Faulhaber-Tagebücher über Nazizeit jetzt komplett online

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Foto Studio Wilhelm Knarr - Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael Kardinal von Faulhaber (1911–1952), Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=113102554
Foto Studio Wilhelm Knarr - Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael Kardinal von Faulhaber (1911–1952), Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=113102554
Lesezeit: 2 Minuten

Seit Dienstag können alle Jahrgänge der Tagebücher des Münchner Kardinals Michael Faulhaber (1869-1952) während der Nazizeit online gelesen werden. Auf dem von Wissenschaftlern betriebenen Portal www.faulhaber-edition.de wurden die Einträge der Jahre 1942 bis 1944 freigeschaltet. 

Es ist die Zeit, in der der Bombenkrieg München erreicht, während immer mehr jüdische Bürgerinnen und Bürger ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert werden. Die Notizen geben Aufschluss, wie Faulhaber über die sich abzeichnende deutsche Niederlage denkt und wie er zum Widerstand gegen Hitler steht, der in das Attentat vom 20. Juli 1944 mündet.

Der Bitte eines Diplomaten, der Kardinal solle „gegen die furchtbaren Judenmorde öffentlich auftreten“, entspricht er nicht. Auf die Frage verzweifelter Angehöriger deportierter Juden, ob denn gar nichts zu machen sei, antwortet er: „Leider nicht“. Das missglückte Attentat der Wehrmachts-Offiziere rund um Claus Schenk Graf von Stauffenberg auf den „Führer“ nennt Faulhaber ein „ruchloses Verbrechen“.

Einen Monat später wird der Erzbischof mehrere Stunden von der Gestapo vernommen. Noch am selben Tag fertigt er dazu eine längere Protokollnotiz an. Faulhaber wird verdächtigt, Verbindungen zu den Verschwörern des 20. Juli gehabt zu haben. Der Kardinal weist den Vorwurf als ehrenrührig zurück. Allerdings muss er einräumen, dass ihn ein Widerständler, Carl Friedrich Goerdeler, wenigstens einmal besucht hat. Nachfragen zum Inhalt der Unterredung beantwortet Faulhauber nur ausweichend. 

Ein Tagebucheintrag vom 16. Mai 1942 sowie ein von den Forschern als „kryptisch“ eingestuftes, also in seiner Bedeutung schwer zu entzifferndes Gesprächsprotokoll vom 15. Oktober 1942 zeigen ausserdem, dass eine andere Widerstandsgruppe, der Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke, den Kontakt zu Faulhaber gesucht hat. 

Die kritische Edition der Faulhaber-Tagebücher ist ein 2015 begonnenes interdisziplinäres Langzeit-Projekt von Historikern, Theologen und Informatikern. Die Federführung liegt beim Münchner Institut für Zeitgeschichte und dem Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster. 

Zu den besonderen Herausforderungen für die Forscher zählt, dass Faulhaber die Gabelsberger-Kurzschrift verwendete, eine Form der Stenographie, die heute nur noch wenige beherrschen. Die Tagebücher erstrecken sich ab 1911 auf 42 Jahrgänge. Allein dieser Umfang gilt für eine solche Quelle als aussergewöhnlich. Bisher sind in der Datenbank 6.962 Dokumente durchsuchbar.

KNA/cri/bel/cas