Schweiz: Zahl der erfassten antisemitischen Vorfälle hat auch 2022 zugenommen

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Foto Screenshot Antisemitismusbericht 2021, SIG / GRA
Foto Screenshot Antisemitismusbericht 2021, SIG / GRA
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In der Schweiz hat sich laut Erhebungen des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds SIG und der GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, seit Beginn der Coronapandemie vor drei Jahren eine „verschwörungsaffine Subkultur“ gebildet. Diese zeichne heute für einen Grossteil der antisemitischen Vorfälle Online verantwortlich, heisst es im Antisemitismusbericht.

Laut SIG verursache diese „Subkultur und ihre Telegramgruppen“ mittlerweile 75 Prozent aller antisemitischen Onlinevorfälle und sei damit hauptverantwortlich dafür, dass auch 2022 eine Steigerung bei den antisemitischen Vorfällen in der deutsch-, der italienisch- und der rätoromanischsprachigen Schweiz verzeichnet worden sei.

Im Vergleich zum Vorjahr wurde gemäss dem Bericht erneut eine Steigerung der Zahl antisemitischer Vorfälle in der realen Welt, ohne Onlinebereich, von 53 auf 57 registriert. Erstmals seit 2018 wurde der Meldestelle des SIG eine Tätlichkeit (+1) gemeldet. Die Zahl der Beschimpfungen (16) blieb genau gleich hoch wie 2021. Bei den öffentlich getätigten Aussagen (6, -1), den Schmierereien (9, +2) und den Zusendungen (26, +3) kam es nur zu kleineren Verschiebungen. Dazu kamen noch jeweils ein antisemitischer Auftritt (-2) und ein antisemitisches Plakat (+1). 2022 wurden keine Sachbeschädigungen gemeldet.

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Foto Screenshot Antisemitismusbericht 2022

Neu und bemerkenswert sei die Entwicklung bei den sogenannten «Triggern», die direkt oder indirekt antisemitische Vorfälle auslösen. 2022 wurden nach Angaben des SIG zwei langfristige Trigger «Corona» und «Ukrainekrieg» identifiziert. In der Regel seien solche mit diesen Triggern ausgelösten Vorfälle vor allem den Kategorien «Antisemitismus allgemein» und «antisemitische Verschwörungstheorien» zuzuordnen. So sei auch der Anteil der zeitgenössischen antisemitischen Verschwörungstheorien an den Onlinevorfällen im Jahr 2022 von 51 auf 57 Prozent weiter gestiegen. Diese Feststellungen seien klar auf die erwähnte „Subkultur und Telegram“ als Verbreitungskanal zurückzuführen.

Diese „staats- und gesellschaftsfeindliche sowie verschwörungsaffine Subkultur“ habe sich in der Schweiz, wie in anderen Ländern auch, seit Beginn der Coronapandemie gebildet. Der Anteil der Onlinevorfälle von 75 Prozent aus der Domäne dieser Subkultur und ihrer Telegramgruppen bedeute eine „massive Steigerung gegenüber dem Vorjahr“, als dieser Anteil noch bei 61 Prozent lag (2022: 640, 2021: 445), heisst es im Bericht.

SIG und GRA fordern staatliches Engagement und Handeln

Der Bund sollte laut SIG und GRA vermehrt die verschiedenen bestehenden „Beobachtungs- und Analyseinstrumente von NGOs und Verbänden“ unterstützen und hier endlich Mitverantwortung übernehmen. Weiter wird verlangt, dass der Bund „rechtlichen Mittel zur Erfassung und Beschränkung von Hassrede“ prüfe. Die Politik müsse ausserdem auf die Social-Media-Plattformen einwirken, die Verbreitung solcher Hassbotschaften zu unterbinden, insbesondere Telegram. Ganz generell brauche es eine nationale Strategie gegen Antisemitismus, die entsprechende Analyse-, Präventions- und Sanktionsinstrumente enthalte. Dazu gehöre auch das aktuell im Parlament behandelte Verbot von Nazisymbolen, das rasch umgesetzt werden müsse.

Ganzen Antisemitismusbericht (PDF) 2022 zum Download.