Manchmal werden wir mit einer schwierigen Wahrheit konfrontiert, die so unverfroren und unumwunden ausgesprochen wird, dass es unmöglich ist, sie zu ignorieren, zu umgehen oder zu verdrängen.
Ein Kommentar von Douglas Altabef
Israels derzeitige Krise um die Justizreform hat nicht nur den Widerstand gegen die Reform, nicht nur gegen die derzeitige Koalition, sondern gegen die Idee der Souveränität einer demokratisch gewählten Regierung selbst ausgelöst.
Dies wurde kürzlich in einem Interview deutlich, in dem Kobi Richter, ein pensionierter israelischer Wirtschaftsführer, seine Überzeugung zum Ausdruck brachte, dass die Regierung, die seiner Meinung nach gar nicht das Sagen hat, dank der Opposition des Militärs und der Wirtschaftselite gestürzt werden wird.
Das Interview kann hier abgerufen werden.
Richters Botschaft ist aus vielen Gründen verblüffend. Zum einen schwärmt er geradezu von einer bevorstehenden Zerstörung der israelischen Wirtschaft als Auslöser für die Beseitigung des „Schandflecks“, den Premierminister Benjamin Netanjahu darstelle.
Zum anderen zeigt Richter eine tiefe Unkenntnis darüber, was eine demokratische Gesellschaft eigentlich ist. Die Tatsache, dass er sich auf ungenannte Demokratien bezieht, die als Diktaturen oder Autokratien geendet haben, lässt die Frage aufkommen, von welchen Ländern er spricht.
Einfach ausgedrückt: Es gab bisher keine Serie von gescheiterten Demokratien – mit Ausnahme derer, in denen die Wahlen gefälscht wurden oder in denen sich potemkinsche Institutionen gebildet haben -, die sich in Autokratien verwandelt haben.
Die grosse Ironie ist, dass Richter in Israel genau das zu tun versucht: Er will eine lebendige Demokratie in eine autokratische Plutokratie verwandeln. Er ist zuversichtlich, dass dies gelingen kann, weil die wirkliche Macht und damit die Legitimität vom Militär und vom Unternehmertum ausgehe. Sie haben die Kontrolle, nicht die Regierung. Daher sei es eine ausgemachte Sache, dass die Regierung schliesslich stürzen werde.
Entkopplung der Eliten von ihrem Land
Natürlich geht Richter nicht darauf ein, was passiert, wenn die Regierung fällt. Wird es eine weitere Wahl geben, bei der der Wille des Volkes, wie in einer echten Demokratie, entscheidet, wer das Land führen wird? Oder hat die Wahl nur dann Gültigkeit, wenn die richtigen Leute gewählt werden?
Für jeden, der an der Idee und der Realität der Demokratie festhält, ist Richters Aussage erschreckend. Sie erinnert an die Arroganz von Ehud Barak, der kürzlich sagte, es sei wünschenswert, das Land in die Knie zu zwingen, weil sich das Volk dann an ihn wenden werde, um Führung und Orientierung zu erhalten.
Was wir erleben, ist die Entkopplung der Eliten von ihrem Land und ihren Landsleuten. Der Glaube, dass mit dem Geld die Macht kommt und mit der Macht die Kontrolle, ist der Stoff, aus dem Militärputsche, Bananenrepubliken und Kleptokratien sind.
In der Tat befürwortet Richter implizit die Instrumentalisierung des Militärs, was jeden Israeli, unabhängig von seiner politischen Zugehörigkeit, erschrecken sollte.
Das israelische Volk muss verstehen, dass für viele derjenigen, die die Proteste finanziell, strategisch und logistisch unterstützen, die Kampagne gegen die Justizreform eine willkommene Tarnung ist, ein Vorwand für ein weitaus heimtückischeres Vorhaben: Nicht nur der Sturz der ordnungsgemäss gewählten Regierung, sondern auch ihre Ersetzung durch eine Regierung, die den Anforderungen der Elite genügt, ohne Rücksicht auf die Stimmung im Volk.
Wenn Richter sagt, dass die Regierung das Land nicht wirklich unter Kontrolle hat und die Dinge nicht wirklich regelt, dann will er damit sagen, dass der Wille des Volkes ein kurioses, aber bedeutungsloses Konzept ist.
Richter und seinesgleichen stellen nicht nur für diejenigen eine Herausforderung dar, die von seiner finsteren Agenda schockiert sind, sondern auch für diejenigen, die seine Verachtung für die Justizreform und die bestehende Regierung teilen.
Diejenigen, die sagen, dass sie die derzeitige Regierung nicht als das Israel anerkennen, das sie kannten, müssen sich fragen, ob sie wirklich eine elitäre Plutokratie im Stil von Barak/Richter wollen. Denn wenn man glaubt, dass das Israel, das man kannte, nicht mehr existiert, wird das, was Barak/Richter einführen wollen, einer säkularen Version des iranischen Regimes der Mullahs ähneln.
Letztlich müssen Menschen guten Willens die Äusserungen Richters als einen Weckruf verstehen. Seine Äusserungen sollten sie dazu veranlassen, sich zu fragen, was wir als Gesellschaft wirklich wollen. Die aktuellen Proteste haben die Nation an den Rand des Abgrunds gebracht, und viele auf beiden Seiten des Themas wollen den Rückzug antreten.
Richter will eindeutig gewinnen, um das Land von einem Regierungschef zu befreien, den er verachtet. Vermutlich will er auch Einfluss, wenn nicht gar die Kontrolle darüber haben, wer der Nachfolger sein wird. Seine Sorge um die Ideale und die praktische Umsetzung einer Demokratie und seine Sorge um das soziale Gefüge der israelischen Gesellschaft sind wahrscheinlich gleich null.
Glücklicherweise verkennt und unterschätzt Richter die Stärke und Entschlossenheit der israelischen Bürger. ch glaube, dass die meisten Israelis, ungeachtet ihrer politischen Präferenzen, wollen, dass das Volk souverän ist und das Land zusammenwächst.
Die wachsende Bewegung, die Reservisten dazu aufruft, ihrem Land unabhängig von der Politik zu dienen, ist ein gutes Beispiel dafür. Das Gleiche gilt für die landesweit entstehenden Dialog- und Diskussionszelte, die darauf abzielen, Meinungsverschiedenheiten auszuräumen, aber auch zu verstehen, was die andere Person meint.
Douglas Altabef ist Vorsitzender des Vorstands von Im Tirtzu und Direktor des Israel Independence Fund. Übersetzung Audiatur-Online