Olympia-Attentat 1972 – Forschungsteam nimmt die Arbeit auf 

0
Besucher betrachtet die Installation mit Titelseite und Schlagzeile der AZ Abendzeitung über den Mordanschlag am Erinnerungsort an das Olympia Attentat vom 05.September 1972 auf die Olympiamannschaft Israels. Foto IMAGO / Ralph Peters
Besucher betrachtet die Installation mit Titelseite und Schlagzeile der AZ Abendzeitung über den Mordanschlag am Erinnerungsort an das Olympia Attentat vom 05.September 1972 auf die Olympiamannschaft Israels. Foto IMAGO / Ralph Peters
Lesezeit: 3 Minuten

Es war ein blutiger Anschlag mit einer schwierigen Vor- und Nachgeschichte. Eine internationale Historikerkommission soll das Olympia-Attentat von 1972 in den nächsten drei Jahren aufarbeiten.

Ein internationales Forschungsteam hat mit der Aufarbeitung des Olympia-Attentats auf die israelische Mannschaft 1972 in München begonnen. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt. Die erste Arbeitssitzung findet seit Dienstag in München statt und dauert noch bis Donnerstag. Die Bundesregierung stellt drei Millionen Euro zur Verfügung. 

Beauftragt wurden vier deutsche, drei israelische und ein britischer Historiker. Sie arbeiten mit dem Institut für Zeitgeschichte München-Berlin (IfZ) zusammen. 

Die Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Juliane Seifert, bezeichnete die wissenschaftliche Aufarbeitung am Mittwoch in München als überfällig. “Wir sind es zuallererst den Angehörigen, aber uns selbst auch schuldig, einen ehrlichen, offenen und faktenbasierten Umgang mit unserer Geschichte und dem Handeln des deutschen Staates zu haben.” Zugleich sicherte sie größtmögliche Unterstützung zu.

IfZ-Direktor Andreas Wirsching sagte, es müssten alle Quellen und Akten zugänglich gemacht werden. Manche seien noch immer gesperrt, vor allem in Bayern. Der Umgang der deutschen Behörden mit den Opferfamilien habe viele Misstöne erzeugt. Er hoffe, dass das Forschungsprojekt einen Wendepunkt markiere. Außer Aktenbefunden sollten die Erfahrungen der Hinterbliebenen sichtbar werden.

Christopher Young von der Universität Cambridge sagte, viele Fragen seien noch offen. Das gelte etwa für den Austausch zwischen den Nachrichtendiensten vor dem Anschlag und die Netzwerke der Attentäter. Deutsche Linksextremisten hätten sie unterstützt, das sei bekannt. Nicht geklärt sei dagegen die Rolle von Rechtsextremisten in Westdeutschland. 

Unklar sei auch, warum Deutschland abgelehnt habe, eine Eliteeinheit aus Israel zur Befreiung der Geiseln einfliegen zu lassen. Fragen gebe es außerdem zur Entführung einer Lufthansa-Maschine im Oktober 1972. Dabei wurden jene Attentäter, die in München überlebt hatten und in deutschen Gefängnissen einsaßen, freigepresst.

Opfer des palästinensischen Terroranschlags auf die israelische Olympiamannschaft in München im September 1972. Foto IFCJ
Opfer des palästinensischen Terroranschlags auf die israelische Olympiamannschaft in München im September 1972. Foto IFCJ

Gerade in Israel gebe es hohe Erwartungen an die Kommission, sagte Shlomo Shpiro von der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv. Der Anschlag in München sei im Gedächtnis vieler Menschen tief verankert. Auch gehe es darum, aktuelle Bedrohungen durch Terroristen besser zu verstehen und ihnen vorzubeugen. Shpiro monierte, dass viele Beweismittel noch immer zurückgehalten würden. Dazu zählten Waffen, Geschosse, aber auch Armbanduhren und Eheringe der Opfer.

Der Forscher betonte, alle Seiten hätten Fehler gemacht. Um diese aufzudecken, brauche es eine breitere Sicht auf das Geschehen. Das Olympia-Attentat 1972 umfasse nicht nur die 22 Stunden zwischen 4.30 Uhr morgens und 2 Uhr nachts. Es gebe eine Vor- und eine Nachgeschichte.

Am 5. September 1972 waren Terroristen ins Quartier der israelischen Mannschaft im Olympiadorf in München eingedrungen. Sie töteten zwei Israelis und nahmen neun weitere als Geiseln. Mit der blutigen Aktion wollte die Gruppe “Schwarzer September” Gesinnungsgenossen aus der Haft freipressen.

Es folgten etliche Fehleinschätzungen und Pannen. In der Nacht missglückte ein Befreiungsversuch auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck. Dabei wurden alle Geiseln, ein Polizist und fünf der acht Terroristen getötet. Lange warfen die Hinterbliebenen den deutschen Behörden Vertuschen und Versagen vor und forderten eine angemessene Entschädigung. Erst kurz kurz vor dem 50. Jahrestag des Attentats im vergangenen Spätsommer gab es eine Einigung.

Der internationalen Kommission zur Aufarbeitung des Attentats auf die israelische Olympia-Mannschaft 1972 in München gehören acht Wissenschaftler an. Sie haben diese Aufgabe als Ehrenamt übernommen: Ofer Ashkenazi, Professor für Geschichte und Direktor des Richard Koebner Minerva Center für Deutsche Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Michael Brenner, Professor für jüdische Geschichte und Kultur an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Shlomo Shpiro, Direktor des Europa Instituts und Inhaber des Paterson Chair in Security and Intelligence an der Bar-Ilan University in Israel und Europa. Margit Szöllösi-Janze, emeritierte Professorin für Zeitgeschichte an der LMU. Petra Terhoeven, Professorin für Europäische Kultur- und Zeitgeschichte an der Universität Göttingen. Shulamit Volkov, emeritierte Professorin für moderne europäische Geschichte an der Universität Tel Aviv. Klaus Weinhauer, Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bielefeld. Christopher Young, Professor für Germanistik an der Universität Cambridge. 

KNA/baj/cri/cas

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.