Gedanken zur Vorbildfunktion des kürzlich verstorbenen Theologen Prof. Dr. Ekkehard Stegemann

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Ekkehard W. Stegemann: «Die lange Geschichte der Judenfeindschaft zeigt, dass Antisemitismus nie ein Tabu war.» Foto Tilman Zuber
Ekkehard W. Stegemann: «Die lange Geschichte der Judenfeindschaft zeigt, dass Antisemitismus nie ein Tabu war.» Foto Tilman Zuber
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Ekkehard Stegemann führte ein kompromisslos engagiertes Leben für die jüdische Sache allgemein und den Staat Israel im Besonderen. Er trat unerschrocken ein für die Rechte des jüdischen Volkes und des Staates Israel, auch wenn er im Voraus wusste, dass er sich damit gelinde gesagt nicht beliebt machte.

Der Theologe Ekkehard Stegemann war ein beherzter Kämpfer für die Sache der Juden und Israel. Als Professor für Neues Testament waren seine Schwerpunkte Sozialgeschichte, die Theologie des Paulus, jüdische Studien und der Zionismus. Ekkehard Stegemann war an der Gründung mehrerer christlich-jüdischer Vereine in der Schweiz beteiligt. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Wolfgang Stegemann, ebenfalls Professor für Neues Testament, verfasste er ein Buch über die urchristliche Sozialgeschichte.

Ekkehard Stegemann forderte mit seinem Engagement für Israel und die Juden nicht nur Widerspruch heraus, sondern auch persönliche Angriffe aus nicht jüdischen Kreisen, der Kirche, Politik, den Medien und akademischen Kreisen. Dazu kamen Angriffe und Verleumdungen auch aus jüdischen Kreisen; ein Schandfleck, der die Geschichte der jüdischen Diaspora stets begleitete und eigentlich keine neue Erscheinung ist.

Ekkehard Stegemann hat dies alles auf sich genommen und damit seinen Teil an der praktizierten Sühne für das deutsche Volk und der Verbrechen in der Shoah getan. Er war in dieser Haltung einer der wenigen Einzelgänger unter den Deutschen, wo doch eigentlich die ganze deutsche Nation diese Haltung hätte einnehmen und praktizieren sollen. Denn Deutschland als Nation hat die Verbrechen verübt und aktiv daran teilgenommen oder stillschweigend gebilligt. Man findet in Deutschland nicht viele mit einer solchen Haltung, ob in der Öffentlichkeit, der Politik oder der Wirtschaft. Das Gegenteil ist leider oft der Fall.

Die deutsche Politik mit allen ihren Exponenten übt sich oft in leeren Wortäusserungen und bedeutungslosen Teilnahmen an Gedenkanlässen: Man betrauert die toten Juden und vergisst dabei die lebenden, insbesondere vergisst man auch die Verantwortung gegenüber Israel. Es zieht sich heute durch die ganze Politik hindurch, mit offensichtlichem Anti-Israelismus in internationalen Gremien, Nationen und Regierungen. Ein bedingungsloses Eintreten für das jüdische Volk und den Staat Israel, genauso wie es Ekkehard Stegemann vorgelebt hat, sucht man vergebens. Keine Doppelmoral, keine Zweideutigkeiten, keinerlei verschiedene Massstäbe gegenüber Israel, wie das heute leider noch oft die Praxis in der deutschen Politik, den Kirchen und der Wirtschaft ist. Es gibt zwar wohltuende Ausnahmen, die jedoch den Gesamteindruck, den die Bundesrepublik Deutschland häufig hinterlässt, nicht zu verändern vermögen. Insofern ist mit dem Hinschied des aufrichtigen Kämpfers Ekkehard Stegemann die Welt um Vieles ärmer geworden.

Stiftungsrat der Audiatur-Stiftung