Die Anekdote vergisst man nicht so schnell: Der berühmte Philosoph Moses Mendelssohn (1729-1786) soll seiner zukünftigen Frau – als sie sich bei der ersten Begegnung nach einem Blick auf seinen Buckel entsetzt von ihm abwandte – erzählt haben, ihm sei bei seiner Geburt angekündigt worden, dass seine spätere Frau einen Buckel zu tragen habe. Daraufhin habe er Gott gebeten, dass er ihr dieses Schicksal abnehmen dürfe. Von nun an waren sie unzertrennlich.
von Nina Schmedding
Wahr ist diese Kennlerngeschichte vermutlich nicht – auch wenn die Forschung davon ausgeht, dass Moses und seine Frau Fromet aus Liebe geheiratet haben und ihre Zuneigung sehr gross gewesen sein muss. Dennoch ist die Erzählung Symbol für den Charakter Mendelssohns, seinen Scharfsinn und Witz sowie seine Fähigkeit, Widerstände zu überwinden.
Das Jüdische Museum Berlin widmet dem genialen Wissenschaftler ab Donnerstag unter dem Titel „‚Wir träumten von nichts als Aufklärung‘ – Moses Mendelssohn“ eine Ausstellung. Dabei geht es vor allem um die „aussergewöhnliche Persönlichkeit Mendelssohns, so Kurator Thomas Lackmann am Mittwoch bei der Vorstellung. Er sei ein „Verwandler von Niederlagen“ gewesen.
Das Berlin des 18. Jahrhunderts „war ein Ort, an dem sich unterschiedliche jüdische und nichtjüdische Sichtweisen begegneten und sich eine jüdische Moderne entwickelte, die nahezu ganz Europa beeinflusste“, betonte Museumsdirektorin Hetty Berg. Für Mendelssohn sei es selbstverständlich gewesen, dass „verschiedene Menschen verschiedene Weltsichten vertreten“, sie aber trotzdem als vernunftbegabte Wesen miteinander leben könnten.
Damit habe Mendelssohn „das vorbereitet, was wir heute kritisches Bewusstsein nennen“, so Berg. Seine Ideen von der Gleichberechtigung der Religionen, Toleranz und einer pluralen Gesellschaft wirkten bis heute. Die Schau zeige ihn als „Vordenker“ der Moderne.
Auf 900 Quadratmetern werden etwa 350 Objekte rund um Mendelssohn und seine Zeit präsentiert, darunter ein Toravorhang aus dem Besitz Mendelssohns sowie zahlreiche Schriften und Porträts von ihm, der bereits zu Lebzeiten verehrt wurde – bis zu Albert Einstein im 20. Jahrhundert wird kein Jude so oft verewigt wie er. Hörstationen und Szenen aus Papier, die Anekdoten aus seinem Leben abbilden, sollen zu einer „sinnlichen Erfahrung“ beitragen. Entsprechend erscheint parallel zur Schau die Graphic Novel „Moische. Sechs Anekdoten aus dem Leben des Moses Mendelssohn“ des niederländischen Künstlers Typex.
Auch die Diskriminierung von Juden im 18. Jahrhundert wird in der Ausstellung thematisiert. Ein Kapitel befasst sich mit der Beziehung von Preussenkönig Friedrich II. zu den Juden. „Wenn man die Geschichte der Juden anschaut, kann Friedrich nicht ‚der Grosse‘ genannt werden“, stellte Kuratorin Inka Bertz klar. Friedrich erliess viele Gesetze, die Juden benachteiligten und diskriminierten. So lehnte der Herrscher es etwa ab, Mendelssohn als Mitglied der Preussischen Akademie der Wissenschaften zuzulassen – obwohl er bereits 1763 den ersten Preis der Akademie gewonnen hatte.
Zentrales Element der Ausstellung ist ein Bild von Moritz Daniel Oppenheim von 1856, das eine Szene zwischen Mendelssohn, seinem Freund Gotthold Ephraim Lessing und Johann Caspar Lavater zeigt. Dieser beugt sich vor und zieht Mendelssohn am Ärmel, der zurückgelehnt, aber aufmerksam dasitzt. Lessing steht daneben und scheint die Stirn zu runzeln. Das Treffen fand so zwar nie statt, verbildlicht aber die Aufforderung des reformierten Pfarrers Lavater an Mendelssohn, sich vom Judentum loszusagen und sich taufen zu lassen – ein Anliegen, was Mendelssohn ablehnt. Seinen weiterhin freundschaftlichen Briefwechsel mit Lavater setzt er dennoch fort.
Aus bescheidenen Verhältnisse stammend, sei Mendelssohn ein „self-made-Intellektueller“ gewesen, betonte Kurator Lackmann. Angstfrei und im Dialog begabt, habe er vor allem „keine Scheu gehabt, zu zeigen, wenn er etwas nicht kapiert hatte“. Selbst für ihn, den berühmten Religionsphilosophen, blieben – nach eigener Aussage – manche biblischen Psalmen im Dunkeln. Mendelssohn könne so auf vielen Ebenen auch heute „Mutmacher“ sein.
Die Ausstellung läuft vom 14. April bis zum 11. September und ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Jüdisches Museum Berlin, Altbau 1. OG, Lindenstrasse 9–14, 10969 Berlin
KNA/nsc/kws/cas
Ein sehr sympathischer Beitrag !
Den buchstäblichen Ungereimtheiten stelle ich ein paar Reime an die Seite und frage zusätzlich, ob im Vermächtnis der Ausstellung Antworten auftauchen zum Mysterium der TRANSZENDENZ.
Vielleicht kommt zusätzlich Freude auf bei Bekanntgabe der Tatsache, dass sowohl LEBEN als auch das UNIVERSUM unter dem Terminus FEEWARE laufen (sollten!) ?
APPETIZER 12.4.22
(FREEWARE, Jürgen Friedrich)
Vorspeise
Hast du Transzendenz im Sack,
kommst du ziemlich schnell auf Zack.
TRANSZENDENZ – als Ist-Zustand –
ist wissenschaftlich unbekannt.
Unbekannt sind auch noch ohne Frage
Ursprung, Anlass, Ort und Lage,
wo der Urknall einst stattfand –
vielleicht sogar in Gottes Hand?
Logik sagt da auf die Schnelle,
Transzendenz ist Daseins-Quelle.
Hauptspeise
Aus TRANSZENDENZ quillt Zeit und Raum –
und auch jeder andere Traum.
Sogar der vom Paradies,
aus dem Gott den Mensch verstieß.
Diese Reim-Geist-Kur lässt sich steigern,
wenn wir nicht WIRKLICHKEIT verweigern.
Die Wirklichkeit, allein im HIER,
schließt auf zur Transzendenz die Tür.
Im H i e r offenbart Geist konsequent,
LEBENDIGES ist transzendent.
Zwischen-Speise
Solange wir lebendig sind,
solange sind wir Gottes Kind.
Menschen denken – total beschränkt –,
das Leben sei uns ja geschenkt,
doch dieser Irrtum wird verziehen,
wenn du einsiehst: ES IST GELIEHEN.
„Die Wissenschaft“ ist total blind
wie ein ungeborenes Kind,
weil sie einfach nicht versteht,
warum Zeit entsteht, bevor sie vergeht.
Nachspeise
Mit anderen Worten: Illusion
ist das Wesen von Religion.
Das Gefühl von Weihnachten
ist komplett, wenn wir’s ganzjährig achten . . .
GOTTES REICH
Der Jude Jesus spricht:
„Erkennt ihr Gottes Reich denn nicht?
Ob geträumt, erdacht oder erlebt – alles gleich,
die WIRKLICHKEIT ist Gottes Reich.
Vor Zukunft, nach Vergangenheit,
d a steckt die Quelle aller Zeit.
Den Sinn vom Sein erkennt sehr fein,
wer sich voll und ganz allein
lässt sich auf Gott persönlich ein.“
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