Manipulation der öffentlichen Meinung in Israel

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Wahlplakate verschiedener israelischer politischer Parteien vor einem Wahllokal in Tel Aviv. 1. November 2022. Foto IMAGO / ZUMA Wire
Wahlplakate verschiedener israelischer politischer Parteien vor einem Wahllokal in Tel Aviv. 1. November 2022. Foto IMAGO / ZUMA Wire
Lesezeit: 5 Minuten

Sowohl George Orwell als auch Mark Twain hätten uns aufgefordert, davon Kenntnis zu nehmen. Die Ergebnisse einer kürzlich in Israel durchgeführten “Vertrauensindex”-Umfrage enthüllen weit mehr als nur die trockenen Zahlen, die sie ausweisen – obwohl sie natürlich wichtig sind. Noch wichtiger sind Fragen, die das Vertrauen der Gesellschaft betreffen – den Kern der Demokratie.

von Naomi Linder Kahn

Vor dem Hintergrund der Kontroverse um die Reform des israelischen Justizsystems wurde die Umfrage Anfang Mai 2023 von dem unabhängigen israelischen Meinungsforschungsinstitut Direct Polls Ltd. Durchgeführt. Die Umfrage diente dazu, den Grad des Vertrauens der Öffentlichkeit in die staatlichen Institutionen Israels – die Knesset (das Parlament), den Obersten Gerichtshof, den Präsidenten und die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) – zu untersuchen. Laut den Ergebnissen der Umfrage hat die israelische Öffentlichkeit ein weitaus grösseres Vertrauen in die Knesset, als in die israelische Justiz, vom Obersten Gerichtshof bis hin zu den Rechtsbeiständen und Beratern, die dem Obersten Gerichtshof unterstehen.

Im Rahmen der Umfrage wurden die Teilnehmer gefragt: “Wie viel Vertrauen haben Sie in die Mitglieder der Knesset, die Sie gewählt haben?” 77 % der Befragten äusserten ein “mittleres bis hohes Mass an Vertrauen”, verglichen mit nur 21 %, die angaben, dass sie wenig bis gar kein Vertrauen in ihre gewählten Vertreter haben.

Die Aufschlüsselung dieser Antworten ist eine Momentaufnahme der aktuellen politischen Realitäten in Israel: Mehr als 85 % der Wähler der “rechten” Koalitionsparteien – sowohl der säkularen als auch der religiösen – haben Vertrauen in ihre gewählten Vertreter. Die Wähler der Oppositionsparteien äusserten sich zu 70-80 % zuversichtlich, während die Wähler linksextremer und antizionistischer Parteien ihren gewählten Vertretern am wenigsten Vertrauen entgegenbrachten (zwischen 65 % und 45 %).

Diese Ergebnisse stehen jedoch in krassem Gegensatz zu den Ergebnissen einer anderen Umfrage, die nur wenige Tage zuvor vom Israel Democracy Institute (IDI) durchgeführt wurde.

Die IDI-Umfrage ergab, dass nur 14 % der israelischen Wähler mässiges bis hohes Vertrauen in die Knesset haben, während 83 % ein geringes bis gar kein Vertrauen bekundeten.

Wie fast immer sind die unterschiedlichen Antworten das Ergebnis von Unterschieden, die in die Fragen eingebaut wurden. Der Wortlaut der in der IDI-Umfrage gestellten Frage bezog sich auf den “Grad des Vertrauens in die Knesset”, während in der “Direct Polls Trust Index”-Umfrage das Vertrauen “in die von Ihnen gewählten Mitglieder der Knesset” untersucht wurde.

Jedem, der auch nur ein rudimentäres Verständnis von Politik hat – sei es in Israel oder anderswo – sollte klar sein, dass konservative Wähler kein Vertrauen in die Vertreter linker Parteien haben und umgekehrt. Die Wähler vertrauen den Vertretern, die sie gewählt haben, den Männern und Frauen, die sie als ihre Vertreter ausgewählt haben. In einer Demokratie wählen Bürger Menschen, die sie und ihre Werte in der Legislative vertreten, und beauftragen sie, in Angelegenheiten, die wesentliche oder sogar existenzielle Fragen der öffentlichen Ordnung betreffen, für sie zu sprechen. Von diesen Vertretern wird erwartet, dass sie die Meinung ihrer Wählerschaft zum Ausdruck bringen und die Gesetzgebung und die öffentliche Politik vorantreiben, ohne dabei die Grundprinzipien und Ideale der Menschen, die sie gewählt haben, zu opfern. Das ist es, worum es in der Demokratie geht.

Andere Umfrageergebnisse wurden durch die manipulative Formulierung der Fragen ebenfalls verzerrt: Aus der Direct Polls-Umfrage geht hervor, dass nur 50 % der Öffentlichkeit dem Obersten Gerichtshof vertrauen: Nur 16 % der Likud-Wähler sprachen der Justiz ihr Vertrauen aus, und weniger als 5 % der Wähler der religiös-zionistischen und ultra-orthodoxen Parteien, während die Wähler der Oppositionsparteien zu über 80 % ihr Vertrauen in die Justiz aussprachen.

Andererseits wurde die gezielt formulierte IDI-Umfrage so gestaltet, dass sie die Schwächung der Befugnisse der Knesset und die Gewährung übermässiger Befugnisse an die Justiz rechtfertigt. Es überrascht nicht, dass die Ergebnisse der IDI-Umfrage ihre erklärte Position gegen die Justizreform unterstützen und unter dem Titel “Nur eine Minderheit der Israelis unterstützt die vorgeschlagene Justizreform” veröffentlicht wurden.

Mark Twains “Lügen, verdammte Lügen und Statistiken” sind bei der Bewertung der Umfrageergebnisse der IDI unübersehbar. Die Art und Weise, wie die Frage nach dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Knesset formuliert war, sorgte dafür, dass die Ergebnisse den völlig falschen Eindruck erweckten, die Öffentlichkeit vertraue den Mitgliedern der Knesset nicht und unterstütze die Richter des Obersten Gerichtshofs.

Die relevante Frage, die sich in der Formulierung der Umfrage von Direct Polls genauer widerspiegelt, ist der Grad des Vertrauens der Öffentlichkeit in die von ihr gewählten Mitglieder der Knesset, und die Ergebnisse zeigen, dass eine absolute Mehrheit der Öffentlichkeit ihren gewählten Vertretern vertraut – eine Tatsache, die auf eine äusserst gesunde parlamentarische Demokratie hinweist.

Weitere Vergleichspunkte zwischen den beiden Umfragen sind nicht weniger aufschlussreich – insbesondere bei Fragen, die neutral formuliert waren. Was das Vertrauen der Öffentlichkeit in den israelischen Präsidenten (derzeit Isaac Herzog) betrifft, so kamen die Umfragen von Direct Polls und IDI zu ähnlichen Ergebnissen: Die Wähler des Likud, der religiösen Zionisten und der ultraorthodoxen Parteien sprachen weniger als 40 % Vertrauen aus, während die Wähler der Oppositionsparteien über 70 % Vertrauen äusserten. Diese Ergebnisse deuten auf einen Trend zur Polarisierung zwischen den Lagern hin – kaum eine Überraschung angesichts der Proteste und der Kampagne zur Störung des öffentlichen Lebens, die die parlamentarische Debatte über Sachfragen verdrängt haben. Diese Kampagnen, die darauf abzielen, das Ergebnis einer freien und fairen Wahl auf undemokratische Weise zu kippen, wären George Orwell sicherlich aufgefallen – zumal sie alle unter dem Motto “Schutz der Demokratie” geführt wurden.

Wenn es jemals einen Fall von Orwellschem Neusprech gab, dann ist es dieser – direkt aus dem “Ministerium für Wahrheit” von 1984.

Naomi Linder Kahn ist Direktorin der internationalen Abteilung bei Regavim. Regavim ist eine Bürgerinitiative, die sich dem Schutz der israelischen Souveränität widmet. Übersetzung Audiatur-Online.

8 Kommentare

  1. Ganz ohne auf die bisherigen Kommentare eingehen zu wollen:
    Naomi Linder Kahn beklagt wortreich “die manipulative Formulierung der Fragen” und die angebliche gezielte Fehlinterpretation von Umfragen zum Vertrauen der Israelischen Bevölkerung in die Knesset bzw. in den Obersten Gerichtshof. Aber sie selbst manipuliert nicht nur gleich im ersten Absatz ganz massiv das Ergebnis dieser Umfragen, sondern sie verkehrt es geradezu in sein Gegenteil. Zitat: “Laut den Ergebnissen der Umfrage hat die israelische Öffentlichkeit ein weitaus grösseres Vertrauen in die Knesset, als in die israelische Justiz”. Der Faktencheck dazu ergibt: Das ist unwahr. Wahr ist vielmehr das Gegenteil.
    Denn ein relativ großes Vertrauen von 45 bis über 85 % haben die Israelis nach den von ihr selbst genannten Zahlen nur in die Abgeordneten jener Partei, die sie jeweils selbst gewählt haben. In die Knesset insgesamt haben aber nur 14 % der Wähler mäßiges bis hohes Vertrauen, 83 % dagegen geringes bis gar keines. Das ist nicht “eine Tatsache, die auf eine äusserst gesunde parlamentarische Demokratie hinweist”, sondern es ist das genaue Gegenteil, es ist geradezu eine Katastrophe. Es müsste ein Alarmsignal für jede Demokratie sein, wenn nur ein Siebtel der Wähler einigermaßen Vertrauen in die gewählte Volksvertretung hat. Denn diese, die Summe der Vertreter aller Parteien, und nicht nur die selbst gewählte Partei ist es, die Gesetze erlässt und die Politik bestimmt.
    Dass dem Obersten Gerichtshof auch nur 50 % vertrauen, sollte ein weiteres Alarmsignal sein, selbst wenn man berücksichtigt, dass die Wähler der diversen (ultra-)religiösen Parteien, die mit säkularer Rechtsprechung ohnedies nicht viel am Hut haben und dementsprechend dem Obersten Gerichtshof zu nicht einmal 5 % vertrauen, den Schnitt deutlich nach unten drücken. Aber auch so hat, im Gegensatz zu Linder Kahns Zauberrechnung, immerhin ein dreieinhalbmal so großer Wähleranteil Vertrauen in den Obersten Gerichtshof als in die Knesset.
    Mark Twains “Lügen, verdammte Lügen und Statistiken” sind also bei Linder Kahns Kommentar zu den Umfragen “unübersehbar”.

  2. Vielen Dank, ich verzichte darauf. Meine mir noch verbleibende wenige Lebenszeit ist mir zu schade dafür.
    Ihre Vermutung, ich wolle Sie nicht verstehen, ist falsch. Mehr möchte ich dazu nicht mehr sagen.

  3. Efronit, ich habe irgendwie den Eindruck, Sie wollen mich nicht verstehen.
    Vielleicht nehmen Sie sich nochmals Zeit, meine Texte in Ruhe durchzulesen.

  4. Nussknacker

    Zu Ihrem ersten Abschnitt:
    Ihre Vorwürfe gegen Susanna, die Sie nun mir gegenüber erwähnen, kann ich ja nicht nachprüfen. Sie dienen nur dazu, meine Verwirrung zu vergrössern. Denn nun bringen Sie auch noch den russischen Terror und die jüdische Gemeinde in der Ukraine ins Spiel.
    Susanna distanziert sich doch klar von den Antisemiten in ihrer Regierung. Was also werfen Sie ihr vor?

    Dass Sie “keinen Respekt haben vor Leuten, die systematischen Terror gegen die Zivilbevölkerung gutheißen”, kann ich verstehen. In dem Kommentar von Susanna finde ich aber nichts dergleichen.
    Ausserdem bin ich der Meinung, dass man sogar in einem solchen Fall einen anständigen Ton bewahren sollte.

    Und nun werfen Sie mir vor, es “peinlichst zu vermeiden, zum russischen Terror ein Wort zu verlieren”. Der war ja überhaupt nicht das Thema.
    Sonst müsste ich wohl auch “ein Wort verlieren” zu jedem andern Unrecht in der weiten Welt.
    Zu Ihrer Beruhigung: Ich verurteile ganz klar jeden russischen (und andern) Terror!

    Ich war der Meinung, einfach mal nachfragen zu dürfen, wenn ich etwas nicht verstehe. Aber dem ist anscheinend nicht so.

    Und nun gehe ich wieder an meine Gartenarbeit, das ist weit nützlicher….

  5. @ Efronit

    Sie können meiner Ausführung entnehmen, dass die Auseinandersetzung mit Susanna schon eine Weile andauert. Die Schreiberin rechtfertigt immer wieder den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und zwangsläufig auch alle damit einhergehenden systematischen Kriegsverbrechen. Ihre Masche ist, sich an ein völlig beliebiges Thema zu hängen, darüber zu lamentieren, um dann endlich ihre prorussische Propaganda einzuflechten.

    Sie schreiben, ich würde „respektlos“ auf ihr rumhacken?

    Allerdings habe ich keinen Respekt vor Leuten, die systematischen Terror gegen die Zivilbevölkerung gutheißen. Die Schreiberin versucht immer wieder, die russischen „Rechtfertigungen“ in leicht abgewandelter Form hier zum Besten zu geben. Im zitierten Fall sorgt eben die russische „Entnazifizierung“ dafür, dass Hakenkreuze kein „Teil der Kultur in der Ukraine“ mehr sind. Die Schreiberin unterstellt nämlich, dass genau dies der Fall sei – und das ist eine bösartige Hetze.

    Efronit, mir ist ansonsten rätselhaft, warum Sie sich über meine Reaktion echauffieren, es aber peinlichst vermeiden zum russischen Terror ein Wort zu verlieren. Fragen Sie doch mal in der jüdischen Gemeinde der Ukraine nach, was diese von der russischen „Spezialaktion“ halten.

  6. Nussknacker
    Ich kenne weder Sie noch Susanna, habe noch nie von Ihnen beiden gelesen.
    Und jetzt versuche ich zu verstehen, was Sie Susanna vorwerfen.
    Haben Sie eigentlich gelesen, was Susanna geschrieben hat, ich meine, wirklich gelesen?
    Z.B. schrieb sie doch: “…einige wollen uns einreden, Hakenkreuze seien Teil der Kultur in der Ukraine…”, also ist sie nicht dieser Meinung.
    Sie werfen ihr aber genau das vor. Das verstehe ich nicht….
    Und ich habe sehr Mühe mit Ihrer Art, respektlos auf einer anderen Kommentatorin herumzuhacken.

  7. @ Susanna

    Dass Sie dem russischen Faschismus und Imperialismus die Stange halten, wird zum wiederholten Male deutlich. Damit stellen Sie nicht nur Ihre Unfähigkeit zur Schau, historische Geschehnisse einzuordnen und zu bewerten. Sie fallen immer wieder auf durch Ihre beflissene Art, sich die Sache der stalinistischen Propagandamaschine zu eigen zu machen und diese als Tatsachen weiterzugeben.

    Ihre perfiden Versuche, die Ukraine als „faschistisch“ und Hakenkreuze als deren Kultur(!) zu bezeichnen, ist ebenso diabolisch wie schäbig. Nicht zuletzt bagatellisieren Sie damit die nationalsozialistischen Verbrechen, die sie heute allen möglichen Ihrer ausgemachten Gegner unterstellen wollen.

    Susanna, es interessierte mich nicht, dass Sie mutmaßlich eine Gehirnwäsche hinter sich haben. Irgendwann ist jeder für sein Handeln und seine Rede selbst verantwortlich. Ihre Texte sind an Niederträchtigkeit mit die schlimmsten, die ich hier je gelesen haben. Und ich kommentiere in diesem Blog seit vielen Jahren und habe in dieser Zeit eine Menge übles Zeug gelesen.

  8. Immerhin gibt es in Israel Parteien, von denen sich die Wähler vertreten fühlen und Abgeordnete, denen die Menschen vertrauen können. Dass das Land in Lager gespalten ist, erscheint mir als Ausdruck einer lebendigen Demokratie. Ich wüsste in Deutschland niemanden in der Politik dem ich vertraue oder den ich wählen könnte. Gerne wurde ich die Ampel abwählen aber ich wüsste nicht mit wem. Alle sind neoliberale Kriegstreiber, geschichtsvergessen und einige wollen uns einreden, Hakenkreuze seien ein Teil der Kultur in der Ukraine. Und nein, es ist nicht die AFD.
    Zudem haben wir lauter Antisemiten in der Regierung, für die ich mich schäme und von denen ich mich bestimmt nicht vertreten fühle.

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