Forschung soll Aufschluss geben über die Schlacht um den Zweiten Tempel

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Kfir Arbiv, Grabungsleiter der Israelischen Altertumsbehörde, reinigt einen 2000 Jahre alten Ballistenstein an der Ausgrabungsstätte Russian Compound in Jerusalem. Foto Yoli Schwartz/ Israelische Altertumsbehörde
Kfir Arbiv, Grabungsleiter der Israelischen Altertumsbehörde, reinigt einen 2000 Jahre alten Ballistenstein an der Ausgrabungsstätte Russian Compound in Jerusalem. Foto Yoli Schwartz/ Israelische Altertumsbehörde
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Ein computergestütztes Forschungsprojekt der israelischen Antikenbehörde soll neue Einsichten in den Angriff der Römer auf Jerusalem bringen, die im Jahr 70 nach Christus nach einer viermonatigen Belagerung der Stadt und intensiven Kämpfen zur Zerstörung des Zweiten Tempels führte.

Unter anderem zeige sich erstmals, an welchen Stellen die römische Armee wahrscheinlich in die Stadt eingedrungen sei, so die Behörde, die die Erkenntnisse am Sonntag vorstellte, dem neunten Tag des jüdischen Monats Av, an dem Juden beim Fast- und Trauertag Tischa beAv der Zerstörung der Tempel gedenken.

Laut Behörde erfasste und kategorisierte der Archäologe Kfir Arbiv systematisch die bei Ausgrabungen in Jerusalem gefundene römische Militärausrüstung, darunter hunderte Stücke unterschiedlicher Munition für römische Wurfmaschinen (Ballisten). Anschliessend lokalisierte der Forscher die Munition an ihren Fundorten, um unter Berücksichtigung der lokalen Topographie und der Lage der Stadtmauern der Zeit ballistische Berechnungen vorzunehmen. Diese verglich er schliesslich mit den Beschreibungen des jüdischen Schriftstellers Flavius Josephus.

Grosse Katapultpfeilspitzen, die bei der römischen Eroberung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. von Ballisten abgefeuert wurden, gefunden bei den Ausgrabungen auf dem russischen Gelände. Foto Kfir Arbiv/Israelische Altertumsbehörde

Die Forschungen zeigten, dass einige der Ballisten im Westen der Stadt nahe der heutigen Fussgängerzone gestanden hätten. Eine aussergewöhnlich hohe Konzentration an Munition wurde demnach bei Ausgrabungen an der sogenannten russischen Anlage in der Westjerusalemer Innenstadt gefunden, bei der auch ein Teil der dritten Mauer freigelegt wurden.

Dies decke sich mit dem Bericht von Josephus, wonach der römische Feldherr und spätere Kaiser Titus (39-81) befahl, von der nordwestlichen Seite der Stadtmauer in die Stadt einzudringen, so Arbiv. “Wer diese Stelle kontrolliert, beherrscht das gesamte Gebiet und das Schicksal der Stadt.”

Josephus wurde um 38 n. Chr. als Sohn einer Priesterfamilie geboren und war ein führender jüdischer Feldherr während des jüdischen Aufstands, bis er 67 n. Chr. von den Römern gefangen genommen wurde. In Ketten nach Rom verschleppt, gewann Josephus schliesslich seine Freiheit durch eine “Prophezeiung”, dass Vespasian Kaiser werden würde. Neu loyal zu Rom, kehrte Josephus mit Vespasians Sohn Titus zur Eroberung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. zurück, angeblich um als Vermittler zu fungieren. Von beiden Seiten geschmäht, gelang es Josephus nicht, die Flammen des Krieges einzudämmen, und er kehrte schliesslich nach Rom zurück, wo er seine Geschichtswerke verfasste.

Der Direktor der israelischen Altertumsbehörde, Eli Eskosido, erklärte gegenüber den Medien: “Die physischen Beweise für die enormen Ressourcen, die von der römischen Armee in Jerusalem eingesetzt wurden, zeigen die extrem harten Kämpfe, die schliesslich zur Zerstörung des Zweiten Tempels führten. Ungeachtet der internen Streitigkeiten und der unmöglichen Chancen hielt eine kleine Gruppe jüdischer Verteidiger den Römern einige Monate lang stand, bis die Stadt auf tragische Weise zerstört wurde. Durch den Einsatz modernster Forschungsmethoden wird immer mehr über die faszinierende Geschichte Jerusalems enthüllt.”

KNA/akr/jps/Aud