Schweizer Parlament befürwortet Memorial für die Opfer des Nationalsozialismus

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Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen. Foto IMAGO / Jürgen Ritter
Mahn- und Gedenkstätte Sachsenhausen. Foto IMAGO / Jürgen Ritter
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Vor einem Jahr wurden zwei parlamentarische Motionen eingereicht, die vom Bund die Schaffung einer nationalen Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus forderten. Nachdem am 1. März 2022 bereits die Motion von Nationalrat Alfred Heer einstimmig im Ständerat angenommen worden war, wurde heute mit der Annahme der Motion von Ständerat Daniel Jositsch im Nationalrat der parlamentarische Prozess erfolgreich abgeschlossen. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) begrüsst “diesen historisch wichtigen Schritt” in einer Mitteilung.

In der Schweiz gibt es rund sechzig Orte, die auf private Initiative hin entstanden sind, die an die Schoah und an die nationalsozialistischen Verbrechen und deren Opfer erinnern. Tausende Schutzsuchende sind während des Zweiten Weltkriegs an der Schweizer Grenze zurückgewiesen worden, weil das Boot angeblich voll war. Etliche wurden ausgeschafft. Und es gab auch Schweizer Opfer des Nationalsozialismus. Sie wurden verfolgt, interniert und deportiert. Es gab aber auch mutige Schweizerinnen und Schweizer wie zum Beispiel Paul Grüninger oder das Ehepaar Carl und Gertrud Lutz-Fankhauser, die unter Inkaufnahme persönlicher Risiken Spielräume zugunsten jüdischer Flüchtlinge nutzten. Sie sind damit bis heute und in Zukunft Vorbild in Sachen Zivilcourage. Eine nationale und offizielle Gedenkstätte für die Opfer und die Helferinnen und Helfer fehlt jedoch. Mit dem positiven Entscheid des Parlaments wird nun diese Lücke geschlossen. In seiner Stellungnahme zu den parlamentarischen Motionen hatte der Bundesrat ebenfalls festgehalten, dass er der Schaffung eines solchen Gedenkortes positiv gegenüberstehe.

Erinnern – Vermitteln – Vernetzen

Bereits im Mai 2021 wurde dem Bundesrat ein ausgearbeitetes Konzept für ein solches Memorial übergeben. Erarbeitet wurde es von einer Projektgruppe, die auf Initiative der Auslandschweizerorganisation ASO gegründet wurde. An der Konzeption beteiligten sich neben dem SIG, die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft cja, das Archiv für Zeitgeschichte AfZ an der ETH Zürich und das Zentrum für Jüdische Studien der Universität Basel. Das Konzept sieht drei Leitthemen vor: «erinnern – vermitteln – vernetzen». Als Gedenkort im öffentlichen Raum soll das Memorial den Opfern gewidmet sein, so die Intianten. Als Vermittlungsort soll es Informationen zur nationalsozialistischen Verfolgung und deren Herausforderungen für die demokratische Schweiz bereitstellen. Schliesslich soll das Memorial einen virtuellen Vernetzungsort bilden mit einer Opferdatenbank und Verknüpfungen zu bestehenden Gedenkorten und Bildungsangeboten.

Organisationen reichten das Konzept für eine Holocaust-Gedenkstätte am  25.05.2021 ein. Foto Screenshot SRF Tagesschau.

SIG von der Notwendigkeit des Memorials überzeugt

“Der SIG hat das Projekt seit Beginn mitgetragen und ist von seiner Notwendigkeit überzeugt”, so der Schweizerische Israelitische Gemeindebund. “Die Opfer des Nationalsozialismus und der Schoah dürfen nicht vergessen werden. Sie und die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes sind tief im kollektiven Bewusstsein der Jüdinnen und Juden, auch hier in der Schweiz, verankert.” Das Erinnern zeige Lehren für die Gegenwart und Zukunft auf. Insbesondere die nächsten Generationen sollen laut dem SIG mit dem edukativen Angebot des Memorials zum kritischen Nachdenken über Vorurteile und Ausgrenzung befähigt werden.