Der Aufstand im Warschauer Ghetto: Fünf Fakten zum 80. Jahrestag

Diejenigen, die sich gegen die Nazis wehrten, beschafften sich Waffen aus kriminellen Quellen und über Kontakte in der polnischen Widerstandsarmee.

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Gefangene Juden werden von deutschen Waffen-SS-Soldaten zum Sammelplatz für die Deportation (Umschlagplatz) geführt. Foto von unbekanntem Autor (Franz Konrad gestand, einige der Fotos gemacht zu haben, der Rest wurde wahrscheinlich von Fotografen der Propagandakompanie Nr. 689 aufgenommen. https://research.archives.gov/description/6003996, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3569297
Gefangene Juden werden von deutschen Waffen-SS-Soldaten zum Sammelplatz für die Deportation (Umschlagplatz) geführt. Foto von unbekanntem Autor (Franz Konrad gestand, einige der Fotos gemacht zu haben, der Rest wurde wahrscheinlich von Fotografen der Propagandakompanie Nr. 689 aufgenommen. https://research.archives.gov/description/6003996, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3569297
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Am 19. April jährt sich zum 80. Mal der Beginn des Aufstands im Warschauer Ghetto. Im Folgenden werden fünf erstaunliche Fakten über den Aufstand genannt, die in den meisten Geschichtsbüchern über den Holocaust kaum vorkommen.

von Moshe Phillips

  1. Mordechai Anielewicz war nicht der einzige Anführer der Kämpfer im Ghetto.

Nachdem der Kibbuz Yad Mordechai den Namen Mordechai Anielewicz erhalten hatte und die heldenhafte Geschichte der Verteidiger des Kibbuz im Unabhängigkeitskrieg von 1948 bekannt wurde, hat sich der Name Anielewicz für immer im Bewusstsein der Öffentlichkeit als Anführer der Kämpfer im Warschauer Ghetto eingeprägt. Anielewicz führte jedoch nur eine der beiden wichtigsten bewaffneten Widerstandsorganisationen im Ghetto an. Anielewicz leitete die ZOB (Jüdische Kampforganisation). Die andere Organisation war die ZZW (Jüdische Militärunion), deren Frontkommandant Paweł Frenkel (auch Frenkiel genannt) war. Der Vorsitzende des ZZW war der Psychiater und Neurologe Dr. David Wdowinski, der den Krieg überlebte und 1961 gegen Adolf Eichmann aussagte. Zwei Jahre später veröffentlichte er einen kurzen, persönlichen Bericht über den Aufstand mit dem Titel Und wir sind nicht gerettet (1963). Sowohl der ZOB als auch der ZZW lassen sich am ehesten als zionistische Organisationen bezeichnen, und die meisten ihrer Anführer und Kämpfer kamen aus zionistischen Jugendbewegungen.

  • Die Kämpfer hatten nur Ziegelsteine, Molotowcocktails und ein paar Pistolen, um ihren Aufstand zu starten.

Am 18. Januar 1943 fand die erste bewaffnete jüdische Widerstandshandlung im Ghetto durch eine organisierte Truppe statt. Es wird vermutet, dass diese erste Runde der Kämpfe von den jungen Zionisten mit Pistolen und improvisierten Sprengkörpern wie z.B. selbstgebauten Granaten geführt wurde. In vielen Berichten wird behauptet, dass die Widerstandskämpfer zum ersten Mal in der Lage waren, den von ihnen getöteten Nazis Gewehre abzunehmen. Unabhängig davon, ob dies stimmt oder nicht, ist bekannt, dass der ZZW in der Lage war, Maschinengewehre und andere Gewehre sowohl aus kriminellen Quellen als auch über Kontakte in der polnischen Widerstandsarmee (AK) zu erhalten.

  • Einige jüdische Widerstandskämpfer im Ghetto hielten andere jüdische Kämpfer fälschlicherweise für Faschisten.

Der ZOB wurde von Mitgliedern linksgerichteter zionistischer Jugendorganisationen organisiert und geführt und stand in Verbindung mit den Kibbuz-Bewegungen. Viele dieser Zionisten sahen in David Ben-Gurion den Führer der zionistischen Bewegung und betrachteten ihre rechtsgerichtete politische Opposition, die später von Menachem Begin angeführt und vom Gründer der Betar-Organisation, Ze’ev Jabotinsky (1880-1940), inspiriert wurde, als Faschisten. Dieser falsche Faschismusvorwurf ist mittlerweile fast 100 Jahre alt und konnte aufgrund mehrerer Umstände, unter anderem der paramilitärischen Ausbildung der Betar sowie der militärischen Kleidung und anderer militaristischer Merkmale, für politische Zwecke instrumentalisiert werden. Hinzu kommt, dass Jabotinskys Anhänger ihn mit einer Bewunderung und Wertschätzung verehrten, die es in der zionistischen Linken nicht gab. Schliesslich gab Jabotinskys Hinwendung zum Kapitalismus der jüdischen Linken einen weiteren Grund, ihn und seine Organisationen zu bekämpfen.

  • Der Aufstand wurde nie wirklich beendet.

In vielen Berichten über den Aufstand im Ghetto heisst es zwar, dass der Aufstand mit der Zerstörung des Hauptkommandobunkers des ZOB in der Mila 18 am 8. Mai 1943 endete, doch in Wahrheit haben die Widerstandskämpfer im Ghetto bis weit ins Jahr 1944 hinein weiter gegen die Nazis gekämpft. Diese Adresse wurde als Titel für den Roman von Leon Uris verwendet, der zwar unterhaltsam ist, aber weit von der wahren Geschichte abweicht. Im Jahr 1979 wurde Dan Kurzmans populäres Buch The Bravest Battle: Die 28 Tage des Aufstands im Warschauer Ghetto veröffentlicht, das in den Köpfen vieler Menschen verankert, dass der Aufstand insgesamt weniger als einen Monat dauerte. Die Kämpfer des Ghettos, die sich in anderen Bunkern unter den Trümmern versteckten, führten bis zum Beginn des Warschauer Aufstands im August 1944 sporadische bewaffnete Angriffe auf die Nazis durch. Insgesamt wurden Hunderte von Nazis von Ghettokämpfern getötet.

  • Die beiden grossen jüdischen Widerstandsgruppen einigten sich erst kurz vor dem Angriff auf die Nazis auf eine Strategie.

Es war nur wenige Stunden vor dem Pessach-Seder, und sowohl der ZZW als auch der ZOB wussten, dass es dringend notwendig war, dass sie sich darauf einigten, ihre Bemühungen zu koordinieren. Hitlers Geburtstag war der 20. April, und eine letzte Deportationsaktion sollte vor diesem Datum abgeschlossen werden.

Einen ausgewogeneren Blick auf die Geschichte des Aufstands im Warschauer Ghetto bietet das 2011 erschienene Buch “Flags Over the Warsaw Ghetto” von Moshe Arens, einem ehemaligen israelischen Verteidigungsminister, der in jungen Jahren ein leitender Betar-Anführer in den USA war. Sowohl dieses Buch als auch der Wdowinski-Band lassen einen inspiriert und ehrfürchtig zurück angesichts des Mutes der jungen Zionisten, die sich trotz aller Widrigkeiten für den Kampf gegen die Nazis entschieden.

Moshe Phillips ist ein Publizist und Kommentator auf dem Gebiet des Judentums. Er war US-Delegierter auf dem 38. Zionistischen Weltkongress 2020. Übersetzung Audiatur-Online.

5 Kommentare

  1. In einem bemerkenswerten Interview (1992) bezieht der mehrfach promovierte frühere Erzbischof von Paris, Kardinal Jean-Marie Aaron Lustiger (JML), Stellung zum Antisemitismus. Er sagte: Antisemitismus ist Gotteslästerung!

    Der charismatische, populäre Intellektuelle und Philosoph, Autor von zwei Dutzend Büchern, Gründer des Radiosenders „Notre-Dame“, wurde 1926 als Aaron Lustiger in Paris geboren. Seine jüdische Familie war 1919 aus Polnisch-Oberschlesien immigriert. Mit 14 Jahren trat der liberal Erzogene bewusst zum katholischen Glauben über und wurde 1940 als Jean.Marie getauft. Seine Mutter starb drei Jahre später in Auschwitz. Nach Theologie-Studium und Priesterweihe begann JML 1954 seinen Dienst als Pfarrer. Bereits 1979 wurde er Bischof in Orléans, 1981 Erzbischof von Paris und 1983 folgte die Kardinalswürde. JML galt als möglicher Nachfolger von Papst Johannes Paul II. Im August 2007 starb der Kardinal 80jährig an einem Krebsleiden.

    JML hat sich als Christ zeitlebens auch als Jude und Levit verstanden. Er war im besten Sinne ein messianischer Jude, der sich zu Jeshua als dem Messias des jüdischen Volkes und Heilands der Welt bekannte.

    Worin unterscheiden sich nationale und internationale Sozialisten in ihrem Verhältnis zu den Juden? Im Prinzip überhaupt nicht. Juden litten unter der Diktatur der Sozialisten in der Sowjetunion (zu der auch die Ukraine gehörte!) und sie litten besonders in der Zeit der 12jährigen Diktatur der nationalen Sozialisten.

    Die Sowjetunion gibt es nicht mehr und auch „Nazi“-Deutschland ist Vergangenheit. Dennoch ist erstaunlich, dass sich Deutschland aufgrund seiner Vergangenheit in seiner Staatsräson freiwillig für den Erhalt des jüdischen Staates einsetzt(e), trotzdem aber heute für die Teilung des kleinen ISRAEL (so klein wie Hessen!) und seiner 3000jähren Hauptstadt Jerusalem stark macht zusammen mit den meisten Staaten der „Weltgemeinschaft“ UNO. Ausnahmen bilden hier ausgerechnet kleine Südsee-Staaten!

    Das ist paradox! Aber Realität, die erklärbar ist mit der ganz allgemeinen Feindschaft der Menschen gegen GOTT, die sich u.a. darin ausdrückt, dass der Allmächtige als Schöpfer dieser Welt abgelehnt wird und dazu Seine wenigen Weisungen (Gebote), die allen Menschen gelten und ihnen ein gutes Leben verheißen, wenn sie sich denn daran halten. Die Ablehnung GOTTES und Seiner Weisungen geschieht auch durch die Amtskirche, die sich in vielen Dingen von gläubigen Christen unterscheidet. Das wurde zuletzt eindrucksvoll beim Kirchentag 2023 in Nürnberg deutlich, als u.a. der eingeladene Südafrikaner Quinton Caesar bei der Schlussandacht in Gegenwart des früheren Inneministers und amtieren Kirchentagspräsidenten de Maizière unter dem Beifall vieler Zuhörer behauptete: „Gott ist queer!“ Weder der anwesende bayerische Bischof Bedford-Strohm noch andere seiner Kollegen erhoben Widerspruch.

    Da man GOTT nicht sehen kann, vergreifen sich die Menschen an Seinem Volk ISRAEL, das ER ausdrücklich erwählt hat. Aber wozu? ISRAEL ist GOTTES Eigentum und Zeichen in dieser Welt – nicht etwa, dass es herrsche – sondern als Sein Diener, als Sein Werkzeug, damit die Welt an ISRAEL erkenne, dass GOTT ist!

    Als Moses in der Wüste am brennenden Dornbusch, den unsichtbaren GOTT zu erkennen begehrte und in wessen Namen er Seinen Auftrag, das Volk ISRAEL aus der Knechtschaft in Ägypten herauszuführen in die Freiheit, gibt GOTT sich ihm zu erkennen: „ICH BIN – ICH werde sein, der ICH sein werde“, der Ewige.

    Dieses majästetische „ICH BIN“ finden wir mehrfach im Johannes-Evangelium wieder, wo JESUS in königlicher Hoheit u.a. sagt: ICH BIN der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum VATER denn durch MICH.

    Hier haben wir den Zusammehang von Altem und Neuem Testament, das als WORT GOTTES eine Einheit bildet. Es fordert auf zu glauben und zu gehorchen und damit ein Zeugnis in dieser Welt zu sein. Das haben die gläubigen Christen verstanden, aber auch die immer größer werdende Zahl der messianischen Juden, also der Juden, die in Jeshua ihren angekündigten und gekommenen MESSIAS JESUS erkennen und Sein WORT angenommen haben und IHM im Vertrauen folgen.

  2. Historisch korrekt gab es zwei politisch Extreme in der Weimarer Zeit: die Sozialisten, die umgangssprachlich „Sozis“ genannt wurden und die Faschisten (der Begriff kam aus Italien) die erst in den späten 20ern von den Sozis „Nazis“ getauft wurden. Nochmals, die Polen, die Rumänen, die Ukrainer, die Litauer, die Letten beteiligten sich begeistert an dem Morden und waren keine Nazis, ja nicht einmal Faschisten. Die Holländer und Franzosen waren mehr am Raub als am Mord interessiert. Die rühmlichen Ausnahmen waren an erster Stelle Dänemark und danach Belgien. Nicht die „Nazis“ waren die Mörder und Helfer und Zuschauer, es waren die Deutschen.

  3. Natürlich, Sie haben recht. Der Antisemitismus der Deutschen waren tödlich, allerdings waren fast alle Nazis Mörder und Verbrecher; es waren fast alle Deutsche Mörder und Verbrecher.

  4. Diese Menschen waren Helden, jeder getötete Nazis war eine Heldentat. Um so mehr beunruhigt mich, dass in Deutschland wieder Kollaborateure und Faschisten zu “Freiheitskämpfern” umgedeutet werden. Ich frage mich, wann die ersten deutschen Nazis rehabilitiert werden

  5. Der Begriff „Nazis“ für die Mörder unseres Volkes ist irreführend. Leider haben wir, die Kinder und Enkel der Opfer, den Duktus der Täter übernommen. Und nicht nur wir sondern die ganze Welt. Nicht alle Täter waren „Nazis“, nicht alle „Nazis“ waren Täter. Die Erfinder des industriellen Genozids an den Juden waren Deutsche, manche davon Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei Deutschlands. Die Täter waren Deutsche die Helfer aus allen Teilen der Welt hatten, in manchen Ländern eifrigere als in anderen. Allesamt waren der Überzeugung daß wir Juden kein Lebensrecht hatten. Die Umschreibung „Nazis“ anstelle von „Deutsche“ führt dazu daß gefühlt irgendeine Gruppe von Aliens diese Schandtaten begangen hat, diese aber jetzt verschwunden sind und die Deutschen damit wenig zu tun haben.

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