Der tödliche Dschihad gegen Israel mit Steinen und Molotovcocktails

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3. Dezember 2021, ein Palästinenser wirft Steine mit einer Steinschleuder in Judäa und Samaria. Foto IMAGO / ZUMA Wire
3. Dezember 2021, ein Palästinenser wirft Steine mit einer Steinschleuder in Judäa und Samaria. Foto IMAGO / ZUMA Wire
Lesezeit: 6 Minuten

Wenn palästinensische Terroristen Israelis mit Steinen oder Molotovcocktails angreifen, wird das von der westlichen Öffentlichkeit in der Regel überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Wenn doch, geschieht dies nicht selten in der Absicht, diesen Terror zu verharmlosen, zu verniedlichen oder gar Verständnis und Mitgefühl für die Täter zu wecken: Von „lächerlichen Steinwürfen“ oder „verzweifelten Steinwürfe von Jugendlichen“ ist dann etwa die Rede.

Dabei ist es kein Geheimwissen, dass Steine – und Brandbomben erst recht – Menschen töten oder schwer verletzen können; dass sie auf unschuldige Zivilisten, Kinder, ja: sogar auf Schulbusse geworfen werden. Jonathan S. Tobin schrieb 2019 an dieser Stelle:

„Vorfälle von Steinewerfen auf jüdische Ziele sind an der Tagesordnung und so zahlreich, dass Israel sich kaum noch bemüht, Statistiken über sie zu führen. Aber wir wissen, dass mindestens 14 Israelis bei Autounfällen durch Steinwürfe oder direkte Einschläge der Steine auf die Person getötet wurden.“

Nun ist eine Studie erschienen, die Licht auf diese Form des Terrors wirft: Deadly Stones, lauter der Titel, „tödliche Steine“. Die Autoren sind Yaron Buskila und Maurice Hirsch. Sie arbeiten im Auftrag der Rechercheabteilung von Israel’s Defense and Security Forum (IDSF), einem Think Tank israelischer Offiziere, Soldaten und Reservisten.

Buskila und Hirsch zeigen: Die Anschläge, die dem ausländischen Beobachter als spontane, isolierte Taten von Einzeltätern erscheinen könnten, sind in Wahrheit systematisch geplant:

„Das Werfen von Steinen und Molotovcocktails in Judäa und Samaria hat sich von einem Ärgernis zu einer strategischen Herausforderung entwickelt, die die Sicherheit der Zivilbevölkerung gefährdet und zur Festigung und Motivation des palästinensischen Dschihads beiträgt. Dies erfordert eine umfassende, mehrgliedrige und systematische Antwort.“

Es handle sich nicht um isolierte Vorfälle; dahinter stehe vielmehr die systematische Anstachelung zu einem „Dschihad gegen Israel vonseiten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und der Hamas“.

Regelmässig werden auch Busse mit Steinen beworfen.

Das Werfen von Steinen war ein Charakteristikum der „Intifada“, die 1987 begann und auch „Stein-Intifada“ genannt wird. Heutzutage, so die Autoren, sei es gang und gäbe, dass Palästinenser Steine auf die Autos israelischer Zivilisten oder der israelischen Armee werfen. Pro Jahr würden durchschnittlich 4.000 solcher Fälle gezählt – das sind elf pro Tag.

„Das Ausmass dieses Phänomens deutet darauf hin, dass dies nicht bloss isolierte Vorfälle sind, sondern die Spitze des Eisbergs in einem Ökosystem, in dem die Palästinensische Autonomiebehörde der Inkubator eines Dschihads gegen Israel ist.“ 

Diese Aufwiegelung schlage sich in palästinensischen Schulbüchern nieder, in den Medien der PA und in den sozialen Medien. Die Palästinensische Autonomiebehörde verstärke das, indem sie den Tätern nach ihrer Freilassung aus dem Gefängnis Stipendien und Jobs in der Verwaltung anbiete. Dies befördere „eine Kultur der Delegitimierung des Staates Israel“ und gehe einher mit einer wachsenden Popularität von Terrororganisationen wie der Hamas, die zu solchen Anschlägen ermuntern, so Buskila und Hirsch.

Aus Sicht der Terrororganisationen hätten solche Formen des Terrors mehrere Vorteile:

Kosten: Sie kosten nicht viel Geld. Steine und Molotovcocktails sind sehr leicht zu beschaffen und erfordern keine Vorbereitung.

Nutzen: Die Täter können auf einfache Art ihr Ziel erreichen, Menschen zu töten oder zu verletzen. Der zusätzliche Nutzen, aus Sicht der Terroristen: ein Gefühl der Unsicherheit zu schaffen.

Möglichkeit: Wo Israelis und Palästinenser gemeinsam leben, gibt es täglich zahlreiche Möglichkeiten, Autos anzugreifen.

Fehlende Abschreckung: Bislang hätten sich Israels Sicherheitskräfte darauf konzentriert, „schwere“ Terroranschläge und Entführungen zu verhindern. Um die „leichten“ wie dem Werfen von Steinen und Molotovcocktails hätten sie sich nicht gekümmert. Dadurch hätten die Täter ein geringes Risiko, ermittelt und verhaftet zu werden.

Fehlende Strafverfolgung: Gegenüber den Tätern, die ermittelt werden, seien die Militär- und Zivilgerichte milde, schreiben die Autoren. Das sei ersichtlich an der Diskrepanz zwischen den vom Gesetz ermöglichten Strafmassen und den tatsächlich gegen die Täter verhängten Strafen. Die Strafen lägen im Durchschnitt um „95 Prozent“ unter der Höchststrafe. Das durchschnittlich von Gerichten verhängte Strafmass für Steinewerfer liege bei acht Monaten, das für Brandbombenwerfer bei 13 Monaten Gefängnis. Meist würden die Akten aber schon von der Polizei geschlossen, mit dem Vermerk: „Täter unbekannt“.

Die Tatorte und Täter

Während ein einzelner Steinwurf für die Opfer oft glimpflich endet und sie mit dem Schrecken und einem Schaden an ihrem Auto davonkommen, ist die Situation eine ganz andere, wenn es sich um Tausende solcher Taten handelt. Mehrere Israelis wurden in den letzten Jahren mit Steinen ermordet. Die Autoren nennen: Asher und Yonatan Palmer, Adele Bitton, Alexander Lavlovich, Ronen Lubarsky imd Amit Ben Yigal. Dutzende Menschen werden jedes Jahr verletzt.

Es gebe in Judäa und Samaria 20 bekannte Stellen, „Hotspots“, die bei den Tätern besonders beliebt sind, schreiben Buskila und Hirsch. Sie lägen an Überlandstrassen und an den Stellen der Trennungsmauer, die ständig für Ausschreitungen genutzt werden. Für das Jahr 2020 lautet die traurige Bilanz: 56 verletzte Soldaten, 27 verletzte Grenzschützer und Polizisten, 71 verletzte Zivilisten.

Der typische Ablauf sieht laut der Studie so aus: Sind die ins Ziel genommenen Opfer Zivilisten, werden die Steine, Molotowcocktails oder auch Farbeimer (um den Fahrern die Sicht zu nehmen) meist von Hügeln aus, vom Strassenrand oder aus fahrenden Autos heraus geworfen. Sind Soldaten das Ziel, werden sie bei der Ausübung ihres Dienstes angegriffen, oft auch bei einer der regelmässig stattfindenden organisierten Ausschreitungen.

Das Täterprofil beschreiben die Autoren so: Die Aufhetzer sind junge Erwachsene (über 20) aus der Region oder „radikale anarchistische Organisationen, die ins Dorf kommen und die Leute dazu ermuntern, an den Hotspots zu randalieren“. Jugendliche im Alter von 16 bis 20 werfen dann Steine auf Soldaten;  Täter, die vom Strassenrand aus Steine auf Autos werfen, seien meist im Alter von zehn (!) bis zwanzig.

Was kann Israel tun, um seine Bürger gegen diese Bedrohung zu schützen? Die Autoren sprechen die Empfehlung aus, bestimmte Punkte, wo häufig Angriffe verübt werden, die Leben in Gefahr bringen, zu „Hochrisikogebieten“ zu erklären. Dort solle dann mit scharfer Munition auf die Täter geschossen werden. Zudem müsse es koordinierte Bemühungen geben, die Anwerber und Aufhetzer dingfest zu machen. Die Fälle und Täter müssten in einer Datenbank erfasst werden. Zudem sei eine Gesetzgebung nötig, die härtere Strafen für ermittelte und verurteilte Täter nach sich zieht.

Die Gesichter der Opfer

Immer wieder sind auch Kinder betroffen. Ein bekanntes Opfer eines Steinwurfs ist Adele Bitton. Sie war erst zwei Jahre alt, als Terroristen 2013 Steine auf das Auto ihrer Mutter warfen, in dem sie mitfuhr. Die Mutter verlor die Kontrolle über das Fahrzeug und kollidierte mit einem LKW. Adele starb zwei Jahre später an einer Lungenentzündung, die in Zusammenhang stand mit den Verletzungen, die sie bei dem Unfall erlitten hatte.

Adele Bitton wurde Opfer eines Attentates von arabischen Steinewerfern.

Ein bekanntes Opfer eines Brandbombenanschlags ist Ayala Shapira. Die damals Elfjährige erlitt am 25. Dezember 2014 schwerste Verbrennungen im Gesicht und am Oberkörper, als Terroristen Molotowcocktails in das Auto warfen, in dem sie mit ihrem Vater nach Hause fuhr. Ayala lag acht Monate im Krankenhaus und musste sich zahlreichen Operationen unterziehen. Sie wird ihr Leben lang körperlich und seelisch gezeichnet bleiben. 2017 sagte sie bei einer Veranstaltung im EU-Parlament:

„Einer der Terroristen, die den Molotovcocktail auf unser Auto warfen, war ein 16-jähriger Junge – nur ein paar Jahre älter als ich. Er tat das unter anderem, um seiner Familie wirtschaftlich zu helfen: Er wusste, wenn er im Gefängnis landet, wird die Palästinensische Autonomiebehörde seine Familie versorgen.“

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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