Israel: Oppositionsführer Gantz lehnt Netanjahus Aufruf zum Kompromiss ab

1
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (R) und Benny Gantz (L) am 27. Juli 2020 noch in einer gemeinsamen Regierung. Foto IMAGO / UPI Photo
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (R) und Benny Gantz (L) am 27. Juli 2020 noch in einer gemeinsamen Regierung. Foto IMAGO / UPI Photo
Lesezeit: 2 Minuten

Der Vorsitzende der israelischen Partei der Nationalen Einheit, Benny Gantz, hat am Dienstag die Forderung von Premierminister Benjamin Netanjahu nach Kompromissgesprächen über die Justizreform der Regierung als «Blödsinn» abgetan.

Der ehemalige Verteidigungsminister und führende Oppositionspolitiker äusserte sich wenige Minuten, nachdem Netanjahu eine Videobotschaft veröffentlicht hatte, in der er Gantz aufforderte, «alle Voraussetzungen und Hindernisse beiseitezulegen, das Gespräch zu suchen und zu führen».

Gantz sagte, die israelische Regierung sei «von Extremisten gekapert» worden, und forderte Netanjahu auf, die Knesset aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen, «die eine Zusammenführung der israelischen Gesellschaft ermöglichen».

Gantz ging auch auf Berichte ein, wonach der israelische Staatspräsident Isaac Herzog in den letzten Wochen indirekte Gespräche zwischen der Koalition und der Opposition über einen Kompromiss zur Justizreform geführt habe und eine Rahmenvereinbarung erzielt worden sei. Sowohl die Koalition als auch die Oppositionsführung haben diese Behauptung zurückgewiesen.

«Wie Sie wissen, hat sich der Präsident, der grosse Anstrengungen unternommen hat, um eine grosse Krise zu vermeiden, an mich gewandt und mir den Kompromiss vorgelegt, dem Netanjahu zugestimmt hat», sagte Gantz gegenüber israelischen Medien.

«Ich habe dem Präsidenten von Anfang an gesagt, dass ich mir schwer vorstellen kann, dass die Koalition dem zustimmt, aber dass wir versuchen müssen, eine Einigung zu erzielen. Der Kompromiss, der mir vorgelegt wurde und der auch in den Medien veröffentlicht wurde, ist nicht mein Traumkompromiss. Aber wir waren bereit, darüber zu sprechen, um den Justizputsch und den Schaden für den Staat Israel zu verhindern», so Gantz.

Dann verwies er auf die allgemeine Ablehnung des Vorschlags und sagte: «Die Brandstifter haben ihre Fackeln nicht niedergelegt. Gestern wurde bewiesen, dass der Staat Israel von Radikalen gekapert wurde, während die Gemässigten in der Koalition schweigen».

Netanjahu forderte in seiner Videobotschaft Gantz und sein Team auf, sich am Mittwochmorgen mit seinem Team zusammenzusetzen und «das zu tun, was die meisten Menschen in Israel erwarten: […] sich zusammenzusetzen und Vereinbarungen zu treffen».

Die Videobotschaft wurde veröffentlicht, kurz nachdem Netanjahu mit Justizminister Yariv Levin über Herzogs jüngste juristische Kompromissbemühungen gesprochen hatte.

In einem Interview mit dem Radiosender Kol BaRama sagte Levin am Dienstag: «Es ist unmöglich, dem Kompromissvorschlag zuzustimmen», und betonte, dass Netanjahu seine Position unterstütze.

«Es gibt keine Änderung bezüglich der Reform, trotz aller Veröffentlichungen», sagte Levin und bezog sich dabei auf einen Bericht von Kanal 12, wonach Netanjahu dem Rahmen eines Abkommens weitgehend zugestimmt habe.

1 Kommentar

  1. Wenn ich diesen Artikel durchlese, dann finde ich darin das genaue Gegenteil von dem, was in der Überschrift steht: Nicht Gantz, sondern Justizminister Levin verweigert nicht nur die Zustimmung zum von Präsident Herzog vorgelegten Kompromissvorschlag, wobei er auch für Premierminister Netanjahu spricht, sondern er meint sogar ausdrücklich, es sei unmöglich, diesem Vorschlag zuzustimmen. Dagegen lese ich nichts(!) von einem Aufruf Netanjahus zu einem Kompromiss. Netanjahu forderte Gantz nur auf, “sich [mit ihm und seinem Team] zusammenzusetzen und Vereinbarungen zu treffen”. Nachdem Levin den Kompromissvorschlag gerade definitiv abgelehnt hatte, konnte das aber nur heißen: Vereinbarungen auf der Basis des Regierungsvorschlags. Das kann man nur mehr als Chuzpe bezeichnen. Ein Aufruf zum Kompromiss sieht jedenfalls anders aus.
    Gantz blieb unter solchen Voraussetzungen gar nichts anderes übrig, als Netanjahus Aufforderung abzulehnen. Versteht das die Redaktion Audiatur, von der dieser Artikel stammt, wirklich nicht, oder hat sie diese falsche Überschrift ganz bewusst so formuliert?

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.