Israel-Museum in Jerusalem zeigt erstmals spätpersische Kunst 

Kultureller Reichtum statt Feindbild

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Spiegelkasten mit Blumen, Vögeln und Schmetterlingen Isfahan, Iran, 19. Jahrhundert. Pappmaché, bemalt, vergoldet und lackiert. Israel-Museum, Jerusalem: Nachlass von Yohanan ben David, London
Spiegelkasten mit Blumen, Vögeln und Schmetterlingen Isfahan, Iran, 19. Jahrhundert. Pappmaché, bemalt, vergoldet und lackiert. Israel-Museum, Jerusalem: Nachlass von Yohanan ben David, London
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Iran ist Israels Feind Nummer eins. Doch das Land kann mehr. Das zu zeigen, hat sich das Israel-Museum in Jerusalem zum Ziel gesetzt. Mit “Die Rose und die Nachtigall” zeigt das Haus erstmals spätpersische Kunst.

von Andrea Krogmann

Erstmals befasst sich eine israelische Kunstausstellung mit dem Iran. Mit “Die Rose und die Nachtigall. Irdische und göttliche Liebe in der spätpersischen Kunst” möchte Kuratorin Liza Lurie ein Bild der reichen Kultur des Iran zeichnen – jenseits des verbreiteten Feindbilds. Sie verspricht einen Blick über Negativschlagzeilen hinaus in eine faszinierende Periode: die Zeit der Kadscharen-Dynastie (1779-1925), deren von Europa beeinflussten Vertreter erstmals die Idee einer iranischen Nation dachten. “Den Kadscharen kommt eine Schlüsselrolle beim Verständnis von Kunst und Gesellschaft des heutigen Iran zu”, so die Kuratorin.

“Die Rose und die Nachtigall” folge dem Leitmotiv irdischer und göttlicher Liebe. Die ausgewählten Stücke, mehrheitlich aus den Beständen des Museums, zeigen laut der Kuratorin idealisierte Schönheit, Liebe und Erotik, wie sie sich in der Kultur dieser Zeit manifestierten. Von großformatigen Porträts über Skulpturen, Miniaturen, Kleidung und Schmuck bis zu den frühesten iranischen Fotografien reichen die Stücke einer Zeit, deren Anerkennung und wissenschaftliche Erforschung noch in den Kinderschuhen stecke.

Die Kadscharen charakterisiert laut Lurie eine Art “persischer Erweckungsbewegung”. In dem Wunsch, mit dem Zeitgeist des Nationalismus zu gehen und wachsenden europäischen Einflüssen etwas entgegenzuhalten, habe die Dynastie auf Motive und Medien aus vorislamischer Zeit zurückgegriffen, etwa der achämenidischen (550 bis 330 v. Chr.) und sassanidischen Zeit (224 bis 651 n. Chr.). Die Rückkehr zur Kunstform der Flachreliefs falle in diese Kategorie, aber auch das Wiederaufkommen der Hofdichtung in der Literatur.

Um Hofkultur, und zwar die Spannung von Männlichkeit und Weiblichkeit in all ihren Facetten, geht es im ersten Teil der Ausstellung. “Während ein deutlicher Zusammenhang zwischen Attributen von Männlichkeit und Macht besteht, wird die Frau zum allegorischen Ideal der Nation”, erklärt Lurie. Fruchtbarkeitssymbole für die Macht des Schahs und die Stärke der Gesellschaft; homoerotische Motive, die die Fragen aufwürfen, wer ein Mann sei und ob es vielleicht nicht um eine zweigliedrige Sexualität gehe: All das mache aus dem Motiv ein “Werkzeug zur Erkundung physischer und mentaler Grenzen in Gegenwart und Vergangenheit” – das iranische Frauen heute stärken könnte, glaubt die Kuratorin.

Das Israel-Museum in Jerusalem.

Teil zwei geht den in der Kadscharenzeit aufblühenden Beziehungen des Irans zum Westen und zu Russland nach. Lurie verweist auf den Einfluss durch Imperialismus, wachsendes Interesse an Archäologie, aufkommenden Tourismus und eine gewisse orientalische Romantik. Es entstand nach Worten der Kuratorin eine Synergie aus vorislamischem Erbe und Moderne, die gleichermaßen europäische Kulturelemente aufnahm, wie sie wiederum europäische Kulturen beeinflusste.

Die Fotografie etwa, die nur zwei Jahre nach ihrem Entstehen in Frankreich im Iran ankam, als der die britische Königin Viktoria und der russische Kaiser Nikolaus I. dem Kadscharen-Schah gleich zwei Kameras schenkten. Schah Naser al-Din (1848-1896), der selbst zum Amateurfotografen wurde, förderte nicht nur das neue Medium, sondern auch Fotografinnen. Die iranische Geschichte der Fotografie, sagt Liza Lurie, habe “frei von europäischen Einflüssen eine eigene Sprache entwickelt”. In der Ausstellung zu sehen sind frühe Fotografien; auch solche, die die gegenseitigen Einflüsse beleuchten.

Bis heute beeinflusse die Kadscharenzeit die iranische Kultur und Identität tiefgreifend, so Lurie. Entsprechend schließt die Ausstellung mit einem Blick auf zeitgenössische Werke exiliranischer Künstlerinnen. Eine von ihnen ist Schirin Neschat, die in einer eindrücklichen Videoinstallation die Diskriminierung von Frauen durch das Verbot öffentlicher Gesangsdarbietungen thematisiert. Nicht nur der wiederkehrende Fokus auf die Lebensrealität von Frauen im Iran und im Islam macht Neschat für Lurie zu einer Heldin. “Sich auf die Teilnahme an einer israelischen Ausstellung einzulassen, war eine sehr mutige Entscheidung”, sagt sie.

Dass die Ausstellung tatsächlich zustande kam, grenze an ein Wunder, meint die Kuratorin. Für das israelische Publikum soll sie zu einer Brücke in eine unbekannte Kultur werden. Und sie soll Häuser wie das Israel-Museum anregen, mehr Kunstwerke iranischer Herkunft zu kaufen, um das Land und seine Kunst künftig in einer breiteren Perspektive zu präsentieren.

KNA/akr/brg

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