Entführt – Plakate und andere Aktionen erinnern an Hamas-Opfer

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Plakataktion in Düsseldorf. Foto IMAGO / Michael Gstettenbauer
Plakataktion in Düsseldorf. Foto IMAGO / Michael Gstettenbauer
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Sie kleben an Stromkästen und Hauswänden: Derzeit machen hierzulande und in anderen Staaten Plakate auf die von der Hamas Entführten und Ermordeten aufmerksam. Auch mit anderen Aktionen soll an sie erinnert werden.

von Leticia Witte

Blutrot hebt sich das Plakat vom bunten Graffiti auf dem Stromkasten ab. Darauf zu sehen ist das Foto einer fröhlichen jungen Frau, die den Betrachter anlächelt. Darüber steht: „Mein Name ist Caro. Ich wurde ermordet.“ Ein paar Meter weiter an dieser Bonner Hauptverkehrsstraße klebt ein zweites Plakat auf einem anderen Stromkasten mit dem Motiv einer Frau und zwei Kindern: „Mein Name ist Doron. Ich wurde entführt.“

Die Poster erinnern an die Massaker der Hamas in Israel und die Entführungen in den Gazastreifen. Bei den Terrorangriffen vom 7. Oktober waren etwa 1.400 Menschen teils brutal getötet worden, rund 220 sind israelischen Angaben zufolge noch in Geiselhaft. In den vergangenen Tagen machten vier Freilassungen Schlagzeilen: Jüngst Nurit Cooper und Jocheved Lifschitz, davor Judith und Natalie Raanan. Angehörige von Geiseln appellieren öffentlich an deren Freilassung, die internationale Politik arbeitet ebenfalls an der Befreiung

Dass die Frauen, Männer und Kinder aus ihren Familien und Freundeskreisen gerissen wurden und niemand weiß, was gerade mit ihnen geschieht, daran erinnern derzeit die Plakate in zahlreichen Städten in Deutschland – aber auch anderswo in Europa und den USA. Es gibt unterschiedliche Aktionen, und die tiefroten Poster stammen vom Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG).

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Plakate in Tel Aviv. Foto IMAGO / ZUMA Wire

„Wir wollen klar machen, dass die Hamas vor allem Zivilisten töten wollte“, sagt der Bundesvorsitzende Constantin Ganß. In Deutschland habe das Junge Forum in der Zeit nach dem Hamas-Angriff mindestens 3.000 Plakate geklebt, wahrscheinlich mehr. Unter den beispielhaft ausgewählten Personen und Schicksalen seien Babys und Ältere, Frauen und Männer. „Im Grunde kennt jeder in Israel jemanden, der oder die entführt oder ermordet wurde.“

Auf den Plakaten stehen auch Details zu den abgebildeten Personen. Sowohl Doron als auch Caro hatten sich demnach zum Zeitpunkt der Attacke im Kibbuz Nir Oz aufgehalten. Er liegt in unmittelbarer Nähe zum Gazastreifen, und nach den Massakern kommen von dort Fotos völlig verwüsteter und auch verbrannter Häuser. Die jüngst freigelassenen Geiseln Cooper und Lifschitz stammen ebenfalls von dort. Nach Angaben des Kibbuz von Anfang dieser Woche gilt etwa ein Viertel der Einwohnerinnen und Einwohner von Nir Oz weiterhin als vermisst.

Das Anliegen des Jungen Forums ist es laut Ganß zugleich, auf das Selbstverteidigungsrecht Israels hinzuweisen. „Israel tut das, was es tun muss“, sagt er mit Blick auf die Gegenschläge im Gazastreifen. Das gefällt nicht jedem, denn Plakate werden auch abgerissen – so ist das Bonner Poster mit Doron und ihren Kindern aktuell ebenfalls nicht mehr an Ort und Stelle. „Wer ein Plakat abreißt, hat eine emotionale Kälte“, sagt Ganß. Das Junge Forum habe insgesamt jedoch positive Reaktionen auf die Initiative bekommen.

Allerdings seien Kommentarspalten in Sozialen Medien voll von Verharmlosungen des Terrors. „Das ist leider nichts Neues“, so Ganß. Hier sieht er die jeweiligen Konzerne, die Plattformen betreiben, in der Verantwortung, so etwas nicht zuzulassen. Auch wünscht er sich eine strafrechtliche Verfolgung von Urhebern solcher Inhalte.

Das Junge Forum, das sich als Plattform für DIG-Mitglieder von 14 bis 35 Jahren versteht, ist mit anderen Initiatoren von Plakataktionen vernetzt. Ganß spricht von einer engen Zusammenarbeit mit der Kampagne #KidnappedFromIsrael, deren Plakate ebenfalls in Deutschland zu sehen sind. Nach Angaben der Initiatoren wurden die Poster von einer kleinen Gruppe an Israelis in New York erstellt und von Unterstützern in zahlreichen Staaten verbreitet.

Ganß berichtet, dass das Junge Forum jetzt in München eine Art Partnerschaft für #KidnappedFromIsrael übernehme, damit deren Poster in der bayerischen Landeshauptstadt plakatiert werden dürften. Auch sie zeigen Fotos entführter Personen, deren Namen und Alter.

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Gedeckter Schabbat-Tisch mit 220 leeren Stühlen in Rom. Foto IMAGO / Pacific Press Agency

Noch eine andere Aktion wurde für Deutschland übernommen. Am Freitag plant die Jüdische Gemeinde zu Berlin einen speziellen Schabbat: „Auf der Fasanenstraße wird dazu vor dem Jüdischen Gemeindehaus zwischen Kantstraße und Kurfürstendamm ein festlich gedeckter Schabbat-Tisch mit 220 leeren Stühlen aufgebaut, wie bereits in Tel Aviv und weltweit geschehen.“ Von Freitagabend bis Samstagabend würden dort Bilder der Entführten gezeigt. Dies richte sich explizit an die Öffentlichkeit, denn: „Eure Solidarität ist unser Schutz.“

KNA/lwi/joh