Verschollene Liste zu Juden in Kirchen-Verstecken entdeckt

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Holocaust-Gedenktag im jüdischen Ghetto von Rom. Foto IMAGO / Sipa USA
Holocaust-Gedenktag im jüdischen Ghetto von Rom. Foto IMAGO / Sipa USA
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Vor 80 Jahren besetzten die Nazis Rom. Tausende Juden versteckten sich in der Stadt, viele in kirchlichen Häusern. Eine wiederentdeckte historische Liste nennt ihre Namen.

von Anita Hirschbeck

Mehr als 4.300 Personen haben sich im Zweiten Weltkrieg in kirchlichen Häusern in Rom vor dem Zugriff der Nazis versteckt. Eine nun entdeckte, verschollen geglaubte Liste nennt die Namen von 3.600 dieser Menschen, die zum Großteil Juden waren. Das Dokument wurde im Archiv des Päpstlichen Bibelinstituts entdeckt und am Donnerstag im Museum der jüdischen Gemeinde in Rom präsentiert.

Das Schriftstück liefert wichtige Informationen über die Rettung von Juden durch katholische Orden in Rom, wie die mit der Untersuchung der Liste beauftragten Historiker betonten. Eine bislang bekannte Dokumentation habe nur Zahlen genannt, aber keine Namen. Von den 3.600 namentlich genannten Personen waren rund 3.200 mit Sicherheit Juden, wie ein Abgleich mit dem Archiv der Jüdischen Gemeinde zeigt.

Erstellt hatte das Schriftstück der italienische Jesuit Gozzolino Birolo unmittelbar nach der Befreiung Roms durch die Alliierten 1943. Er war damals mit der Verwaltung des Päpstlichen Bibelinstituts betraut, das von dem deutschen Jesuiten Augustin Bea geleitet wurde. Der spätere Kardinal Bea setzte sich für den jüdisch-katholischen Dialog ein.

Birolos Liste galt über Jahrzehnte als verschollen. 1961 veröffentlichte der Faschismusforscher Renzo de Felice eine Dokumentation mit 100 bzw. 55 Häusern von Frauen- und Männerorden, die verfolgten Menschen Schutz vor den Nazis gewährten. De Felice zählt ebenso viele Betroffene in kirchlichen Verstecken wie Birolo – allerdings ohne Namen.

In Rom lebten zu Beginn des Zweiten Weltkriegs etwa 10.000 bis 15.000 Juden. Nachdem Italiens Regierung einen Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatte, besetzten die Deutschen ab 10. September 1943 die Hauptstadt. In der Nacht zum 16. Oktober befahl der deutsche Sicherheitspolizei-Chef Herbert Kappler eine Razzia im jüdischen Wohnviertel. Insgesamt deportierten und ermordeten die Nazis etwa 2.000 Menschen. Etlichen gelang es, sich zu verstecken, bis die Alliierten im Juni 1944 die Stadt befreiten.

Das wiederentdeckte Schriftstück wird von Historikern der Jüdischen Gemeinde Roms, der Päpstlichen Fakultät für Erziehungswissenschaften Auxilium, der Päpstlichen Universität Gregoriana, des International Institute for Holocaust Research in Yad Vashem und des Päpstlichen Bibelinstituts untersucht. Um die Nachfahren zu schützen, ist der Zugriff auf die Liste derzeit eingeschränkt.

KNA/ahi/brg