Den Nationalismus zu verteufeln ist keine Verteidigung der Juden

Die Dämonisierung derjenigen, die am "Jerusalem-Tag" mit israelischen Fahnen marschieren, und von Konservativen, die sich gegen den marxistischen Krieg gegen den Westen wehren, ist ebenso unaufrichtig und falsch.

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Jugendliche schwenken israelische Flaggen vor dem Damaskustor in Jerusalem. 18. Mai 2023, Jerusalem. Foto IMAGO / ZUMA Wire
Jugendliche schwenken israelische Flaggen vor dem Damaskustor in Jerusalem. 18. Mai 2023, Jerusalem. Foto IMAGO / ZUMA Wire
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Vielleicht war es kein Zufall, dass zahlreiche Konzernmedien ein Treffen konservativer Intellektueller in derselben Woche beschuldigten, den Antisemitismus zu fördern, wie sie den jährlichen Fahnenmarsch zum “Jerusalem-Tag” in Jerusalem, als eine Massenveranstaltung mit intolerantem nationalistischem Eifer bezeichneten. Auch wenn diese Kontroversen sehr unterschiedlich sind, so haben sie doch etwas gemeinsam: ein Unbehagen gegenüber dem offenen und freudigen Ausdruck nationaler Identität. Bezeichnend ist auch, dass dies im Namen einer universellen Ethik geschieht, die vorgibt, eine Kraft für das Gute zu sein, die aber meistens genau das Gegenteil ist.

von Jonathan S. Tobin

Die NatCon UK in London schien bei Linken und insbesondere auch bei führenden Vertretern der britischen jüdischen Gemeinde Alarmsignale auszulösen. Jeder Kommentar, der sich dem linken Angriff auf die westliche Zivilisation entgegenstellte, wurde angeprangert. Wie Melanie Phillips treffend feststellte, war der Versuch, den konservativen Intellektuellen und Autor Douglas Murray so darzustellen, als würde er die Bedeutung des Holocausts verunglimpfen, völlig unredlich. Dasselbe gilt für die fadenscheinige Behauptung eines Sprechers einer lokalen jüdischen Gruppierung, die Verwendung des Begriffs “Kulturmarxismus” sei antisemitisch. Das gilt auch für die Äusserungen des Board of Deputies of British Jews, wonach der Widerstand eines konservativen Historikers gegen Bemühungen, die Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels zu nutzen, um die Erinnerung an den Holocaust an den Rand zu drängen, für die jüdische Gemeinschaft irgendwie schädlich sei.

Es war ähnlich wie die Bemühungen der Anti-Defamation League (ADL), den linken Milliardär George Soros selbst gegen satirische Kritik zu verteidigen, etwa wenn Elon Musk ihn mit einem Comic-Superschurken vergleicht. Wenn Menschen auf der Rechten sich der Linken entgegenstellen, scheinen Linke – insbesondere liberale Juden – dies als persönliche Bedrohung aufzufassen und sind schnell bereit, solche Kritik als antisemitisch zu verleumden, auch wenn sie sehr wohl wissen, dass die Diskussion nichts mit dem Schüren von Judenhass zu tun hat.

Damit überlassen sie der winzigen Minderheit der Rechtsextremisten und den damit verbundenen Neonazis die Macht über die Sprache. Nur weil ein paar durchgeknallte Extremisten antisemitische Verunglimpfungen gegen Soros verwenden, darf also niemand mehr schlecht über ihn reden, ohne selbst des Antisemitismus beschuldigt zu werden. Auf diese Weise beteiligen sich vermeintlich massgebliche Stimmen, die vorgeben, für jüdische Interessen zu sprechen – wie die ADL oder, in einem Fall, ein Bürokrat im israelischen Aussenministerium, der von der zuständigen Behörde schnell überstimmt wurde – eifrig an der Kampagne zur Dämonisierung der Konservativen.

Im Mittelpunkt dieser Diskussion steht nicht nur eine unaufrichtige Verteidigung von Soros – dessen jüdische Herkunft und Vergangenheit als Holocaust-Überlebender ihn nicht immun machen sollte gegen Kritik an der Tatsache, dass er nicht nur versucht, Israel zu schaden, sondern den USA mit seiner Pro-Kriminalitäts-Kampagne wohl mehr Schaden zufügt als jede andere Person – oder der Versuch, nationalkonservative Denker zu delegitimieren. Im Kern geht es um das Unbehagen an der Idee des Nationalismus oder des Stolzes auf das eigene Land und Volk.

Wie Murray etwas plump feststellte, diskreditiert die Assoziation von Nationalismus mit den Nazis das Konzept in den Augen vieler Menschen, obwohl es interessant ist, dass dies nicht auf die andere Hälfte des deutschen Akronyms für Adolf Hitlers völkermordende antisemitische Partei zutrifft: “Nationale Sozialisten”.

Die Geschichte zeigt uns, dass der Nationalismus eine ebenso positive, wenn nicht gar lebensbejahende Idee sein kann, wie eine negative. Diejenigen im Westen, die wie der britische Führer Winston Churchill für die Verteidigung der Zivilisation gegen die Nazis kämpften, waren Nationalisten, die ihre eigenen Länder und Kulturen liebten und sie zu Recht feierten. Andererseits setzen sich die Bemühungen transnationaler globaler Bewegungen wie die des Kommunismus, mit denen die Identität einzelner Bevölkerungsgruppen ausgelöscht werden soll, mit dem Völkermord der chinesischen Regierung an den Uiguren in Xinjiang fort.

Die Linken von heute, die der Gesellschaft ihren Glauben an das Erwachen der Welt aufzwingen wollen und die den Westen und seine Vergangenheit zu Unrecht als unrettbar rassistisch und böse verunglimpfen, versuchen auch, unseren Glauben an unsere nationalen Identitäten zu zerstören.

Und das führt uns zu der fast durchweg negativen Berichterstattung über den Marsch in Jerusalem am Jahrestag der Vereinigung der Stadt im Jahr 1967.

Das Spektakel der Parade von fahnenschwenkenden Juden aller Altersgruppen, die durch Jerusalem – insbesondere durch die Altstadt – marschieren, ist für das Empfinden linker Schaulustiger aus nah und fern zu viel. Sie empfinden die Bereitschaft der Juden, ihre Identität und ihre Rechte auf die alte Hauptstadt ihres Volkes und seine heiligen Stätten einzufordern, als geschmacklos und als politischen Akt. Schlimmstenfalls halten sie es für eine beschämende neofaschistische Zurschaustellung aufgrund der angeblichen Unsensibilität der Demonstranten gegenüber den arabischen Einwohnern, die, wie nicht vergessen werden sollte, die jüdische Präsenz – ganz zu schweigen von ihrer Souveränität in Jerusalem – als unerträgliche Beleidigung empfinden.

Israelis singen und tanzen während der Flaggenparade durch Jerusalems Zentrum und die Altstadt am Jerusalem-Tag. Foto Eytan Schweber/TPS

Die New York Times betonte in ihrer Berichterstattung über das Ereignis das Negative mit einem Artikel mit der Überschrift “Israelis marschieren durch Jerusalem und erhöhen die Spannungen in einer geteilten Stadt”. Aber das war nichts im Vergleich zu der Schlagzeile, die auf der Homepage der Times of Israel erschien und verkündete: “Triumphalismus und Ethno-Nationalismus stehen bei Veranstaltungen zum Jerusalem-Tag im Mittelpunkt”.

Wie bei den meisten Berichterstattungen zu ist die Voreingenommenheit der Medien offensichtlich. Während jeder Hinweis auf Extremismus, Hassreden oder sogar gewalttätiges Verhalten bei Demonstrationen gegen die Justizreform der Regierung Netanjahu ignoriert oder rationalisiert wird, gilt für die Feiern zum “Jerusalem-Tag” das Gegenteil. Die meisten Gegner der Justizreform sind friedlich und patriotisch, und das Gleiche gilt für alle bis auf eine winzige Minderheit derjenigen, die mit blau-weissen Fahnen durch Jerusalem ziehen. Aber jedes schlechte Verhalten wird immer als Sinnbild für den wahren Geist der nationalistischen Rechten hervorgehoben, während es als nicht repräsentativ für die politische Linke dargestellt wird.

So unerträglich eine solche Voreingenommenheit der Medien auch sein mag, das eigentliche Problem bei all diesen Diskussionen ist die Verachtung des Nationalismus und die Bereitschaft, jede Kritik an Globalismus und Kulturmarxismus mit Antisemitismus gleichzusetzen.

Bei all dem Gezeter über angeblich antisemitische Äusserungen von Konservativen oder über die Geschmacklosigkeit von Juden, die von ihrem Recht Gebrauch machen, freudig ihre Souveränität über ihre alte Stadt zu verkünden, geht etwas ganz Wichtiges unter.

Diejenigen, die die Angriffe auf die westliche Zivilisation und die Kultur der individuellen Rechte, die am besten durch den Nationalismus verteidigt werden, unterstützen, schaden den Rechten der Juden mehr, als dass sie sie verteidigen. In gleicher Weise ist die Negierung des Rechts der Juden auf nationale Selbstbestimmung in ihrem Heimatland nicht etwas, das zu gegenseitigem Verständnis mit denen führen wird, die die jüdische Präsenz in Israel auslöschen wollen. Im Gegenteil, solche universalistischen Argumente, die verlangen, dass Juden sich zurückziehen, nachgeben und darauf verzichten, ihre Rechte auszuüben, ermutigen nur diejenigen, die ihnen das elementarste Recht, zu leben und sich zu verteidigen, absprechen wollen.

Der beste Weg, die Rechte der Juden in der Diaspora zu verteidigen, besteht darin, sich gegen den universalistischen und marxistischen Krieg gegen die Traditionen des Westens zu stellen. Und der beste Weg, jüdisches Leben in Israel zu verteidigen, besteht darin, deutlich zu machen, dass diejenigen, die zu einer Situation zurückkehren wollen, in der Juden ein verachtetes, unterdrücktes und machtloses Volk waren, daran erinnert werden müssen, dass sie auf der falschen Seite der Geschichte stehen. Eine Linke, die sich gegen den Nationalismus wendet, ist sowohl eine giftige Ideologie als auch von Grund auf unfrei. Der Nationalismus des Westens und des Zionismus ist nicht nur verteidigungswürdig, sondern sollte aktiv und offen vertreten werden, auch wenn es einigen Menschen Unbehagen bereitet.

Jonathan S. Tobin ist Chefredakteur von JNS (Jewish News Syndicate). Übersetzung Audiatur-Online.

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