Der Staat Israel suchte in seinen frühen Jahren händeringend Experten für fast alles, von Handwerkern und Ingenieuren bis zu Militärs. Dabei wurde angesichts der damaligen Einwanderungssperre, der sich zuspitzenden Feindseligkeit der arabischen Nachbarn und im Durcheinander der Nachkriegszeit nicht jeder Neuankömmling im Land auf Herz und Nieren überprüft.
von Johannes Schidelko
So brachte es ein ehemaliger Soldat der Waffen-SS zum Offizier der israelischen Armee. Allerdings kam ihm der Inlandsgeheimdienst auf die Spur. Der Mann setzte sich ab – und diente sich den Ägyptern als Spion an. Die Akte von Ulrich Schnaft alias Gabriel Zusman wurde nun von den israelischen Behörden freigegeben und von der „Times of Israel“ präsentiert.
Danach wurde Schnaft, 1923 in Königsberg/Ostpreußen geboren, an der Ostfront verwundet und an die Westfront versetzt, wo er 1944 in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft geriet. Nach der Freilassung zog er nach München, beschloss aber dann, Deutschland zu verlassen und sich als jüdischer Flüchtling auszugeben. 1947 bestieg er in Marseille ein Schiff, das jüdische illegale Einwanderer nach Israel bringen sollte – die britische Mandatsmacht über Palästina hatte eine Einwanderungssperre verhängt. Das Schiff wurde von der Royal Navy abgefangen, die Passagiere in einem Flüchtlingslager in Zypern interniert.
Dort lernte Schnaft Hebräisch, etablierte sich als Zionist und beteiligte sich an mehreren Fluchtversuchen, die von Mithäftlingen mit Kontakten zur Haganah, der Vorgängerin der israelischen Armee, organisiert wurden. Nach der Ankunft in Israel ging Schnaft zur Armee, diente während des israelischen Unabhängigkeitskrieges und lebte in Kiryat Anavim nahe Jerusalem. Er trat der Mapai-Partei von Premierminister David Ben Gurion bei und wurde während seines Reservedienstes Offizier bei der Artillerie.
Zwielichtige Gesellschaft gesucht
Sechs Jahre lang lebte der frühere SS-Mann ungestört unter falscher Identität in Israel – bis er Berufsoffizier werden wollte. Hier legte der Inlandsgeheimdienst Schin Bet sein Veto ein, um zunächst einmal den religiösen Hintergrund des Mannes mit den blonden Haaren und dem typisch deutschen Aussehen zu durchleuchten. „Bitte beantworten Sie Fragen zur Religion dieser Person“, zitiert die Zeitung aus einem Memo an die Agenten.
Aber schon vorher sei Schnaft auffällig geworden und habe Zweifel an seiner jüdischen Herkunft wie auch seiner charakterlichen Eignung genährt. In einem Bericht hieß es, er habe betrunken ein Bild von sich in „SS-Uniform oder Bundeswehruniform“ gezeigt – später aber behauptet, es sei ein Kostüm gewesen. Zudem habe er zwielichtige Gesellschaft gesucht und Munition aus einem Militärstützpunkt gestohlen. Seine Vorgesetzten entschlossen sich, einer Militärkarriere des dubiosen Mannes nicht zuzustimmen.
1954 verließ Schnaft schließlich Israel und gelangte auf Umwegen nach Ägypten, um dem dortigen Geheimdienst Informationen über die israelischen Streitkräfte anzubieten. Bis heute sei nicht klar, wie brisant das Material war, das er präsentieren wollte, schreibt die „Times of Israel“. Bis heute werde der Fall aber als „heikel“ eingestuft.
Der israelische Auslandsgeheimdienst Mossad machte sich auf Schnafts Spur – und fand ihn ein Jahr später in Frankfurt, wo er als Apotheker arbeitete. Eine Agentin wurde auf ihn angesetzt, gab sich als Journalistin aus, umgarnte ihn und bot an, ihn arabischen Geheimdienstmitarbeitern vorzustellen, die an seinen Informationen über Israel interessiert wären. Allerdings handelte es sich um Mossad-Agenten, die ihm einen fiktiven Spionageauftrag für Israel und einen gefälschten Pass gaben.
Schnaft tappte in die Falle. Bei seiner Ankunft in Israel wurde er verhaftet und zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Nach der Entlassung verließ er Israel. Versuche von Journalisten, ihn in Deutschland oder andernorts aufzuspüren, seien – so die „Times of Israel“ – erfolglos geblieben.
KNA/mit/cdt/sky