Paukenschlag bei documenta: Kommission komplett zurückgetreten

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21. Juni 2022, Kassel, documenta fifteen. Banner des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi mit eindeutig antisemitischen Darstellungen wird abgehängt. Foto IMAGO / Hartenfelser
21. Juni 2022, Kassel, documenta fifteen. Banner des indonesischen Künstlerkollektivs Taring Padi mit eindeutig antisemitischen Darstellungen wird abgehängt. Foto IMAGO / Hartenfelser
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Sechs Mitglieder hatte jene Kommission, die die Künstlerische Leitung der Weltkunstausstellung documenta im Jahr 2027 auswählen sollte. Erst traten zwei Mitglieder des Gremiums zurück, nun die übrigen vier.

von Norbert Demuth

Die documenta kommt nicht zur Ruhe. Die Findungskommission für die nächste Weltkunstausstellung im Jahr 2027 ist am Donnerstagabend nunmehr komplett zurückgetreten, nachdem bereits Mitte November zwei der sechs Mitglieder das Gremium verlassen hatten. Damit ist wieder völlig offen, wer künftig die Künstlerische Leitung der documenta 16 auswählen wird.

Der Arbeitsprozess der bisherigen Kommission sei “in den vergangenen Wochen immer mehr unter Druck geraten”, teilte die documenta-Gesellschaft am Donnerstagabend in Kassel mit. Geschehen sei dies “unter dem Eindruck der Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober und dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland sowie den polarisierten Debatten darum”. Konkreter ging die documenta nicht auf Rücktrittsgründe ein.

Die zurückliegende documenta 15 in Kassel war wegen antisemitischer Darstellungen und dem Umgang der Kuratoren damit stark kritisiert worden. Die 15. Ausgabe der alle fünf Jahre stattfindenden Kunstschau dauerte vom 18. Juni bis 25. September 2022 und war vom indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa kuratiert worden.

Vor rund einer Woche hatten bereits die israelische Künstlerin Bracha Lichtenberg Ettinger und der indische Kunstkritiker Ranjit Hoskote ihre Ämter in der Findungskommission niedergelegt. Die vier verbliebenen Mitglieder waren der in Paris ansässige Kunstkritiker und Romanautor Simon Njami, die in Shanghai lehrende Kunstprofessorin Gong Yan, die in Wien lehrende Kunstdozentin Kathrin Rhomberg sowie Maria Ines Rodriguez, die seit 2018 Kuratorin für moderne und zeitgenössische Kunst am Museu de Arte de Sao Paulo (MASP) ist. Sie hätten sich nun “in einer äußerst schwierigen Entscheidungsfindung” dazu entschlossen, ihrerseits an dem Findungsprozess nicht mehr teilhaben zu wollen. Am Donnerstagabend erklärten sie demnach ihren Rücktritt.

Die Geschäftsführung hatte nach dem Rücktritt von zwei Mitgliedern der Kommission zunächst mehrere Möglichkeiten erwogen: Eine “Aussetzung des Findungsprozesses aufgrund der besonderen Weltlage nach dem Terrorangriff der Hamas in Israel”, eine Fortsetzung nur mit den verbliebenen vier Mitgliedern, eine Aufstockung der Kommission um zwei Mitglieder oder eine komplette Neuauflage des gesamten Findungsprozesses. Zu Letzterem kommt es nun. Die documenta-Gesellschaft, die von der Stadt Kassel und dem Land Hessen getragen wird, will den Findungsprozess für die documenta 16 ganz neu aufsetzen.

Hoskote, dem Nähe zur Israel-Boykott-Bewegung BDS vorgeworfen wird, soll einem Medienbericht zufolge 2019 eine Petition mit antisemitischen Inhalten unterzeichnet haben. In seinem Rücktrittsschreiben hatte Hoskote eine BDS-Nähe zurückgewiesen und erklärt, er sei zu Unrecht als Antisemit dargestellt worden.

Documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann hatte dazu erklärt, es brauche eine “konsequente Distanzierung von jeglicher Form von Antisemitismus”. Die documenta teilte bereits im Januar 2023 mit, künftig solle “die Verständigung auf Standards im Umgang mit der Kunstfreiheit und ihren Grenzen, im Umgang mit jeglicher gruppenspezifischen Form der Menschenfeindlichkeit wie Antisemitismus, Rassismus und Antiziganismus” eine zentrale Rolle spielen. Hoffmann ist seit Mai 2023 im Amt – und damit der vierte Geschäftsführer seit dem Start der documenta im vergangenen Jahr.

KNA/dmu/afr/jps

1 Kommentar

  1. Es nimmt mich wunder wieso der Antisemitismus in der Welt der Kunst so verbreitet ist das man sich heute schwertut Personen die mit diesen Atavistischen Erbe, das sowohl links wie auch rechts zu finden ist, nichts zu tun haben.

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