Die Hisbollah hat ihr Bekenntnis zur Zerstörung Israels nicht geändert

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Hisbollah Kundgebung zum Al-Quds-Tag in Beirut, Libanon, 14. April 2023. Foto IMAGO / NurPhoto
Hisbollah Kundgebung zum Al-Quds-Tag in Beirut, Libanon, 14. April 2023. Foto IMAGO / NurPhoto
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Die anhaltende Feindschaft der Hisbollah gegenüber Israel spiegelt die ideologischen Konzepte wider, auf denen sie gegründet wurde. Die Organisation wurde von den Revolutionsgarden der Islamischen Republik Iran gegründet, und ihre Gründung kann als der einzige Exportschlager der iranischen Revolution betrachtet werden. Die Gründung der Hisbollah wäre auch ohne das Baath-Regime in Syrien nicht möglich gewesen, dass es dem Iran ermöglicht hat, im libanesischen Beqaa-Tal zu operieren. Das Syrien von Hafez Assad ermöglichte dies im Rahmen der “Erweiterungs”-Strategie, die es nach der Operation “Frieden für Galiläa” verfolgte, mit dem klaren Ziel, die israelischen Streitkräfte zu schwächen und ihren Rückzug aus dem Libanon zu erreichen.

von Dr. Yusri Khazran

Die iranische Schirmherrschaft war stets eine Stütze der Hisbollah, aber die wichtigste Unterstützung, die sie genoss, war die von Syrien. Damaskus gewährte der Hisbollah seinen Schutz und garantierte ihr Fortbestehen als militärische Organisation im Rahmen des Abkommens von Ṭaif 1989, mit dem der zweite libanesische Bürgerkrieg beendet wurde. Syrien diente jahrzehntelang als Durchgangsland für die Lieferung von Waffen an die Hisbollah.

Seit den 1980er Jahren, als das Bündnis mit Syrien enger wurde, durchlief die Hisbollah einen Prozess der “Libanonisierung”. Dieser Prozess hatte drei Hauptelemente. Erstens wurde der bewaffnete Kampf auf das Gebiet des Libanon beschränkt, insbesondere gegen die anhaltende Präsenz der IDF im Südlibanon. Das zweite Element war der Aufbau einer umfangreichen Zivilorganisation, die sich auf die Bedürfnisse der schiitischen Gemeinschaft im Libanon konzentrierte. Der dritte Schritt war die Politisierung, d.h. die Einrichtung einer politischen Vertretung und die Integration in das parlamentarische System des Libanon.

Die Libanonisierung hat die Hisbollah jedoch nicht dazu veranlasst, ihre doppelte Mission zu vergessen, die in ihrer islamistischen politischen und religiösen Weltanschauung verankert ist: die Errichtung eines islamistischen Regimes nach dem Vorbild der Islamischen Republik im Iran einerseits und die Fortführung des bewaffneten Kampfes gegen Israel andererseits.

Das Festhalten der Hisbollah an der islamistischen Ideologie, die in diesem Fall eindeutig gegen das Establishment gerichtet ist, bedeutet, dass sie danach strebt, das sektiererische Regime durch ein islamistisches zu ersetzen und ihre Waffenvorräte ständig aufzustocken, um den bewaffneten Kampf gegen Israel zu verstärken. Die Hisbollah sorgte dafür, dass der einseitige Rückzug der IDF aus dem Südlibanon als militärische Leistung des “islamischen Widerstands im Libanon” und nicht als Ergebnis interner Überlegungen der israelischen Gesellschaft dargestellt wurde. Nach dem Abzug hat die Hisbollah die libanesische Dimension ihres militärischen Kampfes stärker in den Vordergrund gerückt, und ihr Diskurs hat sich entsprechend verändert.

Bis zum Abzug der israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) behauptete die Hisbollah, dass sie im Namen der Befreiung des Bodens eines besetzten Heimatlandes militärisch tätig sei. Nach dem Abzug begann die Organisation, die Doktrin der Verteidigung des Heimatlandes gegen die “israelische Aggression” zu betonen, wobei ihre militärische Macht darauf abzielt, ein Gleichgewicht des Schreckens zwischen der Organisation und Israel herzustellen.

Volk, Armee und Widerstand

Infolgedessen beteiligte sich die Hisbollah an einem libanesischen politisch-nationalen Diskurs, der angeblich ihre militärische Existenz in den Mittelpunkt des libanesischen nationalen Konsenses stellte. Dies wurde in drei Worten zusammengefasst: Volk, Armee und Widerstand. Das Konzept spiegelte die Vertiefung der Libanonisierungstendenz und einen echten Versuch der Hisbollah wider, sich bei den libanesischen Bürgern beliebt zu machen, indem sie vorgab, ihre Waffen seien ausschliesslich für die Verteidigung des libanesischen Heimatlandes bestimmt.

Seit Mai 2000 ist die Doktrin der Verteidigung des libanesischen Vaterlandes der gemeinsame Diskurs der Hisbollah und ihrer Anhänger im Libanon. Die Annahme dieser Doktrin fiel mit einer politischen Umstrukturierung und einer stärkeren Integration in die libanesische Politik und Öffentlichkeit zusammen. Dies spiegelte sich in politischen Allianzen mit libanesischen politischen Parteien und Bewegungen wider, insbesondere unter den maronitischen Christen, sowie in der Veröffentlichung eines zweiten politischen Dokuments im Jahr 2009, das erstmals den Verzicht der Hisbollah auf ihre Mission zur Errichtung eines islamistischen Regimes im Libanon erklärte.

Stellvertretender Generalsekretär der Hizbullah: Vorkenntnisse über den Anschlag vom 7. Oktober sind für uns nicht wichtig. Video MEMRI /Youtube

Als militärische Organisation und politische Bewegung ist die Hisbollah eine totalitäre ideologisch-religiöse Bewegung, deren Weltanschauung die Grundlage ihrer Existenz ist. Was auch immer sie während des Libanonisierungsprozesses gesagt haben mag, sie ist nach wie vor ihren beiden übergreifenden ursprünglichen Zielen verpflichtet: der Errichtung eines islamistischen Regimes im Libanon und der Fortsetzung eines endlosen Kampfes gegen Israel. Diese Ziele aufzugeben würde bedeuten, ihre Ideologie auszulöschen, was darauf hinauslaufen würde, ihre Existenz als totalitäre Bewegung zu zerstören.

Indem die Hisbollah behauptet, auf die Errichtung eines islamistischen Regimes im Libanon verzichten zu wollen, und ihr gewaltiges Waffenarsenal als für Verteidigungszwecke bestimmt umdefiniert, führt sie eine raffinierte pragmatische Kampagne. Ihr Ziel ist es in erster Linie, interne Gegner, die eine Theokratie fürchten, zu neutralisieren und den weiteren Besitz eines riesigen Waffenarsenals ausserhalb der staatlichen Autorität zu rechtfertigen.

Die Strategie des Gleichgewichts, die für die Hisbollah seit dem Ende des zweiten Bürgerkriegs kennzeichnend ist, ist nach wie vor ein deutliches Bekenntnis der Bewegung zu ihren Zielen. Das Gleichgewicht zwischen der Aufrechterhaltung der Existenz des libanesischen Staates und der Beibehaltung eines enormen Waffenarsenals ist eine praktische Formel, die eine ständige Krise hervorruft, aber keinen Verzicht auf den Kampf gegen Israel bedeutet. Auch der Verzicht auf die Forderung nach der Errichtung eines islamistischen Regimes im Libanon bedeutet keineswegs, dass die Hisbollah ihrer islamistischen Ideologie abgeschworen hat, denn ein solcher Schritt würde ihrem eigentlichen Wesen widersprechen.

Ideologie des ewigen Kampfes gegen Israel

Die Hisbollah trat dem Krieg zwischen Israel und der Hamas einen Tag nach dem Schwarzen Sabbat vom 7. Oktober bei. Ihre Beteiligung, selbst auf lokaler Ebene, so kurz nach dem barbarischen Angriff der verbrecherischen Terrororganisation Hamas auf Israel, einem Angriff, der sich in erster Linie gegen israelische Zivilisten und ohne jegliche Provokation seitens Israels richtete, stellt die Doktrin der Hisbollah zur Verteidigung des eigenen Landes in Frage. Ihre begrenzte Beteiligung an den aktuellen Kämpfen gegen Israel beweist, dass die Hisbollah ihrer Weltanschauung und der Indoktrination, die sie seit vier Jahrzehnten begleitet, treu bleibt. Ihre Unterstützung der Hamas in ihrem Krieg gegen Israel zeigt, dass die Änderung eines Gründungsdokuments oder ein politisch-pragmatischer Diskurs, der den Umständen Rechnung trägt, nicht von Mässigung oder einem grundlegenden Wandel zeugt.

Tatsächlich beweist die Beteiligung der Hisbollah an den Kämpfen, dass sie an ihrer primären Ideologie des ewigen Kampfes gegen Israel festhält. Der Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, sagte in seiner ersten Rede nach dem 7. Oktober, dass die Zeit für eine totale Konfrontation zwar noch nicht reif sei, er aber überzeugt sei, dass dieser Tag kommen werde. Es ist höchst zweifelhaft, dass das riesige Waffenarsenal, das die Hisbollah in den letzten zwei Jahrzehnten angehäuft hat, ausschliesslich für Verteidigungszwecke bestimmt ist. Die Hisbollah hat ihren Diskurs zwar an die Erfordernisse der Zeit und der Umstände angepasst, doch sollte niemand glauben, dass sie ihren ideologischen Totalitarismus aus den Augen verloren hat.

Die Hisbollah ist nach wie vor davon überzeugt, dass sie in der Lage ist, Israel einen vernichtenden Schlag zu versetzen. Nach dem Abzug der Amerikaner aus Afghanistan und den Bildern von afghanischen Bürgern, die unter den Rädern von Flugzeugen zerquetscht wurden, versicherte Nasrallah seinen Anhängern, dass sich solche Szenen am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv wiederholen würden. Die Hisbollah bereitet sich, wie schon immer, auf den Kampf mit Israel am jüngsten Tag vor. Ihre – wenn auch begrenzte – Beteiligung an den aktuellen Kämpfen beweist, dass sie weiterhin entschlossen ist, ihre messianische Mission zu erfüllen und Israel eine entscheidende Niederlage zuzufügen.

Der Prozess der Libanonisierung hat eine trügerische Maske der Mässigung geschaffen, die es bei der Hisbollah überhaupt nicht gibt. Anstatt auf falsche Interpretationen der Libanonisierung zu vertrauen, sollte Israel sich auf die Obsession der Hisbollah für militärische Macht und ihre ungebrochene Entschlossenheit zur Zerstörung des jüdischen Staates konzentrieren.

Dr. Yusri Khazran ist Dozent an der Abteilung für Nahost- und Islamstudien am Shalem College und Forschungsstipendiat am Harry S. Truman Institute for the Advancement of Peace an der Hebräischen Universität. Dr. Hazran ist der Autor von The Druze Community and the Lebanese State: Between Resistance and Reconciliation, (Routledge, 2014). Auf Englisch zuerst erschienen beim Begin-Sadat Center for Strategic Studies. Übersetzung Audiatur-Online.

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