65 Jahre Suez-Krieg – «Wir sind hier, um zu bleiben»

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4 Dezember 1956. Israelische Truppen passieren zerstörte ägyptische Fahrzeuge auf ihrem Rückweg nach Israel. Foto Government Press Office / National Photo Collection of Israel, Digital ID D329-119. Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11739457
4 Dezember 1956. Israelische Truppen passieren zerstörte ägyptische Fahrzeuge auf ihrem Rückweg nach Israel. Foto Government Press Office / National Photo Collection of Israel, Digital ID D329-119. Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11739457
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Israel, der neu gegründete Staat, war gerade acht Jahre jung, da kämpfte es an der Seite der damaligen Noch-Supermächte Frankreich und England gegen Ägypten an einer der wichtigsten Wasserstrassen für den Welthandel: dem Suezkanal. Heute fliessen jedes Jahr 300 Millionen Tonnen an Waren von Asien nach Europa und inzwischen darf auch Israel den Kanal nutzen. Präsident Isaac Herzog brachte es dieser Tage auf den Punkt: seither weiss die Welt, wir sind hier, um zu bleiben.

1956 beschloss Ägypten Staatspräsiden Gamal Abdel Nasser den Kanal zu nationalisieren, was nichts anderes bedeutet als die Wasserstrasse zu besetzen und die jährlichen Millionen-Gebühren zu kassieren. London und Paris, bis dahin offiziellen Besitzer des Kanals, waren „not amused“. Für Israel bedeutete die ägyptische Kontrolle des Kanals, der südlich im Roten Meer beginnt, höchste Gefahr für den wirtschaftlich lebenswichtigen Hafen von Eilat. England, Frankreich und Israel bildeten eine militärische Liaison gegen Ägypten mit unterschiedlichen Motivationen und Kriegszielen. Israelische Truppen waren die ersten am Kanal und kämpften die ersten beiden Tage im Oktober 1956 allein gegen Nassers Truppen, da sich die Ankunft der Forces Armées Françaises verzögerte.

Nassers aggressiver Akt war weitreichend. Die Finanzierung des geplanten Assuan Staudamms am Nil, lebenswichtig für Ägyptens Landwirtschaft, war zusammengebrochen. Die USA hielten sich nicht an ihre Zusagen, für den Staudamm Dollars zu schicken. Es drohte eine Pleite, die Nasser politisch-militärisch nutzen wollte, um England und Frankreich als Kolonialmächte loszuwerden und gleichzeitig Israel wirtschaftlich zu ruinieren. Drei Monate später mussten sich die Dreier-Liaison endgültig zurückziehen, denn der Krieg drohte ausser Kontrolle zu geraten. Washington war zutiefst verärgert, weil London ohne seinen engsten Partner zu informieren am Suezkanal militärisch eingriff. Die USA drohte mit wirtschaftlichen Sanktionen und Truppen zu entsenden. Das brachte Moskau auf den Plan: Nikita Chruschtschow, Moskaus damaliger starker Mann, der Ägypten mit Waffen versorgte, drohte mit der A-Bombe, sollte US-Präsident Eisenhower seine Ankündigung wahrmachen.

Der Westen hatte sich kräftig blamiert, Ägypten kassiert seither die Kanalgebühren, konnte ab 1960 den Assuan Damm bauen und Nasser wurde zum arabischen Nationalhelden.

Damit wurden auch die politischen Voraussetzungen für den Sechs-Tage-Krieg zehn Jahre später geschaffen. Nasser glaubte den Suez-Erfolg gemeinsam mit Syrien und anderen arabischen Staaten wiederholen zu können. Er hatte sich kräftig verrechnet. Israel nutze die Lehren aus dem Suez-Krieg: wir können uns nur auf uns selbst verlassen. In sechs Tagen eroberte die Israel Defence Forces die ägyptische Sinai-Halbinsel, den Grossteil von Syriens Golanhöhen sowie Judäa und Samaria, besser bekannt als Westjordanland inklusive des Ostteils Jerusalems, die seither wiedervereinigte Hauptstadt.

Eigentlich begann Mitte des 19. Jahrhunderts alles ganz friedlich. Die Verbindung zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer planten schon die Pharaonen 1850 B.C., also vor fast 4000 Jahren. Der Überlieferung zufolge soll Cleopatra auf den ersten Metern des Kanals geschippert sein. Aber aus einem Durchbruch zum Mittelmeer wurde nichts. 1798 schickte Napoleon Bonaparte ein Erkundungstrupp in die Region, die mit einem Rechenfehler nach Hause kamen: der Plan sei undurchführbar, berichteten sie dem Feldherrn in Paris, da das Rote Meer 10 Meter höher liege als das Mittelmeer. Aus der Traum – vorläufig.

Präsident Herzog anlässlich der Zeremonie. Foto GPO

Ein halbes Jahrhundert später grub der französische Diplomat Ferdinand de Lesseps die alte Idee wieder aus, entwickelte ein Geschäftsmodell mit Ägypten und begann zu bauen. Für eine zügige Beendigung bedurftes noch einer technischen Innovation, die wegen des CO2-Ausstosses heute vermutlich nicht mehr durchsetzbar wäre: eine Kohle-betriebene Dampfschaufel, mit der Dreiviertel der Millionen-Kubikmeter Sand aus dem Roten Meer gebaggert wurden. England war zuerst strikt gegen den Kanal, kaufte dann aber 1875 44 Prozent der Kanal-Anteile von der Regierung in Kairo, die dringend Bares benötigte.

Und was hat der 1869 fertiggestellte Suezkanal mit der Freiheitsstatue im Hafen von New York zu tun? Der französische Bildhauer Frédéric-Auguste Bartholdi wollte sich – inspiriert durch den Koloss von Rhodos – am Eingang des Kanals mit einer 30-Meter hohen Statue verewigen. Einen Namen hatte er bereits für seine weibliche Figur in ägyptische Bauernkleider gehüllt: Ägypten bringt Licht nach Asien. Aus dem Kunstwerk am Kanaleingang wurde vorerst nichts.  Frankreich beauftragte ihn Jahre später mit einer ähnlichen Frauen-Skulptur mit einer steinernen Fackel in der rechten Hand, die seit 1886 in der Hafeneinfahrt New Yorks steht: der Statue of Liberty.

Dieses Symbol des Friedens brauchte zwei weitere Kriege 1967 und 1973 bis der Suez-Kanal auch zum Zusammenleben zwischen Israel und Ägypten beitragen konnte. Isaac Herzog, der am Dienstag ein Kranz zum Gedenken an die Gefallenen Soldaten im Suez-Krieg niederlegte, fand die richtige Worte: “Die damals feindlichen Soldaten Ägyptens beteten nicht für die Beziehungen, die wir heute haben. Aber ihr Mut und ihre Zielsetzung legten den Grundstein für den lange erwarteten Frieden, der schliesslich kam.

Über Godel Rosenberg

Journalist, Autor, High­techunternehmer. Godel Rosenberg war Pressesprecher der CSU und von Franz Josef Strauß, Fernsehjournalist, TV­-Moderator und Repräsen­tant des Daimler­-Konzerns in Israel. Von 2009 bis 2018 war Godel Rosenberg der Repräsentant Bayerns in Israel.

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