Roger Waters darf in Frankfurt auftreten – Veranstaltung sei „als Kunstwerk zu betrachten“

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Roger Waters am 1. April 2023, Mailand. Foto IMAGO / ZUMA Press
Roger Waters am 1. April 2023, Mailand. Foto IMAGO / ZUMA Press
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Trotz Antisemitismusvorwürfen darf der britische Rockmusiker Roger Waters nun doch in Frankfurt am Main auftreten. Das hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Montag entschieden. Dem Beschluss zufolge müssen die Stadt und das Land Hessen als Gesellschafter der Frankfurter Messe dem Musiker „die Möglichkeit verschaffen, sein geplantes Konzert am 28. Mai in der Frankfurter Festhalle durchzuführen“. Die Jüdische Gemeinde Frankfurt nannte die Entscheidung des Gerichts „nicht nachvollziehbar“.

von Norbert Demuth

Das Gericht führte aus, dass sich Waters im Rahmen seiner Bühnenshow zwar „offenkundig einer an die nationalsozialistische Herrschaft angelehnten Symbolik“ bediene. Entscheidend sei aber, dass sein Auftritt in der „Gesamtschau“ nicht den Schluss zulasse, dass der Musiker nationalsozialistische Gräueltaten verherrliche oder relativiere oder sich mit der nationalsozialistischen Rassenideologie identifiziere. Anhaltspunkte dafür, dass durch die Bühnenshow oder von Waters selbst strafbare Handlungen wie das Verwenden von Propagandamaterial und Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen oder Volksverhetzung begangen würden, seien nicht ersichtlich.

Dem Eilantrag von Waters (79) sei damit „überwiegend stattgegeben“ worden. Das Land Hessen und die Stadt Frankfurt am Main müssten Waters „durch entsprechende Einwirkung auf die Geschäftsführer der Messe GmbH Zutritt zur Festhalle“ am 28. Mai verschaffen. Sonst würde Waters in seinem Grundrecht auf Kunstfreiheit (Artikel 5 Grundgesetz) verletzt, so das Verwaltungsgericht. Gegen den Beschluss kann noch Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel eingelegt werden.

Am 24. Februar hatten die Stadt Frankfurt und das Land Hessen die Geschäftsführer der Messe GmbH angewiesen, den Vertrag für Waters‘ Konzert „unverzüglich aus wichtigem Grund“ zu kündigen. Der Mitbegründer der Band „Pink Floyd“ gelte heute als einer der „reichweitenstärksten Antisemiten der Welt“, hiess es zur Begründung.

Das Verwaltungsgericht räumte ein, dass „gerade vor dem historischen Hintergrund der Festhalle“ Waters Bühnenshow „als besonders geschmacklos“ zu bewerten sein möge. Vor und im Gebäude erinnern Gedenktafeln an das Schicksal von mehr als 3.000 Juden, die dort im Zuge der Novemberpogrome 1938 festgehalten, misshandelt und später deportiert worden waren.

Die Konzertveranstaltung sei aber „als Kunstwerk zu betrachten“ und die Kunstfreiheit nach dem Grundgesetz schrankenlos gewährt. Das Konzert von Waters verletze „nicht die Menschenwürde der in der Festhalle misshandelten jüdischen Männer“, so das Gericht. Eine „schwerwiegende Beeinträchtigung des Geltungs- und Achtungsanspruchs der in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden“ lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen.

Von jüdischer Seite wurde der Gerichtsbeschluss kritisiert. „Es ist unerklärlich, wie eine offenkundige Anlehnung an nationalsozialistische Symbolik keine juristischen Konsequenzen haben soll“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, der „Jüdischen Allgemeinen“. „Volksverhetzung ist verfassungswidrig und niemals nur eine Geschmacklosigkeit.“

Die Jüdische Gemeinde Frankfurt kritisierte, das Gericht biete „einem ausgewiesenen Antisemiten wortwörtlich eine Bühne“. Die Argumentation, wonach das Grundrecht der Kunstfreiheit durch die Konzertabsage verletzt sei, wäre nur dann nachvollziehbar, „sofern Antisemitismus nunmehr von der Kunstfreiheit in Deutschland gedeckt wird“. In Anbetracht der documenta-Ereignisse scheine dieser Gedanke nicht weit hergeholt, offenbare er doch „eine eklatante Ignoranz gegenüber der historischen und aktuellen Verantwortung, Judenhass in Deutschland zu bekämpfen“. Die Jüdische Gemeinde kündigte Demonstrationen gegen den Auftritt an.

Auschwitz Komitee fassungslos

Das Internationale Auschwitz Komitee hat das Urteil des Frankfurter Verwaltungsgerichtes zum Auftritt des britischen Rocksängers Roger Waters in der Frankfurter Festhalle scharf kritisiert. „Nicht nur jüdische Überlebende der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager bleiben nach dem Urteil einmal mehr traurig, fassungslos und zunehmend desillusioniert zurück“, erklärte Vizepräsident Christoph Heubner am Dienstag in Berlin. 

„Überlebende des Holocaust beoachten mit großer Sorge ein Vordringen des Antisemitismus aus verschiedenen Richtungen der Gesellschaft, und sie erleben, wie sie und ihre Familienmitglieder vermehrt Beleidigungen und Drohungen bis hin zur Gewalt ausgesetzt sind“, fügte Heubner hinzu. Waters, der Mitbegründer der Band „Pink Floyd“ ist, verbinde immer wieder Schmähungen des Staates Israel mit antisemitischen Einstellungen und Verschwörungsbotschaften. Durch seine Propagandashows sei er für das Ansteigen antisemitischer Stimmungen und Feindseligkeiten stark mitverantwortlich.

„In diesem Zusammenhang ist die Feststellung des Gerichtes, das Konzert in der Festhalle verletze nicht die Menschenwürde der 1938 eben dort festgesetzten und dem antisemitischen Hass der Nazis ausgesetzten jüdischen Männer ein erneuter Angriff auf die Würde dieser Menschen und die Erinnerungen ihrer Familien“, betonte Heubner. Nach den antisemitischen Darstellungen auf der documenta vor wenigen Monaten sei die Entscheidung des Gerichts für jüdische Menschen ein weiterer Beleg dafür, „dass Teile dieser Gesellschaft und manche ihrer Institutionen sie zu schützen nicht willens sind. Für Deutschland eine bittere Situation.“

Das Management von Waters erklärte in London, die Stadt Frankfurt und das Land Hessen hätten dem Musiker „den haltlosen Vorwurf gemacht, Antisemit zu sein“. Er freue sich nun auf seinen Auftritt in der Stadt.

KNA/dmu/afr/jps/cas

1 Kommentar

  1. Das fast bis zur Schmerzgrenze dehnbare Grundrecht der Kunst und Meinungsfreiheit hinterlässt einen bitteren Beigeschmack, indem suggeriert wird, dass „Antisemitismus auch zunehmend ein Menschenrecht“ sei…

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