Kleiner und älter: Die Zahl der Mitglieder jüdischer Gemeinden in Deutschland ist erneut gesunken. Ende 2021 waren es 91.839 Jüdinnen und Juden, im Jahr davor 93.695, wie die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) in Frankfurt mitteilte. Das ist ein stetiger Rückgang nach einem Höchststand 2006 mit 107.794 Menschen.
von Leticia Witte
Ende vergangenen Jahres gab es mit 48.992 Frauen mehr weibliche Mitglieder. Die meisten Jüdinnen und Juden (15.391) waren zwischen 71 und 80 Jahren alt. Bei den älteren Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren lag die Mitgliederzahl bei 3.726. Bei den 22- bis 30-Jährigen stiegen die Zahlen deutlich: Sie waren mit 6.510 Menschen vertreten, bei den 31- bis 40-Jährigen waren es bereits 9.279.
Den Zugängen von 1.352 Jüdinnen und Juden standen 3.208 Abgänge gegenüber. Bei den Zugängen kamen beispielsweise aus dem Ausland 291 Menschen. Es gab 203 Geburten und 43 Übertritte. Die Mehrheit der Abgänge lag in der Anzahl der Todesfälle (1.759) begründet. Ansonsten gab es beispielsweise 337 Austritte – das ist die niedrigste Zahl seit dem Mitgliederrekordjahr 2006. Die Zahl der Auswanderungen wird mit 208 angegeben.
Von den Gemeinden und Landesverbänden hatte der Verband Nordrhein mit 15.307 die meisten Mitglieder. Die wenigsten Frauen und Männer (590) waren Mitglieder im Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein. Bei den Gemeinden lag München mit 9.177 Mitgliedern vor Berlin mit 8.378.
Die Einwanderung von Jüdinnen und Juden im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion beziehungsweise deren Auflösung ist der Grund für den rasanten Anstieg der Mitgliederzahlen: Hatten die Gemeinden im Jahr der deutsche Einheit 1990 lediglich 29.089 Mitglieder, stieg deren Zahl kontinuierlich an bis 2006 mit 107.794 Menschen.
Am 11. Juli 1990 beschloss der Ministerrat der DDR, dass Juden aus der Sowjetunion die Einreise und der ständige Aufenthalt gewährt würden. Im wiedervereinigten Deutschland verabschiedeten dann am 9. Januar 1991 die Ministerpräsidenten eine Aufnahmeregelung. Die rund 220.000 Juden, die seitdem nach Deutschland kamen, veränderten das jüdische Leben hierzulande stark: Durch ihren Zuzug wurden in manchen Städten erst jüdische Gemeinden gegründet. Ab 2005 galt das neue Zuwanderungsgesetz, bis dahin hatten jüdische Zuwanderer einen Status als sogenannte Kontingentflüchtlinge.
In einem kürzlich vorgelegten ZWST-Bericht heisst es, dass eine Trendwende bei den Zahlen heute nicht in Sicht sei. Man könne vielleicht denken, „die politische Lage dieser Tage würde sich auch auf die Gemeinden auswirken“, schreibt der Autor Chajm Guski. So seien unter den Geflüchteten aus der Ukraine auch Jüdinnen und Juden. Insgesamt 0,13 Prozent der Menschen in der Ukraine seien jüdisch. „Wenn wir diese Zahl auf die Flüchtenden hochrechnen, wären das etwa 1.000 Menschen bisher im Jahr 2022. Aber diese Menschen benötigen zunächst unsere Hilfe und werden sich in erster Linie nicht für eine Gemeindemitgliedschaft interessieren.“
KNA/lwi/joh