Warum sollte man jetzt keinen „palästinensischen Staat“ anerkennen?

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Der verstorbene Gründer der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) George Habash, der verstorbene Führer der Hamas, Scheich Ahmed Jassin, der verstorbene Palästinenserführer Jassir Arafat und der verstorbene Führer des Palästinensischen Islamischen Dschihad, Fathi Shaqaqi, Graffiti in Gaza-Stadt. Foto IMAGO / ZUMA Press
Der verstorbene Gründer der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) George Habash, der verstorbene Führer der Hamas, Scheich Ahmed Jassin, der verstorbene Palästinenserführer Jassir Arafat und der verstorbene Führer des Palästinensischen Islamischen Dschihad, Fathi Shaqaqi, Graffiti in Gaza-Stadt. Foto IMAGO / ZUMA Press
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Es gibt Gerüchte darüber, dass Belgien, ebenso wie Norwegen und Spanien, die Anerkennung eines „palästinensischen Staates“ vorbereiten. Dieser Schritt erscheint sowohl aus rechtlichen als auch aus politischen Gründen äusserst fragwürdig.

von Drieu Godefridi

Erste Voraussetzung für die Anerkennung eines Staates sind Territorium und Staatsgewalt. Das Völkerrecht definiert einen souveränen Staat als eine etablierte territoriale Einheit, in der seine Gesetze für eine ständige Bevölkerung gelten und die durch Institutionen gebildet wird, durch die sie Autorität und effektive Macht ausübt.

In Bezug auf einen „palästinensischen Staat“ gibt es kein Gebiet, über das sich selbst die Palästinenser einig wären. Die Charta der Hamas – die von vielen westlichen Ländern als terroristische Organisation eingestuft wird und seit 2007 im Gazastreifen unangefochten regiert, als sie die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) gewaltsam vertrieb, indem sie unter anderem PA-Mitglieder von 15-stöckigen Gebäuden warf – ruft zur „Befreiung“ „jedes Zentimeters Palästinas“ durch den Dschihad auf.

Aber auch die Palästinensische Autonomiebehörde erhebt Anspruch auf das gesamte Gebiet, einschliesslich ganz Israels. Das Territorium des „palästinensischen Staates“ ist also nicht nur am Rande umstritten, sondern im Wesentlichen umstritten. Gegenwärtig kann niemand, und schon gar nicht die Palästinenser selbst, sagen, wo die Grenzen des von ihnen beanspruchten Gebiets liegen, auch nicht annähernd, abgesehen von dem offen angestrebten gesamten Staatsgebiet Israels.

Darüber hinaus stützt sich die Palästinensische Autonomiebehörde auf den „Zehn-Punkte-Plan“ der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) von 1974 (auch als „Stufenplan“ bekannt) für die „umfassende Befreiung“ des gesamten Landes „vom Fluss [Jordan] bis zum Meer [Mittelmeer]“ – ein Euphemismus für die Auslöschung von Israel. Der Plan sieht vor, dass die PLO jedes Gebiet, das ihr angeboten wird, als Operationsbasis nutzt, um den Rest zu bekommen.

Es gibt auch keine konstituierte staatliche Behörde. Oder besser gesagt, es gibt zwei. Im Gazastreifen regiert seit 2007 die Hamas. In den palästinensisch besiedelten Gebieten von Judäa und Samaria dominiert die Palästinensische Autonomiebehörde. Diese beiden Behörden erkennen sich gegenseitig nicht an, was sogar so weit ging, dass sie Krieg gegeneinander führten. Zwischen 2007 und 2008 wurden bei Zusammenstössen zwischen der Hamas und der Palästinensischen Autonomiebehörde im Gaza-Streifen Hunderte von Kadern und Aktivisten getötet. Schätzungsweise 600 politische Gefangene der Hamas werden in Gefängnissen der Palästinensischen Behörde festgehalten.

Was ist also diese rätselhafte „Autorität“, die anerkannt werden soll? Die Palästinensische Autonomiebehörde, die keine Legitimität besitzt, keine Vertreter in Gaza hat und von einem Grossteil der eigenen Bevölkerung gehasst wird? Oder die Hamas, die den Gazastreifen seit 2007 regiert, eine Terrororganisation ist und gerade den schlimmsten Massenmord an Juden seit der Shoah verübt hat?

Ist sich Belgien darüber im Klaren, dass die Anerkennung jeglicher Art von „Autorität“ unter diesen Bedingungen gleichbedeutend ist mit der Anerkennung entweder einer terroristischen Organisation oder der Palästinensischen Autonomiebehörde, deren Autorität in Gaza ein reiner Mythos ist, oder einer Mischung aus beidem, die vor Ort keine Relevanz hat?

Das Problem „palästinensischen Flüchtlinge“

Streng völkerrechtlich gesehen macht es keinen Sinn, einen „palästinensischen Staat“ anzuerkennen, der in keinem seiner wesentlichen Bestandteile existiert. Wie kann man es rechtfertigen, einen Mythos wie den palästinensischen Staat anzuerkennen, während man sich gleichzeitig weigert, einen demokratischen „Staat Taiwan“ anzuerkennen, der perfekt konstituiert ist und dies schon seit Jahrzehnten ist? Es ist schön und gut, sich auf das Völkerrecht zu berufen, aber noch besser ist es, sich konsequent an dessen Vorgaben zu halten.

Ein weiteres Problem ist das der „palästinensischen Flüchtlinge“. Schätzungsweise zwei Millionen „palästinensische Flüchtlinge“, die von den Vereinten Nationen als solche anerkannt sind, leben derzeit im Westjordanland und im Gazastreifen. Die Flüchtlingsfrage ist eine der heikelsten Fragen im israelisch-arabischen Konflikt. Fünf Millionen palästinensische Araber, die derzeit als „Palästina-Flüchtlinge“ registriert sind – die zwei Millionen im Westjordanland und im Gazastreifen, plus zwei Millionen in Jordanien und eine weitere Million in Syrien und im Libanon – fordern die „Rückkehr“ in das Land, das sie als ihre historische Heimat bezeichnen.

Würden sich diese fünf Millionen Palästinenser zu den etwa zwei Millionen palästinensischen Arabern gesellen, die bereits israelische Staatsbürger sind, käme es zu einer massiven demografischen Veränderung, wie Einat Wilf betont. Die Juden Israels würden wahrscheinlich in die Minderheit zurückgedrängt. Aus diesem Grund haben die Israelis das von den Palästinensern geforderte „Recht auf Rückkehr“ stets abgelehnt. Die Palästinenser bestehen jedoch darauf, dass dies eine Grundvoraussetzung für jedes Friedensabkommen ist.

Die Anerkennung eines „palästinensischen Staates“ bedeutet, dass dem Mythos der Flüchtlinge, die bereits in diesen Gebieten leben, ein Ende gesetzt wird. Man kann nicht gleichzeitig ein Flüchtling aus Palästina sein und in einem palästinensischen Staat leben. Wenn der Gazastreifen und das Westjordanland zu „Palästina“ werden, dann sind die Millionen von Palästinensern, die dort leben, keine Flüchtlinge mehr. Wenn man vorgibt, einen „palästinensischen Staat“ anzuerkennen, während man den Mythos von den Flüchtlingen aufrechterhält, verrät man den inhärent politischen und feindseligen Charakter dieser Anerkennung eines imaginären „palästinensischen Staates“.

Ausserdem gibt es nach Meinung vieler Kommentatoren bereits einen palästinensischen Staat: Er heisst Jordanien.

Das bringt uns zum Kern der Sache: Die mögliche Anerkennung eines „palästinensischen Staates“ durch Belgien ist völkerrechtlich unsinnig. In Wirklichkeit entspringt sie weniger dem Wunsch, den Palästinensern zu helfen – deren Leben dadurch nicht verbessert wird -, als vielmehr einer heftigen und zunehmend unverhohlenen Feindseligkeit gegenüber dem Staat Israel und höchstwahrscheinlich auch gegenüber Juden.

Belgien, Norwegen und Spanien täten gut daran, zur Vernunft zu kommen. Die Anerkennung eines palästinensischen Staates ohne Autorität, ohne realistische territoriale Ansprüche und ohne akzeptable Führung – und mit einem langfristigen, unverhohlenen Wunsch, den Nachbarn Israel zu terrorisieren und zu zerstören – direkt nach einem dschihadistischen Pogrom gegen Juden, wird keine der beteiligten Parteien glücklich machen, und auch sonst niemanden.

Drieu Godefridi ist Jurist, Philosoph und Doktor der Rechtstheorie. Er ist Unternehmer, CEO einer europäischen privaten Bildungsgruppe und Direktor der PAN Medias Gruppe. Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute. Übersetzung Audiatur-Online.