Das “Nakba”-Narrativ – Vergleiche mit dem Holocaust sind irreführend und empörend

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Palästinenser am 15. Mai 2023 in Gaza-Stadt an einer Demonstration anlässlich des 75. Jahrestages der sogenannten
Palästinenser am 15. Mai 2023 in Gaza-Stadt an einer Demonstration anlässlich des 75. Jahrestages der sogenannten "Nakba", vor der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO). Foto IMAGO / APAimages
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Der israelische Diasporaminister Amichai Chikli ist ein wütender Mann. Chikli, der schon seit langem für seine unverblümte Art bekannt ist, hat in letzter Zeit auch die deutsche Regierung ins Visier genommen. Er hat sich über unangemessene Vergleiche zwischen dem Holocaust und der palästinensischen Nakba – arabisch für “Katastrophe” – beschwert. Schlimmer noch, die deutsche Regierung hat die Verbreitung solcher Vergleiche gefördert.

von Lyn Julius

Chiklis Beschwerde betrifft eine von der Regierung finanzierte Veranstaltung in Potsdam, auf der die deutsche Journalistin Charlotte Wiedermann den besagten Vergleich anstellte. Wiedermann hat dies bestritten, aber unabhängig davon, ob die Behauptung wahr oder falsch ist, wird der Vergleich immer häufiger gezogen. Es ist mittlerweile in Mode gekommen, die industrialisierte Ermordung von sechs Millionen Juden mit der Umsiedlung von palästinensischen Arabern während des israelischen Unabhängigkeitskrieges von 1948 gleichzusetzen.

Dieser Krieg wurde von sieben arabischen Ländern angezettelt und führte zur Vertreibung aller Juden im Osten Jerusalems sowie in Judäa und Samaria. Die Mitglieder der Arabischen Liga erklärten daraufhin einen zweiten Krieg gegen ihre eigenen jüdischen Bürger, die sie als “jüdische Minderheit in Palästina” bezeichneten. Dies führte zur fast vollständigen Zerstörung der alten jüdischen Gemeinden im gesamten Nahen Osten und in Nordafrika. Neunundneunzig Prozent der Juden in diesen Regionen waren gezwungen zu fliehen.

Was Chikli am meisten ärgerte, war, dass die Potsdamer Veranstaltung offiziell von öffentlichen Einrichtungen gesponsert wurde. Ausserdem war es nicht die einzige Veranstaltung dieser Art. Sie war Teil einer Reihe von Veranstaltungen ähnlicher Ausrichtung, die in den letzten Monaten in Berlin stattfanden. Zu diesen Veranstaltungen gehörten Vorträge mit Titeln wie “Den Schmerz der Anderen verstehen: Der Holocaust und die Nakba”, ” Die Vereinnahmung der Erinnerung an den Holocaust zugunsten der Dehumanisierung in Palästina” und “Zionismus kann auch Antisemitismus motivieren”.

Anlässlich des 75. Jahrestages der Gründung Israels in diesem Jahr ist es den Verfechtern der palästinensischen Sache gelungen, die Nakba von den Rändern in die breite Öffentlichkeit zu tragen. Zum ersten Mal hat die UNO in ihrem New Yorker Hauptquartier einen “Nakba-Tag” begangen. Der Chef der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, trug einen symbolischen Schlüssel an seinem Revers und forderte die Rückkehr in seine Heimatstadt Safed, die innerhalb Israels liegt.

Im Laufe von 75 Jahren hat sich die Bedeutung des Begriffs Nakba weiterentwickelt. Er wurde von dem christlichen syrischen Journalisten und Historiker Konstantin Zureik populär gemacht. Für ihn war die fragliche “Katastrophe” die arabische Niederlage im Krieg von 1948, d. h. das Scheitern der Araber, Israel zu vernichten.

Zureik schrieb: “Sieben arabische Länder erklären dem Zionismus in Palästina den Krieg. … Sieben Länder ziehen in den Krieg, um die Teilung aufzuheben und den Zionismus zu besiegen, und verlassen die Schlacht schnell wieder, nachdem sie einen Grossteil des Landes Palästina verloren haben – und sogar den Teil, der den Arabern im Teilungsplan zugesprochen wurde.”

Er schloss: “Wir müssen unsere Fehler eingestehen … und das Ausmassunserer Verantwortung für die Katastrophe, die unser Los ist, erkennen.”

Seitdem sind Selbstreflexion und Selbstkritik bei den Feinden Israels Mangelware. Die Geschichte wurde dahingehend umgeschrieben, dass Israel eine bewusste Politik der ethnischen Säuberung gegen die palästinensischen Araber verfolgte, obwohl noch über 160.000 Araber im jüdischen Staat lebten.

“Nakba-Leugnung”

Durch diese Verzerrung der Geschichte versucht das Nakba-Narrativ, eine palästinensische “Katastrophe” zu schaffen, die, wie Abbas letztes Jahr behauptete, mit 50 Holocausts gleichzusetzen ist. In Anlehnung an die Gesetze gegen die Leugnung des Holocaust erklärte Abbas die “Nakba-Leugnung” sogar zu einem Straftatbestand.

Kurz gesagt, die Nakba-Erzählung eignet sich die jüdische Geschichte an, um die palästinensischen Flüchtlinge in neue Juden zu verwandeln. Daraus folgt, dass ihre jüdischen Unterdrücker die neuen Nazis sind.

Die einzige Möglichkeit, das Unrecht der Nakba wiedergutzumachen, besteht nach Ansicht der Palästinenser darin, das “Recht auf Rückkehr” durchzusetzen, und zwar nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für ihre Nachkommen. Auch dieses “Recht” wird angeeignet, in diesem Fall aus dem israelischen Rückkehrgesetz. Als er 1998 den ersten “Nakba-Tag” ausrief, übernahm Jassir Arafat die zionistische Sprache und forderte, dass sein Volk aus der “Diaspora” in sein Land “zurückkehren” dürfe.

Da die Definition eines palästinensischen Flüchtlings auf vier Generationen seiner Nachkommen ausgeweitet wurde, beanspruchen nun über fünf Millionen Menschen ein “Rückkehrrecht” nach Israel. Sollte dies umgesetzt werden, würde Israel effektiv zum 23. arabischen Staat.

Während des Streits um die Potsdamer Veranstaltung wies Chikli zu Recht darauf hin, dass die palästinensische Führung unter Haj Amin al-Husseini während des Krieges enthusiastisch mit den Nazis kollaborierte. Aber auch wenn er der Sohn jüdischer Flüchtlinge aus Tunesien ist, hat Chikli nicht den einzig gültigen Nakba-Vergleich angestellt: Zwischen der palästinensischen Nakba und der jüdischen Nakba.

Letztere war die Vertreibung von 870.000 Mizrachi-Juden aus arabischen und muslimischen Ländern. Die beiden Nakbas fanden etwa zur gleichen Zeit und in etwa gleicher Zahl statt. Im Grunde handelte es sich um einen Bevölkerungsaustausch.

Für die meisten Mizrachi-Juden, die zusammen mit ihren Nachkommen mehr als die Hälfte der heutigen israelischen Juden ausmachen, war Israel die einzige Nation, die sie aufnehmen wollte. Die Mizrachi-Juden haben weder die Möglichkeit noch das Recht oder den Wunsch, in die Länder zurückzukehren, aus denen sie vertrieben wurden.

Solange Israel keine energischen, proaktiven Anstrengungen unternimmt, um die wahren Fakten darzulegen, wird das verzerrte Nakba-Narrativ weiterhin die Herzen und Köpfe in Deutschland und anderswo gegen Israel aufwiegeln.

Lyn Julius ist die Autorin von “Uprooted: How 3,000 Years of Jewish Civilization in the Arab World Vanished Overnight” (Vallentine Mitchell, 2018). Auf Englisch zuerst erschienen bei Jewish News Syndicate (JNS). Übersetzung Audiatur-Online.

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