Erste deutsche Gesamtausgabe der Texte von Nazi-Opfer Etty Hillesum

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Porträtfoto von Etty Hillesum um 1940. Foto Autor unbekannt, http://www.jhm.nl/Collectie/Zoeken/Detail?id=abc-media_jhm-foto_40005320, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46624829
Porträtfoto von Etty Hillesum um 1940. Foto Autor unbekannt, http://www.jhm.nl/Collectie/Zoeken/Detail?id=abc-media_jhm-foto_40005320, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=46624829
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m Münchner Verlag C.H.Beck erscheint am 16. März die erste Gesamtausgabe der Tagebücher und Briefe von Etty Hillesum (1914-1943) auf Deutsch. Die junge Niederländerin wurde von den Nationalsozialisten am 30. November 1943 mit ihrer ganzen Familie im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Die bisher veröffentlichten Auszüge aus ihren Aufzeichnungen wurden Weltbestseller. Die jüdische Zeitzeugin, Schriftstellerin und Denkerin werde zu Recht mit Anne Frank, Simone Weil und Edith Stein verglichen, so der Verlag.

Unter dem Eindruck einer Psychotherapie begann Hillesum neun Monate nach dem Einmarsch der Deutschen in die Niederlande mit ihren Tagebuchaufzeichnungen. „Sie wollte Ordnung in ihr Leben bringen, den Dingen auf den Grund gehen, Gott finden, aber auch Zeugin des Schicksals ihres Volkes werden. Inmitten des Schreckens berichtet sie von der Suche nach Einfachheit und Achtsamkeit und schließlich nach Licht in der ‚Hölle auf Erden'“, heißt es in der Verlagsankündigung.

Die junge Frau hatte ihr juristisches Examen mit Auszeichnung bestanden, studierte slawische Sprachen und Psychologie. Von ihren Eltern habe sie keinerlei Halt erlebt, schreibt sie. Der erste Eintrag fängt mit diesen Worten an: „Lebensangst auf der ganzen Linie. Völlige Niedergeschlagenheit. Abscheu. Angst“.

Sie beginnt zu meditieren, jeden Morgen eine halbe Stunde. Bald entdeckt sie: „In mir gibt es einen ganz tiefen Brunnen. Und darin ist Gott. Manchmal ist er für mich erreichbar. Aber oft liegen Steine und Geröll auf dem Brunnen, und dann ist Gott begraben. Dann muss er wieder ausgegraben werden.“

Seit Sommer 1942 arbeitet Etty Hillesum für den Amsterdamer „Judenrat“ im Durchgangslager Westerbork. Während der Terror mit jedem Tag wächst, findet sie zu spiritueller Kraft: „Ich ziehe das Gebet wie eine schützende Wand um mich hoch und trete dann wieder hinaus, gesammelter, stärker, wieder gefasst …“

Am 7. September 1943 wird sie nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Wenige Tage vor ihrem Abtransport notiert sie: „Ich weiß mit Sicherheit, dass es eine Kontinuität geben wird zwischen diesem Leben und dem Leben, das nun kommen wird.“

Etty Hillesum, „Ich will die Chronistin dieser Zeit werden. Sämtliche Tagebücher und Briefe 1941-1943“, Verlag C.H. Beck München 2023, 989 Seiten, 42 Euro. ISBN 978-3-406-79731-6

KNA/cri/baj/gbo