Adolf Hitler «bekämpfte die Juden», weil sie «mit Wucher und Geld zu tun haben». Das ist eine Behauptung, die der Führer der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas in einer Rede am 24. August aufstellte. Viele Länder, Politiker und Organisationen zeigten sich schockiert und verurteilten die Aussagen von Abbas. Die Schweiz hatte dazu nichts zu sagen. Erst auf Nachfrage von Audiatur-Online.
Der Palästinenserführer wiederholte auch den so genannten «Chasaren-Mythos», mit dem er in den letzten Jahren oft hausieren gegangen ist, und behauptete, dass die aschkenasischen Juden von türkischen Chasaren abstammen, die konvertiert sind, und nicht von biblischen Israeliten.
Abbas, der bereits in seiner Doktorarbeit den Holocaust leugnete, beschuldigte Israel kürzlich ausserdem in infamer Weise «50 Holocausts» an den Palästinensern begangen zu haben.
Mehr als 75 führende palästinensisch-arabische Politiker, Intellektuelle und politische Aktivisten haben die antisemitische Rede des Vorsitzenden der PA, scharf verurteilt und erklärt, er habe schon lange jeden Anspruch darauf verwirkt, das palästinensische Volk zu vertreten.
Auch die Vertretung Kanadas bei der Palästinensischen Autonomiebehörde verurteilte die Rede: «Wir verurteilen die hetzerischen und antisemitischen Worte von Präsident Abbas aufs Schärfste. Diese Äusserungen verzerren die historische Wahrheit des Holocausts und befördern klassische und zeitgenössische Formen des Judenhasses.»
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat Mahmoud Abbas die höchste Auszeichnung der französischen Hauptstadt entzogen. Abbas dürfe die Grand Vermeil-Medaille nicht mehr tragen, nachdem er «die Vernichtung der europäischen Juden» im Zweiten Weltkrieg gerechtfertigt habe, erklärte Hidalgos Büro gegenüber den Medien. «Die Kommentare, die Sie gemacht haben, stehen im Widerspruch zu unseren Werten und der historischen Wahrheit der Shoah», so Hidalgo in einem Brief an Abbas. «Sie können daher diese Auszeichnung nicht länger tragen.»
Die Europäische Union hat die Äusserungen von Abbas scharf verurteilt. In einer Erklärung schreibt die EU, dass die Rede von Abbas «falsche und äusserst irreführende Bemerkungen über Juden und Antisemitismus» enthielt. «Solche historischen Verzerrungen sind brandgefährlich, verharmlosen den Holocaust und sind eine Beleidigung für die Millionen Opfer und ihre Familien.»
Auch das französische Generalkonsulat in Jerusalem verurteilte Abbas‘ Äusserungen in einer Erklärung auf X (ehemals Twitter) als «völlig inakzeptabel.»
Die Sonderbeauftragte der US-Regierung für die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus, Deborah Lipstadt, erklärte ihrerseits auf der Plattform X, sie sei «bestürzt über die hasserfüllten und antisemitischen Reden, die Präsident Abbas kürzlich bei einem Fatah-Treffen gehalten hat. In dieser Rede wurde das jüdische Volk verleumdet, der Holocaust verfälscht und der tragische Exodus der Juden aus den arabischen Ländern verfälscht. Ich verurteile diese Äusserungen und fordere eine sofortige Entschuldigung», so Lipstadt.
Auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich entsetzt und verurteilt die Worte des Palästinenserpräsidenten scharf, heisst es im Spiegel. «Die Äusserungen sind zutiefst antisemitisch und erbärmlich», sagte Steinmeier am Dienstag am Rande des 19. informellen Gipfeltreffens der Staatsoberhäupter der deutschsprachigen Staaten im belgischen Eupen.
Steffen Seibert, der deutsche Botschafter in Israel, twitterte: «Die jüngste Erklärung von Präsident Abbas über Juden und den Holocaust ist eine Beleidigung für die Erinnerung an Millionen ermordeter Männer, Frauen und Kinder. Die Palästinenser verdienen es, von ihrem Führer die historische Wahrheit zu hören, nicht solche Verzerrungen.»
Der deutsche FDP-Aussenpolitiker Frank Müller-Rosentritt kündigte an, Zahlungen an die Palästinenser überprüfen zu wollen. «Wir werden uns im Rahmen der aktuellen Haushaltsberatungen alle Ausgaben an palästinensische Organisationen genau anschauen und die Zuwendungsempfänger auf ihren Umgang mit Antisemitismus prüfen», sagte der Bundestagsabgeordnete gegenüber der WELT.
Die Schweiz hüllt sich in Schweigen
Der palästinensische Präsident rechtfertigt den Holocaust; die Äusserungen werden international verurteilt und die Schweiz hüllt sich in Schweigen. Weder vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) oder einer ihr angeschlossenen Organisationen, noch von den grossen Medien gab es Stellungnahmen oder namhafte Berichte.
Das Versäumnis der Schweizer Mainstream-Medien, über Abbas‘ antisemitische Äusserungen zu berichten, ist zwar eine Schande, aber nichts neues. Die einseitige Darstellung der Palästinenser als blosse Opfer und die mangelnde Bereitschaft, die palästinensische Gesellschaft gleich scharf zu betrachten wie die israelischen Führer – verwehrt den Lesern wichtige Einblicke in die Region und zeigt, dass der Antisemitismus zu den schwerwiegenderen Grundursachen des Konflikts gehört.
Auf die Frage, ob das EDA oder ihr angeschlossene Organisationen oder Personen in den Medien oder sozialen Medien eine Stellungnahme veröffentlicht hat, antwortet ein Sprecher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten nicht direkt, sondern sendet eine Stellungnahme:
«Die Äusserungen des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Ende August sind inakzeptabel. Die Schweiz verurteilt jegliche Leugnung, Verzerrung oder Relativierung des Holocausts und spricht sich unmissverständlich gegen jede Form des Antisemitismus aus. Die Schweiz ist entschlossen, Antisemitismus zu bekämpfen und die Erinnerung an den Holocaust zu fördern. Die Schweiz bekräftigt ihre Position regelmässig im bilateralen Dialog und auch öffentlich, zum Beispiel im UN-Sicherheitsrat.»
Auf Nachfrage, ob man also richtig verstanden habe, dass die Schweiz respektive das EDA keine Stellungnahme in den Medien oder den sozialen Medien dazu veröffentlicht habe, erfolgt wiederum keine klare Antwort, sondern nur eine Wiederholung des Statements.
Ob dies alles damit zusammenhängt, dass der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis keine Zeitung mehr liest, wie das Tessiner Newsportal «Libera TV» berichtete, ist unklar.
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