Die Schweiz unterstützt illegale Bautätigkeit der Palästinensischen Autonomiebehörde

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Das Schulgebäude bei dem Dorf Kisan. Foto zVg
Das Schulgebäude bei dem Dorf Kisan. Foto zVg
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In einem Brief an den Schweizer Botschafter in Israel, Jean-Daniel Ruch, die Direktorin der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), Patricia Danzi, und Aussenminister Ignazio Cassis protestiert eine israelische NGO dagegen, dass die Schweiz illegale und völkerrechtswidrige Bautätigkeit der Palästinensischen Autonomiebehörde finanziert. Im konkreten Fall geht es um ein neues Schulgebäude bei dem Dorf Kisan, südlich von Bethlehem. Bei der Einweihung wurde DEZA für die Finanzierung gedankt.

Aus Sicht der israelischen Organisation Regavim, deren erklärtes Ziel es ist, das Land Israel vor illegaler Beschlagnahmung zu schützen und Rechtsstaatlichkeit und israelische Souveränität zu wahren, ist dies ein klarer Rechtsbruch und eine grobe Missachtung der israelischen Souveränität durch die Schweiz.

Kisan befindet sich nämlich in Area C, einem Gebiet, das laut dem im September 1995 zwischen Israel und der PLO unterzeichneten Interimsabkommen über das Westjordanland und den Gazastreifen („Oslo II“) der alleinigen Verwaltung Israels untersteht. Wer dort bauen will, muss eine Baugenehmigung der Zivilverwaltung einholen. Das ist nicht anders als in den meisten Ländern der Welt. Auch in Deutschland etwa gilt: Wurde ein Gebäude (nach 1945) ohne Baugenehmigung errichtet, ist es illegal und muss in jedem Fall abgerissen werden, egal, ob es sich um ein Wohnhaus, eine Garage oder einen ungenehmigten Balkon handelt.

Die Schule in Kisan sei ohne Genehmigung des Planungs- und Baukomitees der Zivilverwaltung errichtet worden und daher illegal, heisst es in dem Brief von Regavim, der Audiatur-Online vorliegt. Der Bau verstosse gegen militärische Anordnungen, gegen das in diesem Gebiet geltende Zivilrecht, gegen Völkerrecht sowie gegen das Nichteinmischungsgebot, das ein „grundlegendes Element der Charta der Vereinten Nationen und der Europäischen Union“ sei. Zudem gefährde die illegale Bautätigkeit die Umwelt: Für Projekte, die die Planungsbehörden umgingen, gebe es zwangsläufig auch keinerlei Umweltverträglichkeitsprüfung und keine Bauaufsicht. Das führe zu einer Gefährdung von Flora und Fauna und stelle einen „unverantwortlichen Umgang mit den sehr knappen Ressourcen der Region“ dar. Man sei daher „überrascht und bestürzt“ gewesen zu erfahren, dass die Schweizerische Entwicklungsagentur „der Hauptgeldgeber der Schule in Kisan“ sei.

Rechtslage ist klar

Über den politischen Hintergrund berichtet Audiatur-Online seit Jahren immer wieder. Die Rechtslage ist klar, und an ihr gibt es auch in Judäa und Samaria nichts zu deuteln: die Oslo-Abkommen sind verbindliche Dokumente des Völkerrechts. Doch so, wie die Palästinensische Autonomiebehörde niemals auch nur im Traum daran dachte, ihrer darin enthaltenen Verpflichtung zur Auflösung aller bewaffneten Gruppen – mit Ausnahme der Polizei – nachzukommen, so pfeift sie auch auf alle anderen Vereinbarungen und errichtet auf Gebiet, dessen Verwaltung völkerrechtlich Israel obliegt, illegale Gebäude, um so ihren Einfluss dort immer mehr auszuweiten, bis hin zum Eintreiben von Steuern.

Die Strategie geht auf den Fayyad-Plan der Palästinensischen Autonomiebehörde von 2009 und ein EU-Papier von 2011 zurück, die beide das gleiche Ziel verfolgen: einen palästinensischen De-Facto-Staat errichten, der die von Israel verwaltete Area C mit einschliesst und dabei Verhandlungen mit Israel, wie sie in den Osloer Abkommen vorgesehen sind, zu umgehen – also einseitig Fakten zu schaffen. Der Fayyad-Plan – benannt nach dem früheren PA-Ministerpräsidenten Salam Fayyad – spricht von einem „unabhängigen arabischen Staat mit voller Souveränität auf dem gesamten Gebiet des Westjordanlandes und des Gazastreifens innerhalb der Grenzen von 1967 mit Jerusalem als Hauptstadt“.

Um dies zu erreichen, sollen strategische Flächen in Area C, das unter der vollen israelischen Kontrolle im Rahmen der Oslo-Abkommen stehen, besetzt und annektiert werden. Dies ist bereits seit langem im Gange und wird auch von der EU seit unterstützt. Dies geht aus einem offiziellen Strategiepapier der EU von 2011 hervor, in dem es heisst:

„Die Palästinensische Autonomiebehörde beteiligt sich jetzt aktiv an der Planung und Aufteilung von Area C; wenn dies Erfolg hat, könnte es der Entwicklung durch die Palästinensische Autonomiebehörde und mehr Autorität für die PA (!) in Area C den Weg ebnen.“

Es geht also nicht um etwaige humanitäre Ziele, die die EU in der Öffentlichkeit vorschiebt, sondern um knallharte Machtpolitik: „mehr Autorität für die PA“ in einem Gebiet, wo dieser laut dem Völkerrecht keine Macht zusteht. Die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union, verfolgt aber augenscheinlich die gleiche Politik.

Wie Regavim Audiatur-Online mitteilte, werde ein Schweizer Nationalrat die Unterstützung der DEZA für die illegalen Bauten der Palästinensischen Autonomiebehörde in einer Anfrage thematisieren. Um welchen Abgeordneten es sich handelt, wollte Regavim auf Nachfrage nicht sagen, da die Organisation – es war der 23. Dezember –, ihn nicht habe erreichen können, um seine Zustimmung zur Namensnennung zu erbeten.

Der Verfasser wandte sich in einer E-Mail mit einigen Fragen an Regavim, die Naomi Kahn, die Leiterin der internationalen Abteilung, schriftlich beantwortete.

Audiatur-Online: Sie behaupten, dass diese Schulen nicht aus einer Notwendigkeit heraus gebaut würden und verweisen auf die im Vergleich zu Schulen in Israel, den Palästinensischen Autonomiegebieten und Jordanien niedrigeren Schülerzahlen der neu errichteten Schulen. Das allein überzeugt mich noch nicht. Hat Regavim weitere Beweise – etwa entsprechende Äusserungen von Führern der Palästinensischen Autonomiebehörde? Oder gibt es Hinweise darauf, dass einige der neu errichteten Schulgebäude leerstehen?

Naomi Kahn: Der stärkste Beweis dafür, dass diese Schulen politisch motiviert sind, ist der Name, den ihnen die Palästinensische Autonomiebehörde gegeben hat: „A-Tahadi-Schulen“, was „Konfrontation“ oder „die Stirn bieten“ bedeutet. Diese Schulen sind durch ihre blosse Existenz eine Form der Konfrontation mit den israelischen Behörden.

In vielen Fällen befinden sich diese Schulen nur wenige hundert Meter von bestehenden Schulen in Bereich B entfernt und werden gebaut, um Land in Bereich C zu annektieren. In vielen anderen Fällen befinden sie sich in erheblicher Entfernung von jeglicher Wohnsiedlung – und werden benutzt, um neue Gemeinschaften in Area C zu gründen. Siehe zum Beispiel die Schule in Ras a-Tin. Diese Gebäude bleiben nicht leer; sie werden sofort mit Kindern gefüllt, die mit Bussen dorthintransportiert werden, um den Abriss zu verhindern. Die Gebäude werden in den Tagen vor Beginn des Schuljahres über Nacht hochgezogen, um dem Abriss zu entgehen.

Wie hat die DEZA auf Ihren Brief reagiert?

Die Reaktion der DEZA auf unser Schreiben ist ärgerlich: Im Wesentlichen hat die Schweizer Regierung beschlossen, die Osloer Abkommen zu ignorieren – aber nur in den von ihr gewählten Bereichen: Sie erkennt Israels Befugnis zur Durchsetzung des Gesetzes in Zone C nicht an und hält Israels Planungs- und Vollstreckungsregime für „nicht im Einklang mit internationalem Recht“ – ohne diese sehr ernste Behauptung irgendwie zu belegen. Andererseits begrüsst die DEZA in ihrem Brief Israels Entscheidung, Palästinensern mehr Baugenehmigungen zu erteilen – was eine faktische Anerkennung der Tatsache ist, dass Israel, und nur Israel, die Autorität hat, Baugenehmigungen in der Zone C zu erteilen, und auch ein Eingeständnis, dass alles, was ohne Genehmigung gebaut wurde, illegal ist. Es ist ein weiteres unausgesprochenes Eingeständnis, dass sie sich voll und ganz bewusst sind, dass die Schule, die sie gebaut haben, weder eine Baugenehmigung beantragt noch erhalten hat, was sie illegal macht.

Darüber hinaus behaupten sie [die DEZA], dass diese neue Schule lediglich eine frühere Schule ersetze; in Kisan gibt es eine bestehende Schule, die sich etwa zwei Kilometer vom Neubau entfernt befindet. Sollte diese Schule, wie die DEZA behauptet, die Sicherheitsstandards nicht erfüllen, gäbe es legale Möglichkeiten, dieses Problem zu beheben: Entweder hätte die DEZA Reparaturen oder den Wiederaufbau oder sogar den Neubau der Schule im Bereich B finanzieren können, oder sie hätte eine Baugenehmigung für das neue Gebäude beantragen können, um sicherzustellen, dass diese Schule tatsächlich unter Einhaltung der Sicherheits- und Umweltstandards gebaut wird. Sie tat nichts davon.

Ein weiteres Argument der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit ist, dass die Lage Kisans es den Schülern schwer mache, bestehende Bildungseinrichtungen zu erreichen. Die neue Schule aber wurde weit entfernt vom bestehenden Dorf im Bereich B gebaut. Sie wurde in dieser Entfernung gebaut, um mehr illegalen Wohnungsbau in der Nähe der neuen Schule zu fördern und so de facto in der Zone C ein neues illegales „Wohnviertel“ zu verankern. Dieses taucht jetzt gerade auf, wird die Landkarte verändern und unweigerlich eher zu Konflikten führen als zu Konfliktlösungen.

Die neue Schule weit entfernt vom bestehenden Dorf im Area B gebaut. Foto Regavim.

Welche Rolle spielt die EU?

Die EU hat unsere Anfragen und unsere Forderungen, illegale Aktivitäten in der Zone C zu unterlassen, systematisch ignoriert. Die Feindseligkeit der Europäischen Union ist nichts Neues. Nach jahrelanger Unterstützung für illegale Bauvorhaben, insbesondere in der E1-Region [zwischen Jerusalem und Ma’aleh Adumim; S.F.], reagierte [die EU-Aussenbeauftragte] Federica Mogherini auf die Forderung von Premierminister Netanjahu und gab eine EU-Verpflichtung ab, weitere illegale Bauvorhaben im E1-Gebiet zu stoppen. Seitdem unterstützt sie „Infrastrukturentwicklung“ und „Hilfe bei der Wasserversorgung“ – sie lässt Strassen pflastern und Wasser- und Stromleitungen verlegen, die es der Palästinensischen Autonomiebehörde ermöglichen, neue Dörfer zu schaffen und Land durch landwirtschaftliche Projekte zu erobern. Vertreter von Regavim trafen in Brüssel mit mehr als einem Dutzend Abgeordneten zusammen und stellten die Fakten vor. Diese Abgeordneten waren überrascht, als sie erfuhren, dass diemassive „humanitäre Hilfe“ der EU von der Palästinensischen Autonomiebehörde für politische Zwecke genutzt wird, die eine Verhandlungslösung des Konflikts mit jedem Tag unwahrscheinlicher machen.

Wenn israelische Behörden diese illegalen Bauten nicht abreissen lassen, weil sie den Imageschaden fürchten, warum können sie sie dann nicht frühzeitig verhindern?

Das hängt mit den Methoden zusammen, die die Palästinenser in vielen Fällen anwenden: Sie bauen über Nacht, sie bauen an jüdischen Feiertagen und am Sabbat, wenn keine Inspektoren vor Ort sind. Sie stellen die Embleme auf, die den Strukturen diplomatische Immunität verleihen, bevor sie den Grundstein legen. Und sie bauen Schulen – denn das ist das sensibelste Bauwerk aus Sicht der PR-Arbeit: Aussenstehende werden nicht verstehen, warum eine Schule abgerissen wird.

Zudem hat die Zivilverwaltung kürzlich zugegeben, dass sie unterschiedliche Kriterien für die Strafverfolgung für den jüdischen und den arabischen Sektor hat. Hinzu kommt die massive juristische Unterstützung durch die EU und die europäischen Regierungen, die diese Fälle durch endlose rechtliche Anhörungen zieht. Während der Fall vor Gericht ist, reisst die Zivilverwaltung das Gebäude nicht ab, und obwohl es Gerichtsbeschlüsse gibt, die den Weiterbau untersagen, während der Fall vor Gericht ist, wird der Bau ungehindert fortgesetzt. Wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist, ist das Gebäude fertiggestellt und die Kinder sitzen an ihren Schreibtischen in den Klassenzimmern.

Was ist Regavims Vision für dauerhaften Frieden zwischen den jüdischen und arabischen Bewohnern des Landes?

Regavim engagiert sich für die zionistische Landnutzungspolitik im ganzen Land Israel, und wir setzen uns dafür ein, die israelische Souveränität im ganzen Land Israel zu etablieren. Diese Ziele stehen voll und ganz im Einklang mit dem Völkerrecht (siehe zum Beispiel Professor Talia Einhorns „The Status of Judea and Samaria (The West Bank) and Gaza and the Settlements in International Law“ oder Professor E. Kontorovichs „Why Israeli Rule in the West Bank is Legal under International Law“ oder Botschafter Alan Bakers „The Legal Basis of Israel’s Rights in the Disputed Territories“. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

Regavim handelt, um gleichberechtigte, universelle Strafverfolgung zu fördern. In Fällen, in denen das Gesetz – international, lokal, was auch immer – die wahren Bedürfnisse der im Land Israel lebenden Menschen nicht berücksichtigt, haben wir uns für eine Gesetzgebung eingesetzt, die Unrecht berichtigt, Lücken schliesst und dazu beiträgt, die zionistische Vision eines jüdischen und demokratischen Staates Israel zu verwirklichen.

Jede friedliche Lösung des israelisch-arabischen Konflikts muss auf der Achtung des Gesetzes, Verhandlungen und Kompromissen sowie der gegenseitigen Bereitschaft zum friedlichen Zusammenleben basieren. Die einseitige Unterstützung der palästinensischen Annexion durch europäische Akteure ist das Gegenteil von allem, wofür wir stehen. Persönlich möchte ich hinzufügen, dass ich nicht an die Scheinalternative glaube, die die Palästinenser geschaffen haben: entweder Staat oder Krieg. Es gibt viele Wege zur Selbstbestimmung, die nicht die Schaffung eines feindlichen Staates im Kernland des einzigen jüdischen Landes der Welt beinhalten, und mit einem angemessenen Mass an gutem Willen können arabische Einwohner dieses Landes eine Reihe von Möglichkeiten finden, in Frieden an der Seite Israels zu leben: entweder als geschützte Minderheit innerhalb Israels, als Bürger einer Konföderation mit Jordanien (Jordanien wurde einst als die erste „Zwei-Staaten-Lösung“ dieses Konflikts geschaffen), als Bürger selbstverwalteter Kantone – es gibt Optionen. Was fehlt, ist die Bereitschaft, die Tatsache zu akzeptieren, dass Israel hier ist, um zu bleiben.

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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1 Kommentar

  1. Wundert mich mich, wie heute der Kosovo ein von Kriminellen errichterter vom Westen protegierter Staat ist, war die “neutrale” Schweiz schon im 2. Weltkrieg praktisch ein Hehlerstaat der Nazideutschen.

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