Vor 100 Jahren wurde der Musiker Georg Kreisler geboren

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Georg Kreisler, Lesung im Rahmen der MotzArt-Woche in der ARGEkultur Salzburg, 2011. Foto: imago/Manfred Siebinger
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Mit einem charmanten Lächeln streute er Salz in die Wunden der Gesellschaft: Missstände sezierte der Künstler Georg Kreisler mit spitzem Witz. Vor 100 Jahren wurde der scharfzüngige Musiker in Wien geboren.

von Silke Uertz (KNA)

„Schau, die Sonne ist warm, und die Lüfte sind lau, geh’n wir Taubenvergiften im Park!“: Lange durfte das bekannteste Lied des Mannes am Klavier mit der grossen Brille im Radio nicht gespielt werden. Zu kurz lag die NS-Zeit zurück, Georg Kreislers Anspielung auf den Holocaust im heiter-beschwingten Dreivierteltakt des „Frühlingslieds“ von 1956 irritierte. Der Wiener Jude mit amerikanischem Pass hielt dennoch an seiner humanistischen Haltung fest – während seines Exils in den USA wie in Europa, in Büchern, zwei Opern und rund 700 Liedern. Sie brachten dem wortwitzigen Mimik- und musikalischen Multitalent große Erfolge; manche Platten wurden mehr als 100.000 Mal verkauft.

Seinem Schmäh und Biss entkam nichts und niemand, mit spitzem Witz vermählte er schwarzen Humor mit Gesellschaftskritik. In „Meine Freiheit muss noch lang nicht deine Freiheit sein. Meine Freiheit: Ja! Deine Freiheit: Nein!“ prangerte er 1983 den Kapitalismus an. Den Alltags-Antisemitismus beschrieb er 1997 mit „Ich mag jeden mit Liebe im Blut/Nur kein Jud'“.

Ignoranz wie Ideologien waren dem Satiriker – wie viele seiner Zunft ein enttäuschter Moralist – ein Dorn im Auge. Damit reihte er sich wie Thomas Bernhard, Peter Handke und Elfriede Jelinek in die Riege der österreichischen „Nestbeschmutzer“.

Geboren wurde er am 18. Juli 1922 in eine nach eigener Aussage „sehr unfromme“ jüdischen Familie. Nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 emigrierte sie nach Hollywood. 1943 erhielt Kreisler die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und wurde als Soldat nach England geschickt. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg begegnete er als Übersetzer in Deutschland festgenommenen Nazi-Grössen wie Hermann Göring, Julius Streicher und Ernst Kaltenbrunner.

Zurück in den USA arbeitete er in Hollywood mit Charlie Chaplin. Davon abgesehen lief es für Kreisler, der als Kind Klavier, Geige und Musiktheorie gelernt hatte, nicht rund, eine Karriere lag in weiter Ferne. Zwar konnte er mit englischsprachigen Liedern auftreten, aber einige seiner Platten durften nicht erscheinen. Zu düster und makaber klangen für die amerikanische Gesellschaft Titel wie „Please Shoot Your Husband“ („Erschiessen Sie bitte ihren Mann“). 1956 übersiedelte er nach Wien und wirkte unter anderem mit Gerhard Bronner und Helmut Qualtinger.

Die Zusammenarbeit mit den grossen Kabarettisten währte nur kurz: Künstlerisch wie privat rastlos zog er nach München, wo er mit seiner damaligen Ehefrau Topsy Küppers Chanson-Abende veranstaltete. Es folgten Wien, dann Berlin, wo er mit Barbara Peters, die er später heiratete, auf den Kabarettbühnen der „Wühlmäuse“ und der „Stachelschweine“ auftrat. Danach Stationen nahe Salzburg und Basel. 2007 liessen sie sich endgültig wieder an der Salzach nieder. Dort starb Kreisler mit 89 am 22. November 2011 an einer schweren Infektion.

2010 hatte er seine letzte Auszeichnung erhalten – den Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg. Zuvor hatte er schon viele Ehrungen eingeheimst, zum Beispiel 2003 den Prix Pantheon und 2004 den Bayerischen Kabarettpreis. Dabei wollte er nie Kabarettist genannt werden: „Ich bin ein Schriftsteller, der auch komponiert und der auch gelegentlich auf die Bühne geht und auch Regie führt, was immer sich ergibt“, sagte er 2007 in einem Interview.

Auch als Österreicher empfand er sich nicht. Die Republik habe nach Kriegsende Nazi-Kollaborateuren die Staatsbürgerschaft verliehen, nicht aber Exilanten wie ihm. Daher verbat sich der selbsterklärte Anarchist in einem offenen Brief an Staatsrepräsentanten die „Heuchelei“ von Geburtstagswünschen.

Gespalten war ebenso sein Verhältnis zu seiner Heimatstadt. Ihr widmete er raunzige „Everblacks“ wie „Wie schön wäre Wien ohne Wiener“ oder „Der Tod, das muss ein Wiener sein“. Zum Judentum hatte er sich dagegen immer bekannt, „aber mehr nicht“. Jedoch: „Ich kann mir keinen Künstler vorstellen, der nicht gottesgläubig ist.“ Und in „Bundeskanzler Irgendwer“ von 1981 resümierte er: „Jeder hält an seinem Glauben fest, aus Güte oder Trotz oder Protest.“

KNA/mit/aps/pko/jps