Kanadas ukrainische Nazi-Peinlichkeit war kein Zufall

Der Beifall für einen Nazi-Kollaborateur machte deutlich, was die Medien und das aussenpolitische Establishment ignorieren: Das anhaltende Problem des ukrainischen Nationalismus mit dem Antisemitismus.

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Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyy nach seiner Rede vor dem Unterhaus auf dem Parliament Hill am 22. September 2023 in Ottawa, Kanada. Foto IMAGO / ZUMA Wire
Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskyy nach seiner Rede vor dem Unterhaus auf dem Parliament Hill am 22. September 2023 in Ottawa, Kanada. Foto IMAGO / ZUMA Wire
Lesezeit: 8 Minuten

Es war alles ein grosses Missverständnis. Und keine wichtige Person trug die Schuld daran. Das Einzige, was man also tun konnte, war einfach weiterzumachen. Einfach so tun, als ob es nie passiert wäre. Und natürlich jeden anprangern, der dies als Grund betrachten könnte, einige unbequeme Fragen zu stellen. Aber vielleicht müssen einige Fragen gestellt werden.

Ein Kommentar von Jonathan S. Tobin

Ich beziehe mich auf die peinliche Szene, die sich bei einem Empfang des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seiner Frau Olena Zelenska im kanadischen Unterhaus vorletzte Woche abgespielt hat. Im Rahmen des Ukraine-Liebesfestes stellte Anthony Rota, der Sprecher des Parlaments, einen Gast auf der Tribüne vor: den 98-jährigen Yaroslav Hunka aus North Bay, Ontario. Er beschrieb Hunka, der in dem Bezirk lebt, den Rota in Ottawa vertritt, als einen Kriegshelden, „der für die ukrainische Unabhängigkeit gegen die Russen gekämpft hat und die Truppen heute noch unterstützt. „Er ist ein ukrainischer Held, ein kanadischer Held, und wir danken ihm für seinen Dienst“, sagte Rota. Daraufhin erhoben sich alle Anwesenden, um Hunka zu applaudieren, wobei Selenskyj seine Faust zum Gruss hob.

Das gute Gefühl verflog jedoch in den nächsten Tagen, als jüdische Organisationen und andere darauf hinwiesen, dass die Kämpfer für die ukrainische Unabhängigkeit während des Zweiten Weltkriegs Verbündete und Kollaborateure der Nazis waren. Es stellte sich heraus, dass Hunka Mitglied der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS war.

Als dies bekannt wurde, entschuldigte sich Trudeau in aller Form. Rota trat als Parlamentspräsident zurück, übernahm die volle Verantwortung für den Vorfall und erklärte, er habe sich mit niemandem, auch nicht mit Trudeau und Selenskyj, über die Hervorhebung der Anwesenheit von Hunka beraten. Interessanterweise hat sich Selenskyj jedoch nicht zu dem Vorfall geäussert, geschweige denn sich dafür entschuldigt, einen Nazi-Kollaborateur gebührend gewürdigt zu haben.

Und was die Konzernmedien, welche die Ukraine unterstützen, betrifft, so ist das alles, was zu diesem Vorfall gesagt werden muss. Die weit verbreitete ukrainische Kollaboration mit den Nazis ist nicht nur etwas, das die meisten Menschen nicht wahrhaben wollen. Diejenigen, die sie erwähnen, werden beschuldigt, pro-russisch oder pro-Putin zu sein. Das gilt umso mehr, als der russische Präsident Wladimir Putin seinen illegalen und brutalen Einmarsch in der Ukraine zumindest teilweise mit der fadenscheinigen Begründung gerechtfertigt hat, er wolle das Land „entnazifizieren“.

Die gängige Meinung ist, dass Selenskyj ein moderner Winston Churchill ist und dass Putins Russland mit den Nazis vergleichbar ist oder eine ebenso grosse Bedrohung für den Westen darstellt, wie es die Sowjetunion einst war. Deshalb ist jede Erwähnung der Vergangenheit – geschweige denn die Tatsache, dass der ukrainische Nationalismus seit Jahrhunderten untrennbar mit Antisemitismus verbunden ist – für Kommentare tabu.

Dies geschieht in einer Zeit, in der das enorme finanzielle Engagement der USA in der Ukraine wieder zu wachsen scheint und entweder als rechtschaffene Verteidigung der Demokratie oder mit der eher zynischen Begründung gerechtfertigt wird, dass dies ein billiger Weg sei, Russland zu schwächen. Es ist schon seltsam, dass ein Land, das anscheinend nicht in der Lage ist, seine eigene Südgrenze gegen eine beispiellose Welle illegaler Einwanderung zu verteidigen – die sowohl die Grenzgemeinden als auch die städtischen Gebiete anderswo ins Elend stürzt -, gleichzeitig Hunderte von Milliarden Dollar in einen Krieg steckt, der ebenso endlos wie ungewinnbar scheint. Diejenigen, die die Unverfrorenheit besitzen, diese Tatsache anzusprechen, werden als uninformiert oder böswillig abgetan. Aber die starre Weigerung, über die ukrainische Gegenwart oder Vergangenheit zu diskutieren, damit sie nicht als etwas anderes, als ein umkämpfter Vorposten der westlichen Demokratie angesehen wird, ist selbst ein Grund, Fragen zu stellen.

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Jaroslaw Hunka, rechts, wartet auf die Ankunft des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Unterhaus in Ottawa am Freitag, 22. September 2023. Foto IMAGO / ZUMA Press

Nach dem illegalen Einmarsch Russlands im Februar 2022 wuchs verständlicherweise die Sympathie für die Ukraine, vor allem als sich die Berichte über russische Gräueltaten häuften. Sowohl die Kriegsbefürworter unter den Linken als auch das Republikaner-Establishment in Washington behaupten gerne, dass es bei der Ukraine um die Wahrung der Demokratie geht.

Die Wahrheit über die Ukraine von Selenskyj ist komplizierter als das. Die Motive Russlands in diesem Krieg sind durchweg schlecht. Aber die Ukraine ist nach wie vor ein zutiefst korruptes Land, in dem die Sicherheitsdienste immer mehr Macht erhalten, und deren Verhalten ist auch nicht besser als das ihrer Gegner. Dissens mit der Regierung Selenskyj wird bestraft, was durch das Verbot der ukrainisch-orthodoxen Kirche deutlich wurde. Auch Neuwahlen hat er nicht geplant.

Eine Geschichte des Antisemitismus

Es bedurfte auch nicht des Beifalls für Hunka, um zu wissen, dass die Ukraine ein Problem mit Antisemitismus hat. Das wurde in einer beunruhigenden Geschichte deutlich, die im Juni in der New York Times über das allgegenwärtige Tragen von Abzeichen und Symbolen, die mit den Nazis und ihren Verbündeten in Verbindung gebracht werden, unter den Truppen, die derzeit für die Ukraine kämpfen, veröffentlicht wurde.

Die Ukrainer tragen diese Symbole nicht ohne Grund. Ihre nationalistische Bewegung ist seit ihren Anfängen mit Antisemitismus verbunden.

Der ukrainische Staat ehrt das Andenken an Bohdan Chmelnizki, den Anführer der ukrainischen Kosaken im 17. Jahrhundert, der für die Massaker an den ukrainischen und polnischen Juden verantwortlich war. Dies war die schlimmste Katastrophe, die das europäische Judentum seit den Kreuzzügen bis zum Holocaust erlebte; Historiker schätzen, dass mehr als 100 000 Juden von Chmelnizkis Anhängern abgeschlachtet wurden, während Tausende andere versklavt oder als Geiseln gehalten wurden. Dennoch hat die heutige ukrainische Republik 1995 ihre höchste militärische Auszeichnung nach Chmelnizki benannt, und ihr jüdischer Präsident, der von einer nach dem Kosakenmörder benannten Einheit geschützt wird, hat sie seinen Soldaten verliehen.

Die Ukrainer gedenken auch jüngerer Pogromtäter wie Symon Petlura, der Pogrome anführte, bei denen bis zu 70.000 Juden ums Leben kamen, oder des Nazi-Kollaborateurs Stepan Bandera. Ukrainer waren aktiv an der Ermordung der Juden beteiligt und spielten eine Hauptrolle bei Gräueltaten wie dem Massaker von Babij Jar, dessen 82. Jahrestag in diesen Tagen begangen wird.

Die Ereignisse des Holocaust wurden letztes Jahr von Selenskyj während seiner virtuellen Rede vor der Knesset hervorgehoben. Als Teil seiner Bemühungen, Israel unter Druck zu setzen, damit es seine eigenen Interessen aufgibt und sich dem Krieg gegen Russland anschliesst, behauptete er, dass die russische Invasion moralisch mit dem Holocaust gleichzusetzen sei, und stellte dann die haarsträubend falsche Behauptung auf, dass die Ukrainer sich mit den Juden ihres Landes solidarisiert hätten, was die Israelis verpflichte, sich heute mit der Ukraine zu solidarisieren.

Wäre diese Aussage von jemand anderem getätigt worden, hätte man sie zu Recht als Holocaust-Leugnung bezeichnet. Aber da Selenskyj jetzt der neue Churchill ist, hat ihm praktisch jeder im Westen, einschliesslich der organisierten jüdischen Welt, diese Lüge durchgehen lassen.

Die Wahl Selenskyjs zum ukrainischen Präsidenten gilt als Beweis dafür, dass sich die Haltung des Landes gegenüber Juden ändert. Aber seine Bereitschaft, Unwahrheiten über den Holocaust zu verbreiten, war auch ein Beweis dafür, dass die ukrainische Politik es ihm unmöglich macht, die antisemitische Geschichte des Landes zu leugnen.

Weshalb sie nicht zur Rechenschaft gezogen wurden

Das bringt uns zurück zu der Farce von Kanada. Hunkas SS-Einheit wurde von den Deutschen zur Unterdrückung von Partisanen eingesetzt, die gegen die Nazis kämpften, und tötete viele Russen, Polen und Bürger des ehemaligen Jugoslawien.

Bei den Nürnberger Prozessen wurde die SS zu einer verbrecherischen Organisation erklärt, deren Mitglieder einen wesentlichen Anteil am Holocaust hatten. Doch die Nachkriegspolitik ermöglichte es den Mitgliedern der 14. Waffen-Grenadier-Division einen Freifahrtschein zu erhalten. Da sie das Glück hatten, sich nicht den Sowjets, sondern den Briten zu ergeben, blieben ihre Mitglieder von Ermittlungen verschont. Auch dank der Intervention des Vatikans, dessen Vertreter sie als „gute Katholiken und Antikommunisten“ bezeichnete, blieben sie von der Rückführung in die Sowjetunion verschont, wo sie einer harten Justiz ausgesetzt gewesen wären. Infolgedessen wanderten die meisten von ihnen nach Kanada und in das Vereinigte Königreich aus.

Und das war noch nicht das Ende der Geschichte. Kanada hat seinen Fehler, Ex-Nazis Unterschlupf zu gewähren, nie ganz eingestanden. In den 1980er Jahren erklärte eine Kommission, dass die Mitglieder der Einheit nicht angeklagt werden sollten, mit der zweifelhaften Begründung, dass nicht genügend Beweise für ihre Schuld vorgebracht worden seien, obwohl niemals eine ernsthafte Untersuchung ihrer Verbrechen durchgeführt wurde. Sowohl in Kanada als auch in den USA gibt es von der ukrainischen Gemeinschaft errichtete Denkmäler für sie. Von noch grösserem Interesse ist die Tatsache, dass ihre Abzeichen zu denen gehören, die von heutigen ukrainischen Soldaten getragen werden, und dass in mindestens zwei ukrainischen Städten Strassen zu Ehren der Einheit benannt wurden.

So gesehen muss das, was in Kanada passiert ist, vielleicht genauer unter die Lupe genommen werden. Polen sieht das jedenfalls so. Obwohl die Polen entschieden antirussisch eingestellt sind, haben sie gefordert, dass Hunka ausgeliefert wird, damit er für die von der ukrainischen SS begangenen Verbrechen vor Gericht gestellt wird.

Dies zu thematisieren, entschuldigt Russland nicht. Aber es untergräbt die fantasievollen Behauptungen, dass die Sache der Ukraine nicht von der der westlichen Demokratie zu unterscheiden sei.

Doch diejenigen, die glauben, dass die USA vernünftigerweise darauf hinarbeiten sollten, den Krieg zu beenden, anstatt ihn zu verlängern, werden immer noch als Putin-Anhänger verdammt. Weder Kiew noch Moskau haben die Möglichkeit, etwas anderes zu tun, als das Gemetzel fortzusetzen. Wenn die Amerikaner nicht weiterhin auf absehbare Zeit Hunderte von Milliarden Dollar pro Jahr für diese Tragödie verschwenden wollen, sollten sie die Regierung Biden ermutigen, sich für einen Kompromissfrieden einzusetzen, der früher oder später von beiden Seiten akzeptiert werden muss. Dies wird Westeuropa nicht gefährden, das von einem schwachen Russland, das die Ukraine nicht erobern konnte, nicht bedroht ist. Es wird auch China nicht helfen, dessen strategische Position durch die Tatsache gestärkt wird, dass die amerikanischen Streitkräfte der Ukraine zuliebe aufgerüstet worden sind.

Glauben die Amerikaner wirklich, dass es gerechtfertigt ist, weiterhin einen Krieg zu finanzieren, der nicht direkt mit den nationalen Interessen der USA zu tun hat, um eine Regierung aufzuwerten, die durch ihre Unfähigkeit, den Antisemitismus zu bekämpfen, verdorben ist, nur um dem alten russischen Feind eins auszuwischen? Das Versäumnis der Ukraine, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, mag ihr Recht auf Unabhängigkeit nicht entkräften, aber es stellt eine Politik in Frage, die Geld und Waffen zur unbegrenzten Fortsetzung eines Krieges einsetzt, dessen Ende nicht absehbar ist.

Jonathan S. Tobin ist Chefredakteur von JNS (Jewish News Syndicate). Übersetzung Audiatur-Online.

3 Kommentare

  1. Sehr guter Kommentar von Jonathan S. Tobin, er beschreibt die Dinge, wie sie sind. Beim Thema Ukraine, sowie ukrainische Geschichte betritt man unwillkürlich ein Minenfeld, sobald etwas negitives über die Ukraine, oder zur ukrainischen Geschichte erwähnt wird, dann kommen umgehend extrem negative Reaktionen von westlichen Unterstützern der Ukraine. Aber was soll’s, ich halte das aus, im Gegensatz zu den vielen Menschen, die nur ihre eigene Meinung zu diesem Konflikt als zulässig gelten lassen. Zum Eklat im kanadischen Parlament hätte es absolut Sinn gemacht, wenn sich auch W. Selenskyj „für die Ehrung dieses ehemaligen ukrainischen Waffen SS Mannes“ Hunka entschuldigt hätte…

  2. An diesem Artikel ist Vieles ziemlich verquer. Wesentliche Aussagen sind inkorrekt oder ganz falsch, es werden Dinge miteinander verknüpft, die nichts miteinander zu tun haben, und das Ganze wird zu einer Forderung hingeführt, die außer Putins Russland niemandem nützt.

    Dass Antijudaismus und Antisemitismus in der Ukraine weit verbreitet waren und teils wohl auch noch sind, das ist die eine Seite, auf die Tobin zu Recht hinweist. Eine andere ist, dass im Gegensatz zu dem Eindruck, den er erweckt, in der Ukraine – im Gegensatz zu Russland – sehr wohl etwas gegen Korruption unternommen wird. Auch dass von Chmelnizki und seinen Leuten über 100 000 Juden getötet worden seien, dürfte, auch wenn die Toten niemand gezählt hat, schwer übertrieben sein. Seriöse Forscher kommen jedenfalls nur auf einen Bruchteil dieser Angabe: Nach der Schätzung von Gunnar Heinsohn, einem Völkermordforscher, waren es zwischen 34 000 und 43 000; der israelische Historiker Shaul Stampfer nimmt sogar nur etwa die Hälfte dieser Zahlen an.
    Dazu kommt noch ein wesentlicher Aspekt: Die Chmelnizki-Truppen gingen vor allem gegen die Unterdrückung der orthodoxen ukrainischen Kleinadeligen und Bauern durch die katholischen Polen vor. Hier verknüpften sich also religiöse mit sozialen und erst in dritter Linie mit nationalen Motiven (auch wenn letztere in der Sichtweise des vergangenen Jahrhunderts an die erste Stelle gerückt sind). Die jüdische Bevölkerung dieses Raumes war zum größten Teil von den polnischen Adeligen mitgebracht worden, als diese begannen, sich diesen Raum anzueignen und zu kolonisieren, d.h. Bauern anzusiedeln und die bisherige halbnomadische Bevölkerung zu verdrängen. Die Juden wurden deshalb als Leute im Dienst der polnischen Oberschicht gesehen und als solche gemeinsam mit dieser und der katholischen Geistlichkeit angegriffen und umgebracht, nicht wegen ihres Jude-Seins. Eben die alte Geschichte vom Schlagen des Sacks, der sich nicht wehren kann, wenn der Esel gemeint ist.

    Schließlich und endlich: Das alles hat nichts mit dem russischen Überfall auf die Ukraine zu tun und nichts mit der Berechtigung, ja Notwendigkeit, nicht nur der USA sondern jedes demokratischen Landes, die Ukraine dagegen mit allen möglichen Mitteln zu unterstützen. Ist Tobin wirklich so naiv zu glauben, dass sich Russland und Putin mit einem Kompromissfrieden zufrieden geben werden, nachdem ihr Ziel die ganze Ukraine gewesen war? Hat er noch nie die im russischen Staatsfernsehen verbreiteten Meinungen gehört, dass Europa bis Lissabon von Nazis befreit werden müsse oder dass alle ehemals russischen Gebiete wieder heimgeholt werden müssten? Russland hat in ganz eklatanter Weise das Völkerrecht und die internationale Rechtsordnung gebrochen, um sich einen unabhängigen Staat einzuverleiben. Jeder Kompromissfriede, der ihm einen wesentlichen Teil seines Raubes lässt, wird es zu weiteren Übergriffen herausfordern.

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