Der Staat Israel feiert seinen 75. Geburtstag

Die ganze Welt sollte stolz auf den wiedergeborenen jüdischen Staat sein.

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Foto IMAGO / Panthermedia
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Der Staat Israel feiert seinen 75. Geburtstag. Nur in diesem Land, dem jüdischen Staat, werden die Tage von Sonnenuntergang zu Sonnenuntergang gezählt. Nur in Israel wird auf den Strassen die Sprache der Bibel gesprochen, und die Schulen sind am Schabbat, an Jom Kippur, an Pessach usw. geschlossen. Dieses Land gehört einem Volk, das seit zwei Jahrtausenden am Rande der Gesellschaft lebt, oft diskriminiert wird und darum bemüht ist, akzeptiert zu werden, aber dies nur selten wird.

von Fiamma Nirenstein

Dieses Volk ist heute in der Lage, sich zu verteidigen, während es vor 75 Jahren den Pogromen, Verfolgungen und schliesslich der Shoah hilflos gegenüberstand. Das Übel des Antisemitismus ist nicht verschwunden, aber jetzt prallt es gegen die Mauern einer starken Nation.

Israels Bürger stehen bei weltweiten Umfragen zum Thema Glück ganz oben auf der Liste und geniessen nach Jahrhunderten der Diskriminierung gleiche Rechte in einem freien Staat – ein Novum, das heute gerade einmal 75 Jahre alt ist.

Seit Wochen jedoch sind die Medien wie besessen von der Auseinandersetzung zwischen der israelischen Regierung und der Opposition in der Frage der Justizreform und bezeichnen sie – mit offensichtlicher Schadenfreude – als tiefgreifende Krise. Israels Feinde, vom Iran bis zur Hamas, haben die Massendemonstrationen gegen die Reform als Zeichen der Schwäche und des bevorstehenden Untergangs des jüdischen Staates gedeutet. Die mörderischen Aktivitäten der Feinde Israels gehen weiter, denn sie haben vor dem Unabhängigkeitstag versucht, die Feierlichkeiten mit Anschlägen zu vereiteln.

Doch trotz ihrer Bemühungen zeigt sich Israel als ausserordentlich starkes Land. Nachdem die Juden zwei Jahrtausende lang vergeblich von Jerusalem geträumt haben, haben sie nun ihre Hauptstadt in der heiligen Stadt. Israel ist für sie ein wunderschönes Zuhause, mit atemberaubenden Landschaften von der Wüste Negev über den See Genezareth bis zu den Golanhöhen und der Mittelmeerküste, an der Millionen von Menschen arbeiten und ihr Leben geniessen.

Es ist ein Land mit unzähligen Sprachen, in dem sich Menschen aller Hautfarben und Glaubensrichtungen vermischen und zusammenarbeiten. Es ist ein Ort mit der fortschrittlichsten Technologie in der Medizin, der Landwirtschaft, der Wasserversorgung und anderen Bereichen. Israels Armee ist eine der stärksten der Welt. Die Familien sind hoffnungsvoll genug, um durchschnittlich drei Kinder zu gebären, was eine Zukunft in Wachstum und Wohlstand garantiert.

Zugegeben, das israelische Volk befindet sich mitten in einer heftigen internen Debatte. Dahinter verbirgt sich der immerwährende Konflikt zwischen Nation und Religion, zwischen dem Säkularen und dem Frommen. Jüdische Gelehrte und Intellektuelle haben dies seit Jahrhunderten diskutiert.

Vereinfacht gesagt, tritt die säkulare Seite für einen modernen “demokratischen” Staat ein, während die Rechte einen Staat mit religiösem Einfluss anstrebt.

Das ist falsch. Der rechtsgerichtete Premierminister Benjamin Netanjahu, der die Reformen befürwortet, ist säkular und liberal. Zwar ist er bei den Linken unbeliebt, die über seinen anhaltenden Erfolg verärgert sind, aber das macht ihn nicht zum Theokraten. Die religiösen Elemente in Netanjahus Regierung wissen, dass er Jahrzehnte damit verbracht hat, eine freiheitliche Nation aufzubauen, in der alle Meinungen und politischen, sozialen, religiösen und sexuellen Zugehörigkeiten respektiert werden.

Israel kann nur durch Kompromisse überleben. Die Linke muss sich bemühen, das Vermächtnis der tapferen Juden zu akzeptieren, die über Jahrhunderte hinweg die jüdische Tradition heldenhaft bewahrt haben, während sie an Hunger und Verfolgung starben, sogar in den Konzentrationslagern. Ohne sie würde das jüdische Volk nicht existieren und die Tora wäre nicht mehr als Papier.

Gleichzeitig gäbe es aber ohne den Heroismus der sozialistischen Kämpfer aus den Kibbuzim und der zionistischen Linken, die unter der Führung von David Ben-Gurion das trockene Land kultivierten, Hunger und Entbehrungen erlitten und ihr Leben für den Aufbau der Nation und ihre Verteidigung gaben, keinen Staat Israel zu feiern.

Die ganze Welt sollte stolz auf Israel sein und Israel sollte definitiv stolz auf sich selbst sein. Grosse Zivilisationen und Kulturen sind im Laufe der Jahrhunderte untergegangen, aber die jüdische Zivilisation nicht, denn sie wurde im Namen von Werten, die der gesamten westlichen Welt zugute kommen, wiedergeboren.

Die Journalistin Fiamma Nirenstein war Mitglied des italienischen Parlaments (2008-2013), wo sie als Vizepräsidentin des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten in der Abgeordnetenkammer und im Europarat in Strassburg tätig war und den Ausschuss zur Untersuchung des Antisemitismus gründete und leitete. Sie ist Fellow am Jerusalem Center for Public Affairs (JCPA). Auf Englisch zuerst erschienen bei Jewish News Syndicate. Übersetzung Audiatur-Online.

3 Kommentare

  1. [geschrieben am 26.4.2023 – habe ich doch glatt vergessen abzusenden!]

    Ein toller Artikel von Fiamma Nirenstein. Mit hellsichtiger Gelassenheit richtet sie ihren Blick auf das heutige Israel und stellt die richtigen Fragen an die innerisraelischen Konfliktparteien. Beide brauchen einander, doch schon lange muss eine Seite die Dominanz der anderen ertragen, ohne dass dies durch Wahlen legitimiert wäre. Die linke Seite muss sich bewegen. Wenn sie sich ernst nimmt, muss sie sich der berechtigten Kritik stellen und kann um eine Selbstkritik nicht herumkommen.

    Die Welt kann stolz sein auf Israel. Ich kenne kein Land, das es unter vergleichbaren Bedingungen wie ständigem Terror von innen und außen sowie bösartigen internationalen Kampagnen schafft, die demokratischen Ideale zu bewahren und nicht zu einer Überreaktion zu tendieren. Das alleine ist schon bewundernswert.

    Masel tov, Israel … und immer schön auf die eigene Stärke vertrauen. 😎

  2. Der Lobpreis ISRAELS ist angekommen. Ich unterschreibe zwar “aus vollem Herzen”, weise aber auf eine Lücke hin. Nämlich, dass ISRAEL immer noch nicht ernsthaft seine ‘biblischen Halsstarrigkeiten’ überwunden hat. Wie ist sonst zu erklären, dass über Genesis 20 immer noch “ZEHN” GEBOTE steht ?
    Tradition schön und gut. Aber der Wahrheit zuliebe sollte man Lügen ausmerzen.

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