Für die Palästinenser sind israelische Zugeständnisse ein Zeichen von Schwäche

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Die palästinensischen Qassam-Brigaden an einer Kundgebung anlässlich des 35. Jahrestages der Gründung der Terrororganisation Hamas in Gaza-Stadt am 14. Dezember 2022. Foto IMAGO / APAimages
Die palästinensischen Qassam-Brigaden an einer Kundgebung anlässlich des 35. Jahrestages der Gründung der Terrororganisation Hamas in Gaza-Stadt am 14. Dezember 2022. Foto IMAGO / APAimages
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Am 18. Jahrestag des israelischen Rückzugs aus dem Gazastreifen sprechen die vom Iran unterstützten palästinensischen Terrororganisationen immer noch von der Notwendigkeit, die Angriffe auf Israel bis zur “Befreiung ganz Palästinas“, vom Jordan bis zum Mittelmeer, zu verstärken.

von Bassam Tawil

Diese Organisationen sehen den Rückzug Israels aus dem Gazastreifen immer noch nicht als humanitäres Geschenk an, das es den Palästinensern ermöglicht, das “Singapur des Nahen Ostens” zu errichten, wie es der frühere israelische Präsident Schimon Peres formulierte, sondern als Beginn des “Zehn-Punkte-Plans” der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) von 1974 (auch als “Stufenplan” bekannt) für die “umfassende Befreiung” des gesamten Landes “vom [Jordan] bis zum [Mittelmeer]” – ein Euphemismus für die Vernichtung von Israel. Der Plan besagt im Wesentlichen, dass die Palästinenser das Land, das ihnen zugewiesen wird, als Ausgangspunkt für die Erlangung des restlichen Landes nutzen sollen.

Auszüge aus dem Plan:

  • Durch den “bewaffneten Kampf” (d.h. Terrorismus) eine “unabhängige kämpferische nationale Autorität” über jedes Gebiet zu errichten, das von der israelischen Herrschaft “befreit” wurde. (Punkt 2)
  • Fortsetzung des Kampfes gegen Israel, wobei das Gebiet der nationalen Behörde als Operationsbasis genutzt werden soll. (Punkt 4)
  • Einen totalen Krieg zu provozieren, in dem Israels arabische Nachbarn es vollständig zerstören (“die Befreiung aller palästinensischen Gebiete”). (Punkt 8)

Israels bedingungsloser “Rückzug” aus dem gesamten Gazastreifen im Jahr 2005 führte zur einseitigen Auflösung von 21 jüdischen Ortschaften, zur Evakuierung von mehr als 9.000 Ansiedlern und zum vollständigen Abzug der israelischen Armee. Ziel des Rückzugs war es, die Sicherheit Israels zu verbessern und die internationale Anerkennung der israelischen Zugeständnisse für den Frieden in Ermangelung von Verhandlungen mit den Palästinensern sicherzustellen, um ihnen die Selbstverwaltung zu ermöglichen und ihnen die Unabhängigkeit und den Wohlstand zu sichern. Mehrere westliche Millionäre hatten den Juden, die den Gazastreifen verliessen, sogar Gewächshäuser für 14 Millionen Dollar abgekauft, um sie den Gaza-Bewohnern zu schenken, damit sie einen Neuanfang machen konnten. Innerhalb weniger Tage nach der Übergabe wurden die Gewächshäuser zerstört und geplündert.

Israel hatte mit der Ankündigung seines Rückzugs aus dem Gaza-Streifen gute Absichten. Die Palästinenser teilten jedoch die israelische Vision von Wohlstand im Gazastreifen nicht. Stattdessen haben sie sich dafür entschieden, die Küstenenklave in einen regionalen Stützpunkt für Terrororganisationen zu verwandeln, die Juden ermorden und Israel zerstören wollen.

Zwei Jahre nach der Übergabe an Israel hat die palästinensische Terrororganisation Hamas den Gazastreifen mit Gewalt von der Palästinensischen Autonomiebehörde übernommen. Seitdem wurden Zehntausende von Raketen und Mörsergranaten aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert, die das Leben von Hunderttausenden von israelischen Bürgern terrorisieren und aus den Fugen geraten lassen.

Wir haben geschossen und sie sind weggelaufen

Die Hamas und andere palästinensische Organisationen haben den Rückzug aus dem Gazastreifen nie als Zeichen dafür gesehen, dass Israel ein Leben in Frieden und Koexistenz mit seinen arabischen Nachbarn anstrebt. Im Gegenteil, sie sahen den Abzug als einen israelischen Rückzug – eine Niederlage angesichts einer massiven Terrorwelle.

Die Botschaft an die Palästinenser war nicht, dass die Israelis ihnen in der Hoffnung auf Frieden Land überlassen hatten, sondern vielmehr: “Wir haben geschossen und sie sind weggelaufen, also lasst uns weiter schiessen und sie werden weiter weglaufen!”

Die palästinensischen Terrororganisationen versuchen, die Juden aus dem Westjordanland zu vertreiben, indem sie aus dem Auto heraus schiessen, Messerattacken verüben, Raketen abfeuern und Anschläge mit Autos verüben. Sie wollen das Westjordanland zu einer weiteren Abschussrampe für Angriffe auf Israel machen, so wie sie es mit dem Gazastreifen getan haben.

Bis heute betrachten viele Palästinenser, nicht nur in der Hamas, den israelischen Rückzug als direkte Folge des Terrorismus. Sie verwenden den arabischen Begriff indihar – Niederlage -, um den israelischen Rückzug aus dem gesamten Gazastreifen zu beschreiben. Ihrer Ansicht nach war der Rückzug ein Zeichen für Israels Schwäche und Erschöpfung. Viele Palästinenser sind immer noch davon überzeugt, dass Israel den Gazastreifen als Reaktion auf die Terroranschläge verlassen hat.

Aus diesem Grund feuern die Hamas und andere palästinensische Terrororganisationen auf Geheiss der iranischen Mullahs auch heute noch Raketen auf Israel. Die Denkweise vieler Palästinenser ist immer noch dieselbe: Wenn Selbstmordattentate und Raketen Israel aus dem Gazastreifen vertrieben haben, dann werden die Angriffe fortgesetzt, um die Juden aus dem übrigen Israel zu vertreiben.

Felesteen News, eine Hamas-nahe Website, schrieb am 12. September 2023 zum 18. Jahrestag des israelischen Rückzugs aus dem Gazastreifen:

“Nach der israelischen Niederlage erfüllte damals Freude die Herzen des palästinensischen Volkes, und die Siegesfeiern wurden immer lauter. Einige Palästinenser bezeichneten die Niederlage als ‘Miniaturmodell der Befreiung Palästinas’ oder als ‘ein Bild für den Sieg des palästinensischen Widerstands’.” 

Ahmed Bahr, ein ranghoher Hamas-Funktionär im Gazastreifen, sagte in einer Erklärung zum Jahrestag des israelischen Abzugs, dass die “Israelis eine demütigende Niederlage” erlitten hätten, weil die Angriffe der palästinensischen Terrororganisationen, einschliesslich der Angriffe aus den von Terroristen gebauten Tunneln, Angriffe auf israelische Soldaten und Zivilisten ermöglicht hätten. Die israelische Stadt Tel Aviv, so der Hamas-Funktionär, werde das gleiche Schicksal erleiden wie die ehemaligen jüdischen Siedlungen im Gazastreifen. “Tel Aviv wird zusammen mit allen [israelischen] Führern fallen”, schwor Bahr.

Noch im vergangenen Jahr beschrieb Safa, eine weitere der Hamas nahestehende Nachrichten-Website, den israelischen Abzug wie folgt:

“Siebzehn Jahre nach seiner Niederlage im Gazastreifen ist Israels Versuch, dem Tod durch Widerstandsschläge zu entgehen, gescheitert. Heute lebt Israel in einer komplexeren Realität. Nachdem die Raketen des Widerstands begonnen haben, Tel Aviv und Jerusalem zu treffen, erstreckt sich ihre Reichweite nun auf ganz Palästina.”

Einige palästinensische Terrorgruppen, die sich durch ihren vermeintlichen Sieg beflügelt fühlen, sprechen nun von der Notwendigkeit, das “Modell des Gazastreifens” im Westjordanland zu kopieren. Wenn der Terrorismus die Israelis aus dem Gazastreifen vertrieben hat, so sagen sie, dann wird er sie auch aus dem Westjordanland vertreiben, dann aus Jerusalem und dann aus jedem Winkel Israels.

Unter Bezugnahme auf die fast 500.000 Juden, die derzeit im Westjordanland leben, sagte Hamas-Führer Ismail Haniyeh am 12. September 2023:

“Die Siedlungen im Westjordanland sind dabei, zu verschwinden. Der Abbau dieser Siedlungen ist nur eine Frage der Zeit, und Jerusalem bleibt der Mittelpunkt des Widerstands und der Schlüssel zum Kampf mit Israel.”

Der Hamas-Erzterrorist Mohammed Def erinnerte kürzlich daran, dass für seine Fraktion der Rückzug aus dem Gazastreifen den Beginn der ersten “Phase” der Zerstörung Israels markiert:

“Die Niederlage Israels im Gazastreifen schafft die Voraussetzungen für seine Niederlage im Westjordanland und läutet die Befreiung der israelischen Städte Jaffa, Haifa, Jerusalem und des restlichen Landes Israel ein, so Allah will. Widerstand war und wird die einzige Option und der einzige Weg zum Sieg und zur Befreiung bleiben.”

Diese Erklärungen der Palästinenser zeigen, dass sie nach wie vor entschlossen sind, Juden zu ermorden und Israel von der Landkarte zu tilgen. Für die Palästinenser war die Übernahme des Gazastreifens anscheinend nur ein Vorgeschmack. In ihren Worten: Sie wollen das Westjordanland, Jerusalem und ganz Israel. Sie wollen alle “Siedler” nicht nur aus dem Gazastreifen, sondern auch aus dem Westjordanland, Jerusalem, Tel Aviv und ganz Israel vertreiben. In ihren Augen ist “ganz Israel” eine einzige grosse Siedlung.

Mit der Unterstützung des Iran arbeiten die palästinensischen Terrororganisationen nun daran, die Terroranschläge gegen Israelis im Westjordanland zu verstärken.

Die Biden-Administration und andere internationale Parteien, die weiterhin die Idee einer “Zweistaatenlösung” propagieren, stärken damit nur die palästinensischen Stellvertreter des Iran und ermutigen sie, ihren “Stufenplan” zu verfolgen, um den Terrorismus zu verstärken, Israel zu zerstören und es durch einen weiteren islamistischen Staat zu ersetzen.

Die iranische Regierung hat vor kurzem im Südlibanon, nur 20 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt, einen neuen Flughafen “für Terrorzwecke” eingerichtet – vermutlich, um den dortigen terroristischen Stellvertretern des Iran, wie der Hisbollah, die Durchführung von Luftangriffen gegen Israel zu erleichtern.

Die Rhetorik und die Aktionen der Palästinenser seit dem israelischen Rückzug aus dem Gazastreifen haben immer wieder deutlich gemacht, dass es im Konflikt mit Israel nicht um Grenzen und Siedlungen geht, sondern um die Weigerung, Israel zu erlauben, zu existieren.

Wenn sich Israel aus dem Westjordanland zurückzieht, wird das Gebiet zweifellos in die Hände des iranischen Regimes und seiner palästinensischen Stellvertreter fallen. Ohne die Präsenz Israels wäre das Westjordanland längst zu einem weiteren Stützpunkt des palästinensischen Terrorismus geworden.

Diejenigen, die die Idee eines palästinensischen Staates propagieren, versuchen, die Juden mit falschen Versprechungen von Frieden und Koexistenz aus dem Westjordanland zu vertreiben. Es ist an der Zeit, dass die Entscheidungsträger in Washington und anderen Ländern den Worten der Palästinenser Glauben schenken: dass sie die israelischen Zugeständnisse nicht als Gesten des Friedens, sondern als Gesten der Kapitulation verstehen.

Die Fähigkeit des iranischen Regimes, bald über unbegrenzte Atomwaffen zu verfügen, die grösstenteils von der Biden-Administration finanziert werden – obwohl die Mullahs leugnen, dass es solche Ambitionen gibt -, wird die Verwirklichung ihrer hegemonialen Vision zweifellos erleichtern. Es muss nicht einmal ein Schuss abgefeuert werden, um die Opfer davon zu überzeugen, den Wünschen der Mullahs zuzustimmen; die Drohung wird ausreichen.

Niemand hält sie auf.

Berichten zufolge hat die Regierung Biden ein geheimes Abkommen mit dem Iran geschlossen, das höchstwahrscheinlich darauf abzielt, die nuklearen Bedrohungen des Landes vor den Präsidentschaftswahlen im November 2024 im Austausch gegen Milliarden von Dollar und die Aufhebung der Sanktionen zu verringern – was es den Mullahs ermöglichen wird, noch mehr Milliarden einzunehmen. Vermutlich wird dieser Geldsegen nicht für die Bildung von Mädchen oder die Menschenrechte von Frauen verwendet werden, sondern für das Atomwaffenprogramm, den verstärkten Terrorismus und die weitere Unterdrückung der eigenen Bevölkerung.

Die Schaffung eines vom Iran unterstützten palästinensischen Terrorstaates im Westjordanland und im Gazastreifen stellt eine destabilisierende und existenzielle Bedrohung durch den Iran nicht nur für Israel, sondern für die gesamte Region und darüber hinaus dar: für Saudi-Arabien trotz des vielleicht nur vorübergehenden Tauwetters, für die Golfstaaten, Ägypten, Nordafrika, Europa, Lateinamerika und die USA.

Bassam Tawil ist Muslim und lebt als Wissenschaftler und Journalist im Nahen Osten. Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute. Übersetzung der leicht gekürzten Fassung Audiatur-Online.

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