Das Baurecht ist in einem geordneten Staat meistens streng geregelt. Besonders in Deutschland, wo bekanntlich jedes Bundesland seinen Strafkatalog für illegale Bauten hat. Was in den Notzeiten nach dem 2. Weltkrieg oft geduldet wurde und daher heute teilweise bis zum Ableben der Bewohner erlaubt ist, wird nun streng geahndet: Wer heutzutage auch nur ein Kinderzimmer ohne Genehmigung anbaut, dem flattert ein Bußgeldbescheid ins Haus.
von Elisabeth Lahusen und Ulrich Sahm
Man sollte also meinen, dass deutsche Diplomaten im Ausland sich erst einmal nach den rechtlichen Gegebenheiten vor Ort erkundigen, bevor sie irgendwelche Bauten mit den Geldern deutscher Steuerzahler finanzieren, bzw. gegen deren Abriss protestieren.
Interessanterweise scheint die deutsche Vertretung in Ramallah sich aber zumindest für ihr eigenes Bewusstsein in einem besonderen Rechtsraum zu befinden. Dabei ist es gar nicht so schwierig, die Gegebenheiten vor Ort zu verstehen.
Im Rahmen der Oslo-Abkommen wurde das Westjordanland in drei nicht zusammenhängende Gebiete unterteilt, die neutral als Gebiet A, Gebiet B und Gebiet C bezeichnet wurden, weil man sich nicht auf eine Namensnennung einigen konnte. Etwa 90 % der drei Millionen Palästinenser im Westjordanland leben in A und B. Etwa 180.000-250.000 Palästinenser leben in der Zone C. Zu A gehören alle großen Städte, wie Ramallah, Nablus, Jenin, Tulkarem, Qalqilya, Bethlehem sowie das Gebiet von Jericho und 80% von Hebron.
Hier trägt die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) die volle Verantwortung für die innere Sicherheit (d. h. die Bekämpfung des Terrorismus), die öffentliche Ordnung (d. h. alle polizeilichen Aktivitäten, die nicht mit der inneren Sicherheit zusammenhängen) und alle zivilen Angelegenheiten. Mit anderen Worten, Bereich A wird ausschließlich von der PA kontrolliert. Zone B umfasst alle anderen palästinensischen, dicht besiedelten Gebiete im Westjordanland – rund 450 Städte, Dörfer, Flüchtlingslager und Weiler. In der Zone B kontrolliert die PA alle palästinensischen Fragen der öffentlichen Ordnung und der zivilen Angelegenheiten und Israel kontrolliert in Abstimmung mit der PA, Fragen der inneren Sicherheit.
Gebiet C ist definiert als das gesamte Territorium des Westjordanlandes, das nicht als Gebiete A oder B zugewiesen ist. Es umfasst alle jüdischen Siedlungen (etwa 450.000 Menschen, die in Dutzenden von Siedlungen leben), militärische Einrichtungen der israelischen Verteidigungskräfte (IDF), Gebiete von Sicherheitsbedeutung und andere nicht bewohnte Gebiete. In der Zone C kontrolliert Israel alle Fragen der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung sowie zivile Angelegenheiten, mit der Ausnahme, dass die PA alle zivilen Angelegenheiten für die Palästinenser kontrolliert, die in der Zone C leben, mit Ausnahme derjenigen, die mit der Verwaltung des Landes zusammenhängen.
Genehmigung der israelischen Behörden
Das bedeutet für den Hausbau, dass jeder Mensch und jede Organisation, egal ob israelisch, europäisch oder palästinensisch, der oder die im Gebiet C ein Gebäude errichten will, eine Genehmigung der israelischen Behörden einholen muss. Genau so, wie die PA bestimmt, wer in den großen palästinensischen Städten bauen darf.
Germany in Ramallah, nennt sich die deutsche Vertretung in den palästinensischen Autonomiegebieten. Denn Palästina als Staat gibt es bekanntlich noch nicht. Was allerdings die Deutschen nicht daran hindert, es zumindest schon einmal als Hashtag zu verkünden.
Man sollte meinen, dass Deutschland nur Leute zum diplomatischen Dienst zulässt, die fähig sind, eine Karte zu lesen, bzw. 3 Buchstaben des Alphabets zu unterscheiden. Aber die deutsche Vertretung in Ramallah retweetete am 12. August den Link zu einer bemerkenswerten Erklärung des deutschen EU-Diplomaten Sven Kühn von Burgsdorff, in der dieser sich darüber empörte, dass das Gebäude einer Kleinstschule für 17 Kinder sowie weitere Bauten in der Zone C von Abriss bedroht seien.
Was der Mann dabei zu erwähnen vergaß, ist die Tatsache, dass es sich um illegal errichtete Gebäude handelt. Und wer sich hinter den „Gebern“ versteckt, erfahren wir auch nicht:
„Ich bin heute hier zusammen mit meinen Kollegen aus der Europäischen Union und anderen gleichgesinnten Ländern, um Israel aufzufordern, nicht nur den Abriss der Ein Samiya School zu stoppen, sondern auch alle Abrisse, Vertreibungen und Beschlagnahmungen auf besetztem palästinensischem Land, einschließlich von Gebern finanzierter Projekte.“
Die Förderung von Billig- Bauten in Masafer Yatta, Ein Samiya und anderen Orten der Area C, also in dem Teil des Westjordanlandes, das unter israelischer Verwaltung steht, scheint ein besonderes Herzensanliegen deutscher Diplomaten zu sein. Jedenfalls wird es von ihnen auf Twitter auffallend häufig erwähnt. Die Dinger werden buchstäblich in den Sand gesetzt und anschließend wird regelmäßig beklagt, dass diese von wohlmeinenden Europäern meist ohne Frischwasserzufuhr, Abwasserregelung und Stromversorgung wild und illegal in die Landschaft gepflanzten Gebäude gemäß der Gesetzeslage regelmäßig von den Israelis abgerissen werden. Beim Lesen dieser Tweets beschlich uns der Gedanke, was wohl in Deutschland los wäre, wenn z.B. Dänemark für darbende Wohnungslose in Schleswig – Holstein irgendwo im Naturschutzgebiet Hohes Elbufer wild irgendwelche Blechcontainer aufstellen würde, ohne die zuständigen deutschen Behörden davon überhaupt vorher in Kenntnis zu setzen. Einfach nur, weil den Dänen die „armen Deutschen“ so leidtun.
Aber können die Palästinenser denn wirklich nur mit deutscher Hilfe bauen? Und wäre da nicht mehr möglich als billige Blechkästen der EU? Die Frage trieb uns um, also mieteten wir ein Auto und fuhren los. Und wir fanden zu unserem Erstaunen Villen, die wie kleine Schlösser in der Wüste thronen.
Palästinensische Bauarbeiter arbeiten zu Tausenden auch freiwillig in jeder jüdischen und arabischen Siedlung, sowie in allen Städten des israelischen Kernlandes. Warum nun Deutschlands Vertreter in der EU meint, von allen Gewerken ausgerechnet den palästinensischen Hausbau befördern zu müssen, bleibt genauso ein Mysterium, wie die Tatsache, dass Deutschland zwar auffallend viele Millionen Euro nach „Palästina“ transferiert, aber wenig Anstalten macht, den Weg dieser Gelder zu kontrollieren. Der Anblick palästinensischer Paläste und der dazugehörenden Traumautos lässt allerdings vermuten, dass zumindest einige Palästinenser sehr genau wissen, wo das Geld geblieben ist.
Deutsche, die Probleme mit dem geltenden Baurecht eines Landes haben, kann man indes auch im deutschen Kernland bewundern. Allerdings stehen sie nicht im diplomatischen Dienst, sondern sind eher der „rechtsextremem, antisemitischen und waffenaffinnen“ Szene zuzuordnen.
Am Mittwoch gab es während es Gottesdienstes zu Jom Kippur einen Anschlag (?) auf die Synagoge in Hannover. Das Fragezeichen deshalb, weil immer noch nicht klar ist, womit die Fensterscheibe zerstört wurde….
Und wie immer nach solchen Anschlägen war das Bedauern groß. Politiker und Vertreter aller Religionen ließen verkünden, dass man doch stark sei und gemeinsam gegen Antisemitismus vorgehen und fest an der Seite der jüdischen Gemeinde stehen wolle. Mir bleibt dabei nur noch bitterer Sarkasmus. In meinem Blog schrieb ich, dass ein eiserner, standfester Pfosten im Sicherheitszaun wohl allemal besser sei als das Bekenntnis, „fest an der Seite zu stehen“, ob nun an der Seite der jüdischen Gemeinde oder an der Seite Israels.
Elisabeth Lahusen und Ulrich Sahm beschreiben „nur“ eine weitere Besonderheit der typisch deutschen „Israelliebe“ oder „Staatsräson“ oder dem BEkenntnis, „fest an der Seite Israels zu stehen“…
Der Text ist großartig geschrieben, besser kann man den irrsinnigen Wahnsinn deutscher „Nahostexperten“ nicht beschreiben.
Und dieser Wahnsinn passt perfekt zu allen politischen Bekenntnissen der letzten 20 Jahre… großmäulig tränenreiche Beteuerungen in Yad Vaschem und Jerusalem abliefern und das Gegenteil von dem tun…. siehe die Kungelei mit dem Iran.
Es macht mich ohnmächtig und müde – angesichts des schon jahrelang währenden Kampfes gegen die deutschen (antisemitischen) Ignoranten und Gutmenschen.
Sven Kühn von Burgsdorff trieft bekanntermaßen vor Verständnis für palästinensische Terrororganisationen. Insofern sind dies für ihn „normale“ Tätigkeiten.
Solange solche Gestalten befugt sind als Vertreter Deutschlands und der EU zu agieren, muss sich Berlin vorhalten lassen, praktizierende Judenhasser organisatorisch und finanziell zu unterstützen. Und dies entgegen aller anderslautenden Behauptungen.
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