Religiöse Juden halten den Ruhetag Schabbat strikt ein. In Israel ist das derzeit kaum möglich. Nicht nur dort, sondern auch in Europa wählen Rabbiner pragmatische Lösungen.
von Leticia Witte
Es ist der zweite Schabbat im Ausnahmezustand. Am frühen Samstagmorgen vor einer Woche begann die radikalislamische Hamas ihren massiven Raketenbeschuss auf Israel und richtete ein Blutbad in Städten und Kibbuzim an. Anstatt den Ruhetag – und auch das Fest Simchat Tora – genießen zu können, herrschten Terror und Schmerz.
Die Zahl der Opfer auf israelischer Seite liegt nach derzeitigen Angaben bei über 1.300; rund 3.300 Menschen wurden verletzt. Seit Samstag wurden mehr als 5.000 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel geschossen. Mehr als 1.500 Hamas-Terroristen drangen laut Berichten in über 30 israelische Orte in Grenznähe ein und töteten Hunderte Israelis. Rund 150 Personen wurden in den Gazastreifen entführt. Beide Seiten sprechen von Krieg.
Aus all dem zogen die beiden israelischen Oberrabbiner David Lau und Yitzhak Yosef laut der „Jerusalem Post“ Konsequenzen: Sie erließen demnach spezielle Instruktionen für das Verhalten am Ruhetag, den religiöse Jüdinnen und Juden normalerweise strikt einhalten. Auch die orthodoxe Europäische Rabbinerkonferenz (CER) hat Empfehlungen an ihre Gemeinderabbiner weitergegeben.
Die Instruktionen in Israel sollten Orientierung geben, wie man einen Bruch des Schabbat vermeide, ohne sich selbst oder andere in Gefahr zu bringen, heißt es in dem Zeitungsbericht. Denn die Rettung von Leben hat im Judentum oberste Priorität; das entsprechende Prinzip heißt „Pikuach Nefesch“.
Unter allen Umständen öffentlichen Anweisungen folgen
Den beiden Rabbinern zufolge sollte zum Beispiel nur in Synagogen gebetet werden, die geschützte Räume im Gebäude selbst oder in der Nähe haben. Ältere und kranke Menschen sollten zu Hause beten. Wer eine Waffenerlaubnis hat, solle die Waffe auch am Schabbat tragen – dies sei sogar ein Gebot. Radios sollten leise im Hintergrund laufen; jede Synagoge müsse ein Telefon bereithalten. Eigene Mobiltelefone könnten im Vibrationsmodus in der Tasche getragen werden. Und: Unter allen Umständen sei öffentlichen Anweisungen zu folgen.
Für den Schabbat von freitagabends bis samstagabends gelten nach dem jüdischen Religionsgesetz bestimmte Regeln. Religiöse Jüdinnen und Juden nutzen in der Zeit etwa keine Mobiltelefone, elektrische Geräte und Lichtschalter sowie Autos und andere Verkehrsmittel. Auch ist Schabbat für die meisten ein arbeitsfreier Tag. Allerdings gibt es laut „Jerusalem Post“ an diesem erneuten Ausnahme-Schabbat auch Bahnlinien, die fahren.
Synagogen und jüdische Einrichtungen außerhalb Israels sind derzeit mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen konfrontiert. Auch hier könnte dies Auswirkungen auf die Einhaltung des Schabbat haben. Orthodoxe Gemeinderabbiner in Europa könnten nach Beratungen mit örtlichen Sicherheitskräften entscheiden, welche Maßnahmen und Möglichkeiten während des Ruhetags ergriffen würden, teilte die CER der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Das habe das Europäische Rabbinatgericht entschieden. Die CER vertritt nach eigenen Angaben rund 1.000 orthodoxe Rabbiner auf dem Kontinent.
Hintergrund für erhöhte Sicherheitsmaßnahmen ist ein Aufruf der Hamas zu „Protestmärschen“ am Freitag weltweit. Für Deutschland hatten der Zentralrat der Juden und auch der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, davon gesprochen, dass der Schutz für Synagogen und anderer jüdischer Einrichtungen nach dem Angriff der Hamas auf Israel noch einmal erhöht worden sei. Medienberichten zufolge herrschen auch anderswo in Europa und beispielsweise auch in den USA erhöhte Sicherheitsvorkehrungen und Wachsamkeit.
KNA/lwi/brg/Aud