Die Hamas-Konferenz in Genf und das Schweigen des Carlo Sommaruga

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Carlo Sommaruga an der «First International Conference on the Rights of Palestinian Detainees» Konferenz in Genf vom 11. – 12 März 2011. Foto Ufree
Carlo Sommaruga an der «First International Conference on the Rights of Palestinian Detainees» Konferenz in Genf vom 11. – 12 März 2011. Foto Ufree
Lesezeit: 9 Minuten

In einem Bericht der Sonntagszeitung vom 19. November, erklärt SP-Ständerat Carlo Sommaruga rührselig, er habe sich nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober nicht weiter zu den Ereignissen im Nahen Osten geäussert, weil er an einer Veranstaltung war und «persönlich angegriffen wurde.» Über seinen Besuch als Redner an einer Hamas-Konferenz in Genf schweigt er weiterhin.

In der Sonntagszeitung jammerte Sommaruga gar etwas von einer gezielten Kampagne gegen seine Person. Das Ziel proisraelischer Organisationen in der Schweiz sei es gewesen, «die zweite Runde einer schwierigen Wahl zu nutzen, um mich zu Fall zu bringen» heisst es dort. Nun, zumindest wir bei Audiatur-Online, können Herr Sommaruga beruhigen, es gab und gibt keine gezielte Kampagne gegen seine Person.

Was es aber gibt sind Medien, die Politiker benennen, die sich jahrelang in den Dunstkreis der seit Jahrzehnten Juden mordenden Terrororganisationen Hamas oder PFLP begeben haben. Dabei spielt es keine Rolle in welcher Partei oder in welchem Rat diese Politiker sind oder waren. Ob Sommaruga sich zu dieser Kategorie Politiker zählt, können die Leser und eventuell sein Gewissen, beurteilen.

Vieles über Sommarugas leidenschaftliches Engagement in der sogenannten «palästinensischen Sache» ist seit Jahren bekannt. Seine unzähligen Vorstösse im Parlament betrafen nicht nur Vorschläge an den Bundesrat zum Boykott israelischer Produkte, sondern auch die Forderung zur Freilassung des «palästinensischen Führers» Marwan Barghuti. Und Herr Barghuti ist nicht irgendein netter «palästinensischer Führer», sondern ein wegen mehrfachen Mordes zu einer fünffachen lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilter Terrorist und einer der Anführer der blutigen zweiten Intifada, die zu über 1’000 getöteten und rund 7’000 verletzten israelischen Zivilisten führte. Viele der Vorstösse im Schweizer Parlament, die von Sommaruga eingereicht oder unterstützt wurden, finden sich auf der Website des sogenannten «Swiss Palestine Network».

Helden und keine Terroristen

Carlo Sommaruga hat gemäss Audiatur-Online vorliegenden Unterlagen, im Jahr 2011 an der sogenannten «First International Conference on the Rights of Palestinian Detainees» (Erste internationale Konferenz über die Rechte der palästinensischen Gefangenen und Häftlinge) in Genf als Gastredner teilgenommen.

Die Konferenz, die vom 11. – 12 März 2011 dauerte, wurde organisiert von den drei sogenannten NGOs «Droit Pour Tous», «The European Network to Support the Rights of the Palestinian Prisoners» (UFree) und «North-South 21».

Droit Pour Tous wurde damals laut SonntagsZeitung vom 4. November 2023, vom «Hamas-nahen» Anouar Gharbi aus Genf geleitet. Herr Sommaruga behauptete in einem Interview mit der Tribune de Genève vom 19. November 2023 er habe «ignoriert», dass der Schweizer mit tunesischen Wurzeln ein der Hamas nahestehender Aktivist sei. Er habe gewusst, dass Gharbi Kontakte zu den Muslimbrüdern hatte, aber nicht zur Hamas. Man könne die Hamas insgesamt zwar verurteilen, aber sie werde in der einen oder anderen Form ein unumgänglicher Akteur bleiben, wenn es um den Aufbau des Friedens gehe. In Anbetracht der Gräueltaten, die von den Hamas-Terroristen am 7. Oktober und dem ganzen Hamas-System seit vielen Jahren begangen wurden, ist es unfassbar und eine Ungeheuerlichkeit, dass Herr Sommaruga diese Terrorbande immer noch als «Akteure» für den Frieden bezeichnet.

Anouar Gharbi, Mohammed Hamdan und Scheich Raed Salah nach der Konferenz. Foto Ufree

Vorsitzender von UFree war Mohammed Hamdan, der Bruder von Osama Hamdan, ein hochrangiger Funktionär im Politbüro der Terrororganisation Hamas, der vor kurzem in einem Interview mit der libanesischen Zeitung «Bel Moubashar Online» betonte, dass die Hamas den Anschlag vom 7. Oktober nicht bedauere und dass ein grösserer «Befreiungskrieg» bevorstehe. Nur wenige Monate nach der Konferenz brachte Mohammed Hamdan von UFree den rechtsextremen Terroranschlag von Anders Breivik mit Israel in Verbindung und behauptete, das Jugendlager sei angegriffen worden, weil es pro-palästinensisch war. UFree, als Haupt-Organisator der Konferenz machte deutlich, dass man sich für die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen einsetzt, einschliesslich verurteilter Terroristen, oder wie Hamdan sie bezeichnet, «Helden». Er schrieb: «Diese Häftlinge und Gefangenen wollten sich von der Besatzung befreien, deshalb sind sie Helden und keine Terroristen». Das Mohammed Hamdan ein Hamas Vertreter ist, hätte (oder hat) Carlo Sommaruga wissen können/müssen. Ein Bericht im norwegischen Online-Portal «Nettavisen» und auch anderen Medien, wies bereits im Februar 2006 auf Hamdans Verbindungen zur Terrororganisation Hamas hin.

Der dritte Organisator der Konferenz, North South 21, war bei der UNO als NGO akkreditiert und wurde durch das libysche Gaddafi-Regime im Jahr 1989 als Teil des in Genf ansässigen Komitees zur Verleihung eines jährlichen «Moammar-Qaddafi-Preises für Menschenrechte» gegründet. Der linke ehemalige SP-Nationalrat Jean Ziegler war Mitbegründer der miteinander verknüpften Organisationen.

Laut Konferenzunterlagen war eine derjenigen Personen, denen Sommaruga auch zuhörte, Sarah Kafisha, die sich für die Freilassung ihres Vaters Ayman Kafisha einsetzte, der Jahre zuvor von Israel inhaftiert worden war. Ayman Kafisha wurde verhaftet, wie die Jerusalem Post damals berichtete, «im Zusammenhang mit der Entführung und Ermordung des Soldaten Sharon Edri, der Ermordung von drei Frauen bei dem Bombenanschlag auf das Apropos-Café und den Morden an Mitgliedern der Familien Unger und Monk, angeklagt und eingesperrt».

Foto Screenshot Jerusalem Post.

Terroristen sind Freiheitskämpfer

Ein weiterer Redner, neben Herr Sommaruga, war der mehrmals verurteilte Führer des nördlichen Zweigs der islamischen Bewegung in Israel, Scheich Raed Salah. Shaul Bartal schrieb über Salah: «In seiner Lebensgeschichte und den von ihm vertretenen Haltungen ist Scheich Raed Salah die Verkörperung der Radikalisierung der Muslime in Israel.» In einer Rede im Februar 2007 beschuldigte Salah Juden, sie würden das Blut von Kindern zum Brotbacken verwenden.

Scheich Raed Salah an der Ufree Konferenz in Genf. Foto Ufree

Eine Studie, die 2015-16 im BESA-Zentrum durchgeführt wurde, ergab, dass die meisten Terroristen, die der Hamas angehörten oder sie unterstützten, sich mit der Haltung des «Sheikh al-Aqsa», wie Salah in den Veröffentlichungen der Muslimbruderschaft genannt wird, identifizierten. Salah sagte an der Konferenz: «Solange es eine Besatzung gibt, ist zu erwarten, dass die Palästinenser der Besatzung Widerstand leisten, solange die Besatzung dem palästinensischen Volk diese blutige Gewalt auferlegt, ist zu erwarten, dass einige Mitglieder der Besatzung getötet werden. Die Behauptung des israelischen Besatzungsregimes lautet, dass Freiheitskämpfer Blut an ihren Händen haben. Das ist falsch. Es ist die israelische Besatzung, die der Terrorist ist».

Ex-Grünen Präsident Leuenberger: Befreiung aller «palästinensischen politischen Gefangenen»

Mit Ueli Leuenberger, dem damaligen Präsidenten der Grünen Partei, war ein weiterer Schweizer «Palästina-Freund» vor Ort. Leuenberger forderte die Schweiz auf, den Waffenhandel mit Israel einzustellen und jegliche militärische Zusammenarbeit «mit dem Regime» zu beenden. Seine Kolleginnen und Kollegen von der Grünen Partei würden beabsichtigen, dem Schweizer Parlament einen Aufruf zur Beendigung des Handels mit Siedlungsprodukten in der Schweiz vorzulegen, so Ueli Leuenberger. Er sprach weiter von einer sich wandelnden Welt, in der angesichts der Aufstände im Nahen Osten und in Nordafrika «die Hoffnung auf Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit» neu entstehe. Dies beginne «mit der Befreiung aller «palästinensischen politischen Gefangenen», betonte er. Ob er damit spezifische Hamas-Gefangene meinte, ist nur zu erahnen.

Foto Screenshot Ufree Konferenz-Handout

Ein weiterer Redner in Genf war der ehemalige ranghohe Fatah-Funktionär Hussam Khader, dem von Israel eine persönliche Anreise zu der Konferenz verweigert wurde. Khader wurde 2003 verhaftet und verurteilt, weil er Mitglied der Al-Aqsa-Märtyrer-Brigade der Fatah-Bewegung, war, die in der zweiten Intifada eine Schlüsselrolle spielte. Ausserdem weil er über Verbindungen zur Hisbollah und zum Iran zur Finanzierung der Gruppe beitrug. Seit seinem 13. Lebensjahr war er 23-mal in israelischen Gefängnissen und wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, aber nach fünfeinhalb Jahren entlassen. In einem Interview mit Ha’aretz einige Tage nach seiner Freilassung sagte Khader: «Die nächste Intifada wird nicht aus Steinen oder gar Selbstmordattentätern bestehen, sondern aus Raketen und möglicherweise sogar aus chemischen Waffen».

«Wir, das Schweizer Volk, fordern die sofortige Freilassung der palästinensischen Gefangenen»

Auch der ehemalige Labour-Chef Jeremy Corbyn nahm an der Hamas-nahen Konferenz in Genf teil, um sich für die Freilassung von verurteilten palästinensischen Gefangenen einzusetzen. Corbyn, der in den politischen Ausschuss von UFree gewählt wurde, sagte den Teilnehmern unter anderem: «Wir haben es mit einem Staat (Israel) zu tun, der Menschen auf der Straße verhaftet und sie zwingt, ihr Leben hinter Gittern zu verbringen. Hier in Genf erklären wir unsere uneingeschränkte Solidarität mit diesen Gefangenen und ihren Familien, und wir erklären auch, dass die israelische Besatzung illegal ist. Daher ist es illegal, Palästinenser auf diese Weise zu verhaften». Er fügte hinzu: «Israel begeht Kriegsverbrechen, indem es palästinensische Abgeordnete verhaftet und täglich viele andere verhaftet». Er versprach, sich für die Freilassung aller «palästinensischen politischen Gefangenen» einzusetzen.

Laut Lauren Booth vom iranischen «PressTV» rief Carlo Summaruga in seiner Rede die Bürger der Welt in einem «leidenschaftlichen Appell» dazu auf, sich von den arabischen und nordafrikanischen Aufständen an «unsere gegenseitigen Pflichten erinnern zu lassen. Unsere Pflicht – füreinander». «Wir, das Schweizer Volk», sagte er, «fordern die sofortige Freilassung der palästinensischen Gefangenen. Ein Ende aller wirtschaftlichen und militärischen Kooperationen mit Israel. Und dass die internationale Gemeinschaft Israel von allen zukünftigen Treffen ausschliesst, bis es seine Verpflichtungen erfüllt».

Der damalige Nationalrat Carlo Sommaruga (SP) bekam am  18. Januar 2012 von Hamas-Vertreter Mushir al Masri einen Schal geschenkt. Foto zVg
Der damalige Nationalrat Carlo Sommaruga (SP) bekam am 18. Januar 2012 von Hamas-Vertreter Mushir al Masri einen Schal geschenkt. Foto zVg

Keine Antwort von Sommaruga

Im Zuge der Recherchen zu diesem Artikel, hat Audiatur-Online Carlo Sommaruga vor einem Monat mehrmals schriftlich folgende Fragen gestellt, um ihm die Möglichkeit zu geben, seine Sichtweise zu erläutern. Von Herr Sommaruga kam bis heute Antwort.

1. Ist es richtig, dass Sie am 11./12. März 2011 an der «First international conference on the rights of Palestinian prisoners and detainees», organisiert von einer Organisation mit dem Namen «Ufree», als Gastredner teilgenommen haben?

2. Falls ja, in welcher Funktion haben Sie daran teilgenommen und auf wessen Einladung?

3. Den Vorsitz der Konferenz führte Mohammed Hamdan, der Bruder des ranghohen Hamas-Funktionärs Osama Hamdan, der von Grossbritannien als Terrorist eingestuft wurde und gegen den finanzielle Sanktionen verhängt wurden. Wie stehen Sie heute dazu? War Ihnen das bekannt?

4. «UFree» machte auf ihrer Website deutlich, dass sich die Organisation für die Freilassung aller palästinensischen Gefangenen einsetzen, einschliesslich verurteilter Terroristen, die Hamdan als «Helden» bezeichnete: “Diese Häftlinge und Gefangenen wollten sich von der Besatzung befreien, deshalb sind sie Helden und keine Terroristen“. Haben Sie sich damals von solchen Aussagen distanziert? Wenn nein, warum nicht?

5. An der Konferenz nahm auch Scheich Raed Salah teil. Er ist der Leiter des nördlichen Zweigs der islamischen Bewegung in Israel, die enge Verbindungen zur Hamas und der Muslimbruderschaft unterhält. Im Jahr 2008 wurde Salah in Israel wegen Anstiftung zu antijüdischem Rassismus und Gewalt angeklagt und zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. War Ihnen das damals nicht bekannt und würden Sie heute wieder neben Scheich Raed Salah an einer Konferenz teilnehmen?

Im Interview mit der Tribune derr Genève antwortet Carlo Sommaruga auf die Frage, ob man mit einer antisemitischen Bewegung wie der Hamas, welche die Vernichtung Israels und damit aller Juden anstrebt, verhandeln könne, mit einem Ja und vergleicht die Hamas mit dem demokratischen Rechtsstaat Israel. Ausserdem bringt er auch noch die antisemitische Stereotype aufs Tappet, Bundesrat Ignazio Cassis würde sich «vor Israel verbeugen», weil er die Hamas als Terrororganisation verbieten möchte. Vade Retro Carlo Sommaruga!

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