Der Eckstein der islamischen Ersatztheologie

Der Felsen auf dem Tempelberg ist die perfekte Metapher für die Auslöschung der Geschichte durch die Palästinenser und die Verweigerung der Rechte von Juden und Christen.

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Blick auf den Tempelberg und Jerusalem bei Sonnenuntergang, vom Ölberg aus gesehen. 23. Mai 2017 Foto Adi Gefen/TPS
Blick auf den Tempelberg und Jerusalem bei Sonnenuntergang, vom Ölberg aus gesehen. 23. Mai 2017 Foto Adi Gefen/TPS
Lesezeit: 4 Minuten

Wenn Palästinenser an der drittheiligsten Stätte des Islams, der Al-Aqsa-Moschee, Steine anhäufen und sie als Waffen benutzen, um Israelis anzugreifen, liefern sie uns eine sehr treffende Metapher. Denn letztlich läuft der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern im Besonderen und dem Islam im Allgemeinen auf einen Felsen hinaus.

von Jonathan Feldstein

Wenn man an Jerusalem denkt, ist eines der markantesten Bilder, die einem in den Sinn kommen, das riesige Gebäude mit der goldenen Kuppel in der Mitte des Tempelbergs – der Felsendom. Aus architektonischer Sicht ist er ein beeindruckendes Bauwerk, aber er repräsentiert nicht das, was Jerusalem ist oder sein sollte. Er ist Teil einer Landschaft, die die Geschichte falsch wiedergibt.

Der Felsendom ist um einen massiven Felsen herum gebaut, der zu gross ist, als dass ihn jemand als Requisite dorthin hätte transportieren können – schon gar nicht im siebten Jahrhundert nach Christus, als das Bauwerk errichtet wurde. Auf Bildern ist das leicht zu erkennen, aber ich weiss es aus erster Hand, denn ich war tatsächlich im Inneren der Kuppel. Das würde ich heute nicht mehr tun, denn als orthodoxer Jude weiss ich um die Heiligkeit des Ortes, an dem die Tempel standen. Aber in den 1980er Jahren war es für jüdische Touristen – und vermutlich auch für andere – kein Problem, den gesamten Tempelberg zu besuchen, unsere Schuhe auszuziehen und den Felsendom zu betreten.

Warum ist es so wichtig, dass ich tatsächlich in dem Bauwerk gewesen bin? Weil irgendwann in den frühen 1980er Jahren Juden, Christen und anderen Nicht-Muslimen der Zutritt zu dieser Stätte untersagt wurde. Früher konnten Nicht-Muslime die heiligste Stätte des Judentums frei betreten, ohne dass man sie anschrie und ihnen Gewalt androhte; auch brauchten sie keine Militäreskorte. Einst konnten Juden die Stätte betreten, ohne dass der Vorsitzende der Palästinensischen Autonomiebehörde behauptete, sie würden den Tempelberg mit ihren “schmutzigen Füssen” verunreinigen.

Nach der biblischen Überlieferung, die sich auf Genesis 22 stützt, ist der Felsen, um den der Dom gebaut ist, der Ort, an dem Abraham von Gott aufgefordert wurde, “deinen einzigen Sohn, den du liebst, Isaak”, herbeizubringen und “ihn dort als Opfer auf einem Berg zu opfern, den ich dir zeigen werde”. Juden und Christen verstehen dies als Abrahams höchsten Akt des Glaubens.

Aber genau hier weicht auch der Islam von der biblischen Tradition ab. Dem Islam zufolge wurde Abraham aufgefordert, Ismael als Opfer zu bringen. Wenn die wahre Bedeutung und Heiligkeit des Felsens ausser Acht gelassen und eine neue Tradition geschaffen werden kann, die der biblischen Erzählung und den historischen Fakten widerspricht, ist alles möglich. Leider wurde diese neue Tradition zum Eckpfeiler einer Form der Ersatztheologie, die sowohl das Judentum als auch das Christentum untergräbt. Heute ist es gang und gäbe, dass Palästinenser und andere Muslime jegliche jüdische – und damit christliche – Geschichte des Tempelbergs, Jerusalems und des Landes Israel im Allgemeinen leugnen. Warum eigentlich nicht? Wenn Abraham Isaak nicht dorthin gebracht hat, kann der Rest der Bibel nicht wahr sein, so dass jede neue Erzählung, die laut genug und lange genug gepredigt wird, die Realität ersetzen kann. Sie kann sogar dazu benutzt werden, Juden und Christen das Recht abzusprechen, sich irgendwo auf dem Berg aufzuhalten, obwohl dies der biblischen Referenz auf den Tempel zuwiderläuft, die die Stätte von vornherein als Gebetshaus für alle Völker heilig macht.

Die Palästinenser und andere Muslime machen nicht nur eine historische Kehrtwende gegenüber Genesis 22, sondern sie ignorieren auch vorsätzlich ihre eigene Geschichte. Im Jahr 1925 veröffentlichte der Oberste Muslimische Rat, der die muslimischen religiösen Stätten auf dem Berg kontrollierte, einen Reiseführer für die Stätte. Das war 23 Jahre vor der Wiedererlangung der Souveränität Israels, also bevor der Versuch, die jüdische Geschichte im Land Israel auszulöschen, die muslimische Fantasie beflügelte.

Im Reiseführer heisst es, dass “die Stätte eine der ältesten der Welt ist. Das Heiligtum stammt aus den frühesten (vielleicht aus prähistorischen) Zeiten. Seine Verbindung mit der Stätte des Salomonischen Tempels ist unbestritten” (Hervorhebung hinzugefügt). Die Muslime haben nicht nur eine biblische Geschichte bekräftigt, die sie jetzt ausgelöscht haben, sondern sie haben diesen Leitfaden speziell für Besucher – also Nicht-Muslime – des Tempelbergs veröffentlicht. Darüber hinaus ist es bemerkenswert, dass der Reiseführer unter der Autorität des damaligen Muftis von Jerusalem, Haj Amin al-Husseini, veröffentlicht wurde, einem berüchtigten Antisemiten, dessen Rufe zur Verteidigung der Al-Aqsa 1929 die arabischen Unruhen auslösten, bei denen Dutzende von Juden abgeschlachtet wurden. Später verbündete sich al-Husseini mit Hitler bei dem Versuch, alle Juden auszurotten, nicht nur die im Land Israel.

Damit soll auf keinen Fall gesagt werden, dass Muslimen der Zugang zu ihren heiligen Stätten und die Möglichkeit, dort zu beten, verwehrt werden sollte. Aber es ist ein Schlag ins Gesicht für jede rationale Lesart der Geschichte, anzunehmen, dass Juden und Christen keine Verbindung zum Tempelberg und zu Jerusalem im Allgemeinen haben. Unsere blosse Anwesenheit dort ist keine Bedrohung für irgend etwas oder irgend jemand.

Jonathan Feldstein ist in den USA geboren und aufgewachsen und 2004 nach Israel emigriert. Er ist verheiratet und Vater von sechs Kindern. Er ist Präsident der Stiftung Genesis 123, die Brücken zwischen Juden und Christen und zwischen Christen und Israel baut. Er schreibt und berichtet regelmässig in einer Reihe von christlichen Medien über seine Erfahrungen als orthodoxer Jude in Israel. Übersetzung Audiatur-Online.