Irans Raketenarsenal wird zunehmend bedrohlich

Die Ankündigung des Irans am Mittwoch, einen Überschall-Marschflugkörper zu entwickeln, ist der jüngste Schritt in einem gefährlichen Wettrüsten im Nahen Osten.

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Der iranische Präsident Ebrahim Raisi während der Vorstellung der Hyperschallrakete Fattah am 7. Juni 2023. Foto IMAGO / ZUMA Wire
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi während der Vorstellung der Hyperschallrakete Fattah am 7. Juni 2023. Foto IMAGO / ZUMA Wire
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Nach einem Bericht der halbamtlichen iranischen Nachrichtenagentur Tasnim hat der Iran am Mittwoch bekannt gegeben, dass das Land über die Technologie zum Bau von Überschall-Marschflugkörpern verfügt. Die Ankündigung ist ein deutlicher Hinweis auf das sich entwickelnde und wachsende Raketenarsenal des Iran.

von Yaakov Lappin

Iran beliefert nicht nur seine terroristischen Stellvertreter mit Raketen und Drohnen, sondern baut auch das grösste Raketenarsenal des Nahen Ostens auf eigenem Boden auf. Mit seinem Bestand an Tausenden von Raketen kann der Iran Macht und Einfluss ausüben, Drohungen aussprechen und sein Ziel, die islamische Revolution in den gesamten Nahen Osten zu exportieren, weiterverfolgen.

„Der Iran verfügt heute über das grösste und vielfältigste Raketenarsenal im Nahen Osten, mit Tausenden von ballistischen und Marschflugkörpern“, warnte General Michael Kurilla, Befehlshaber des US Central Command, im März.

Selbstmorddrohnen aus iranischer Produktion haben sich bereits fernab des Nahen Ostens im Russland-Ukraine-Krieg bemerkbar gemacht. Die jüngste Welle von „Shahed 131“- und „Shahed 136“-Drohnen wurde von Russland am 6. August auf Städte in der Ukraine abgeschossen. Russland, das mit dem Bau von Drohnen iranischer Bauart auf eigenem Boden begonnen hat, hat Berichten zufolge Interesse an der Einfuhr iranischer Raketen gezeigt.

Irans Elitekorps der Islamischen Revolutionsgarden, eine militärische Einheit, die parallel zum iranischen Militär operiert, hat in den letzten Jahren bei fünf bekannten Gelegenheiten Raketen auf Ziele ausserhalb der iranischen Grenzen abgefeuert. Zu den Zielen gehörten Stützpunkte des Islamischen Staates in Syrien, eine kurdische Oppositionsgruppe im Irak, eine US-Militärbasis im Irak und ein Gebäude im Nordirak, das nach iranischen Angaben vom israelischen Geheimdienst Mossad genutzt wurde.

Israel ist das Hauptziel der iranischen Raketendrohungen, aber keineswegs das einzige Ziel; auch die arabischen Golfstaaten stehen im Fadenkreuz.

Infolgedessen hat sich ein regionales Wettrüsten zwischen Israel und dem Iran angebahnt, während sich die arabischen Golfstaaten trotz der jüngsten Normalisierungsabkommen zwischen ihnen und Teheran ebenfalls auf das Szenario künftiger iranischer Raketenangriffe vorbereiten.

Im Dezember 2022 berichtete CNN unter Berufung auf Einschätzungen der US-Geheimdienste, dass Saudi-Arabien mit chinesischer Unterstützung mit der Herstellung ballistischer Raketen begonnen hat, was den ersten bekannten Fall von Raketenproduktion auf saudischem Boden darstellt. Die Raketen aus Riad sollen als Abschreckung gegen den Iran und seine radikale Achse dienen.

In den letzten Wochen haben die iranischen Behörden Teheran mit Plakaten beklebt, auf denen Irans neueste Rakete, die Hyperschallrakete „Fattah“, mit dem Slogan „400 Sekunden bis Tel Aviv“ auf Persisch, Hebräisch und Arabisch abgebildet ist.

„Fattah“ wurde im Juni offiziell vorgestellt, zusammen mit der Behauptung der Iraner, dass sie die 15-fache Schallgeschwindigkeit erreicht. Sowohl Hyperschallraketen als auch ballistische Raketen erreichen hohe Geschwindigkeiten, aber Hyperschallraketen sind auch sehr manövrierfähig und bewegen sich wie ein Kampfjet und nicht auf den vorhersehbaren, elliptischen Bahnen ballistischer Raketen.

Zwei Wochen nach der Ankündigung des Irans gab das israelische Verteidigungsunternehmen Rafael bekannt, dass es einen Abfangjäger namens „Sky Sonic“ entwickelt hat, der Hyperschallraketen abfangen kann.

Ballistische Raketen mit Flüssigkeitsantrieb

Nach Angaben von Rafael verfügt „Sky Sonic“ über eine aussergewöhnliche Manövrierfähigkeit und stellt einen grossen technologischen Sprung dar. Der Abfangjäger kann oberhalb der 20-Kilometer-Marke und unterhalb der 100-Kilometer-Marke eingesetzt werden, also dort, wo Hyperschall-Bedrohungen aktiv sind und wo die derzeitigen Luftabwehrsysteme nicht greifen.

Gegen andere iranische Raketenbedrohungen – ballistische und Marschflugkörper – stützt sich Israel auf sein bestehendes mehrschichtiges Luftverteidigungssystem, das aus dem „Arrow 3“, der Raketenbedrohungen im Weltraum abfängt, dem „Arrow 2“, der in der oberen Atmosphäre funktioniert, und dem Zwischensystem „David’s Sling“ besteht, das während der Eskalation mit dem palästinensischen Islamischen Dschihad im Mai 2023 sein erstes operationelles Debüt hatte.

Im Mai stellte der Iran eine ballistische Rakete mit Flüssigkeitsantrieb vor, die den Namen „Kheibar“ trägt und nach dem Ort einer Schlacht im siebten Jahrhundert zwischen frühen islamischen Streitkräften und den Bewohnern einer jüdischen Oasenfestung benannt ist, bei der die Juden vernichtend geschlagen wurden.

Mit einer Reichweite von 2.000 Kilometern und einem 1.500 Kilogramm schweren Sprengkopf kann die Rakete, die auch als „Khorramshahr 4“ bekannt ist, Israel leicht bedrohen. Laut einem Bericht von Jane’s Defence Weekly ist sie mit einem neuen iranischen Flüssigtreibstoff-Lagersystem ausgestattet, das die Rakete, wenn die iranischen Behauptungen zutreffen, jahrelang mit Treibstoff versorgen kann, wodurch sich das Startfenster auf nur 12 Minuten verkürzt. Iran behauptet auch, dass diese Rakete ihren Kurs im Weltraum korrigieren kann.

Diese Rakete ist wahrscheinlich von einer nordkoreanischen Rakete mit der Bezeichnung „BM-10“ abgeleitet, die wiederum auf einer älteren sowjetischen U-Boot-gestützten ballistischen Rakete basiert.

In der Zwischenzeit produziert der Iran weiterhin ballistische Mittelstreckenraketen des Typs „Shahab 3“ mit einer Reichweite von 800 bis 1.000 Kilometern und neuen Varianten, die die Reichweite erhöhen können, um Israel vom Iran aus zu treffen.

Auch iranische „Emad 1“-Raketen mit einer Reichweite von rund 2.000 Kilometern befinden sich derzeit in der Entwicklung.

Zum iranischen Arsenal gehört auch die „Sejjil“-Rakete mit einer Reichweite von rund 2.400 Kilometern (1.492 Meilen). Bei der „Sejjil“ handelt es sich um eine zweistufige Rakete, die mit Festbrennstoff betrieben wird und sich daher leichter und schneller zum Abschuss vorbereiten lässt. Die „Zolfaghar“-Rakete ist eine weitere iranische strassenverlegbare Festtreibstoffwaffe, deren Reichweite je nach Variante zwischen 700 und 1400 Kilometern liegt.

Die iranische Rakete „Fateh 110“ ist ebenfalls eine ballistische Rakete mit Festtreibstoff, die einen 500 Kilogramm schweren Sprengkopf tragen kann und eine Reichweite von 300 Kilometern hat. Die Rakete gehört zu den Beständen der Hisbollah im Libanon und ist GPS-gesteuert.

Das iranische Raumfahrtprogramm schiesst derweil Satelliten ins All und dient weiterhin als Deckmantel für die Entwicklung künftiger iranischer Interkontinentalraketen, die Europa und später auch Nordamerika bedrohen können.

Hisbollah mit über 200.000 Sprengköpfen

In einer 2018 veröffentlichten Studie von Uzi Rubin, dem Gründer und ersten Direktor der Israel Missile Defense Organization, heisst es: „Man kann klar zwischen zwei Familien von [iranischen] Waffen unterscheiden: Eine Familie mit kürzerer Reichweite, die Entfernungen von bis zu 700 km [435 Meilen] erreicht, und eine Familie mit längerer Reichweite, die 1300 bis 2000 km. [808 bis 1242 Meilen]“

Rubin sagte, dies könnte darauf hindeuten, dass der Iran „seine Raketen für zwei verschiedene Schauplätze entwickelt: Ein fernes Gebiet, das Israel einschliesst … und ein nahes Gebiet, das die Golfstaaten sowie den nördlichen Teil Saudi-Arabiens, einschliesslich der Hauptstadt Riad, umfasst. ….“

Der Iran hat auch seinen „Soumar“-Marschflugkörper entwickelt, der auf einer niedrigen Flugbahn fliegt, sehr manövrierfähig ist und eine Reichweite von etwa 2.000 Kilometern [1243 Meilen] hat. Einigen internationalen Medienberichten zufolge befindet sich eine Variante dieses Flugkörpers, die als „Quds 3“ bekannt ist, auch im Besitz der Houthis im Jemen, die damit in der Lage sein könnten, Israel zu treffen.

Im Libanon arbeitet Irans wichtigster Stellvertreter, die Hisbollah, daran, ungelenkte „Zilal“-Raketen in lenkbare Raketen umzuwandeln, die der „Fatah 110“ ähneln, und zwar mithilfe eines Umbausatzes, der auf libanesischem Gebiet installiert wird.

Nasrallah wird unterdessen durch das grosse Arsenal an Geschossen, das er seit dem Ende des Zweiten Libanonkriegs 2006 erworben hat, ermutigt.

Bei der Bewertung der Bedrohung Israels durch Flugkörper muss das iranische Arsenal mit dem Bestand der Hisbollah von über 200.000 Sprengköpfen addiert werden, darunter 65.000 Kurzstrecken-Raketen mit einer Reichweite von 150 bis 200 Kilometern, 5.000 Mittel- und Langstreckenraketen mit einer Reichweite von 300 bis 350 Kilometern und darüber hinaus, über 2.000 unbemannte Flugzeuge sowie Dutzende von präzisionsgelenkten Raketen. Nach Schätzungen des Alma-Zentrums, einer Forschungsgruppe für Verteidigungsfragen, verfügt die Hisbollah ausserdem über rund 145.000 Mörsergranaten.

Yaakov Lappin ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Miryam-Institut, am Alma-Zentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien. Auf Englisch zuerst erschienen bei Jewish News Syndicate (JNS). Übersetzung Audiatur-Online.

1 Kommentar

  1. „400 Sekunden bis Tel Aviv“…
    Jaja, aber das letzte Wort hat dann immer noch der allmächtige Gott! Und der steht zu Israel.
    Wenn man das nicht wüsste, könnte man verzweifeln.

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