Langjähriger Moskauer Oberrabbiner Goldschmidt tritt zurück

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Pinchas Goldschmidt (* 21. Juli 1963 in Zürich) ist Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz. Foto IMAGO / tagesspiegel
Pinchas Goldschmidt (* 21. Juli 1963 in Zürich) ist Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz. Foto IMAGO / tagesspiegel
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Der Moskauer Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt ist nach fast 30 Jahren als Leiter des Rabbinats der russischen Hauptstadt zurückgetreten. “Meine Arbeit in Russland als Oberrabbiner von Moskau ist nun beendet”, zitierte Moskaus jüdische Gemeinde den 58-Jährigen gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Nowosti (Donnerstag). Demnach schrieb Goldschmidt, der sich derzeit in Israel aufhält, in seiner Abschiedserklärung an die Gemeindemitglieder: “Ich wünsche Ihnen allen das Allerbeste und werde mit Ihnen in Kontakt bleiben, um jedem von Ihnen zu helfen und zu ihn unterstützen.”

Wer neuer Moskauer Oberrabbiner wird, ist noch unklar. Goldschmidt hatte das Amt seit 1993 inne. Er bleibt weiter Präsident der orthodox geprägten Konferenz Europäischer Rabbiner (CER), die als Dachorganisation nach eigenen Angaben rund 1.000 Rabbiner vertritt. Die CER bestätigte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), dass Goldschmidt nicht mehr sein Amt als Oberrabbiner von Moskau ausüben wird.

Laut russischen Medienberichten entschieden sich die jüdische Gemeinde und Goldschmidt einvernehmlich, ihren auslaufenden Vertrag doch nicht zu verlängern. Erst Anfang Juni war er als Oberrabbiner wiedergewählt worden. Im März hatte er kurz nach Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine Russland verlassen.

Damaligen Berichten anlässlich der Wiederwahl zufolge waren viele Rabbiner und andere jüdische Vertreter in Versuche eingebunden, die dortige jüdische Gemeinschaft dazu zu bringen, einen anderen Rabbiner als Goldschmidt zum Oberrabbiner von Moskau zu wählen. Dagegen hätten sich jedoch israelische Rabbiner – darunter die beiden Oberrabbiner – erfolgreich gewandt, so die “Jerusalem Post” seinerzeit.

Goldschmidts familiäres Umfeld verwies Anfang Juni in Sozialen Medien mit Blick auf seinen Aufenthalt in Israel auf Sicherheitsgründe und sprach von “Exil”. Er und seine Ehefrau seien von russischen Behörden unter Druck gesetzt worden, die “Spezialoperation” in der Ukraine öffentlich zu unterstützen. Dies hätten sie jedoch abgelehnt, hieß es. Goldschmidt hatte Russlands Krieg gegen die Ukraine in der Vergangenheit unter anderem als “Katastrophe” bezeichnet.

Goldschmidt wurde am 21. Juli 1963 in Zürich geboren. Er studierte in Israel und den USA und erhielt 1987 in Jerusalem sein Rabbinerdiplom. 1989 zog er in die damalige Sowjetunion und spielte bald eine zentrale Rolle in der dortigen jüdischen Gemeinschaft. Immer wieder engagiert er sich als Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz für die Sicherheit von Juden in Europa sowie Religionsfreiheit, auch um jüdisches Leben auf dem Kontinent zu erhalten.

Er selbst hat mehrere Verwandte in der Schoah verloren. Am weltweiten Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus 2021 erinnerte er beispielsweise an seine ungarischen Urgroßeltern Jacob und Mariam Schwartz, die die Nationalsozialisten 1944 im Lager Auschwitz-Birkenau ermordet hatten.

Goldschmidt ist nicht der einzige Religionsvertreter, der Russland verlassen hat: Der Erzbischof der evangelisch-lutherischen Kirche Russlands, Dietrich Brauer, ist auf staatlichen Druck hin ins Ausland geflohen. Er lebt seither in Deutschland.

KNA/mit/lwi/sky

1 Kommentar

  1. Die “Argumente”, die man gegen Russland anwendet, könnte man auch auf Israel anwenden.

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