verfolgt, ist nicht, ein Volk zu vernichten, sondern ein Volk zu schützen – sein Volk, das von mehreren Seiten angegriffen wird“, sagte Becker. Israel kämpfe gegen Hamas-Terroristen, nicht gegen die palästinensische Bevölkerung. Es handle sich um einen „bewaffneten Konflikt zwischen einem Staat und einer gesetzlosen terroristischen Organisation“.
Die Rechtsvertreter der israelischen Regierung äußerten sich am zweiten Tag der Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof. Zuvor hatte die südafrikanische Delegation ihre Argumente für eine Eilanordnung gegen Israel vorgetragen. Ein Beschluss des Gerichts könnte schon in wenigen Tagen ergehen. Solche vorläufigen Anordnungen sind bindend, ihre Umsetzung ist allerdings kaum zu erzwingen.
Der israelische Vertreter warf Südafrika vor, den Begriff Genozid als Waffe zu benutzen und den Zweck der Völkermord-Konvention, die unter dem Eindruck des millionenfachen Mordes an Juden entstanden war, in sein Gegenteil zu verkehren. Unter einem vorgeschobenen Völkermord-Vorwurf solle Israel seine Operation gegen die fortdauernden Angriffe einer Organisation einstellen, die eine Agenda mit dem Ziel des Völkermords verfolge.
„Wenn es Handlungen gab, die als völkermörderisch charakterisiert werden können, wurden sie gegen Israel begangen; wenn es um die Verpflichtung von Staaten unter der Völkermord-Konvention geht, dann in Bezug auf ihre Verantwortung, gegen den von Hamas stolz verkündeten Vernichtungsplan vorzugehen“, sagte Becker.
Südafrika verschweige in seiner Eingabe an den Internationalen Gerichtshof den „größten kalkulierten Massenmord an israelischen Bürgern seit dem Holocaust“ und blende jegliche Verantwortung palästinensischer Akteure aus, sagte Becker. Dabei verwies er neben den Gräueltaten vom 7. Oktober auch auf die völkerrechtswidrige Kriegsführung der militanten Gruppen in Gaza, die absichtlich und systematisch Zivilpersonen und zivile Einrichtungen für ihre Zwecke benutzten.
Weiter warf er Südafrika enge Verbindungen zur Hamas vor; es sei „unglaublich“, dass wenige Wochen nach den Massakern an Israelis eine Gruppe hochrangiger Hamas-Mitglieder in Südafrika zu einem „Solidaritätstreffen“ empfangen worden sei. – Viele Mitglieder der südafrikanischen Delegation im Gerichtssaal trugen Palästinenser-Schals.
Israel wolle nach dem Willen von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu weder Gaza dauerhaft besetzen noch seine Bevölkerung vertreiben, sondern eine bessere Zukunft für Israelis und Palästinenser gleichermaßen schaffen, sagte Becker. Beide Völker sollten in Frieden leben, blühen und gedeihen. Die Palästinenser sollten „alle Macht haben, sich selbst zu regieren, aber nicht die Fähigkeit, Israel zu zerstören“, so der Jurist.
KNA/bju/cdt/Aud