Covid-Zertifikat als Judenstern – Ein absurder und inakzeptabler Vergleich

1
11. September 2021: Mindestens 2000 Menschen haben in Luzern an einer unbewilligten Kundgebung gegen die Ausweitung des Covid-Zertifikat demonstriert. Foto IMAGO / Andreas Haas
11. September 2021: Mindestens 2000 Menschen haben in Luzern an einer unbewilligten Kundgebung gegen die Ausweitung des Covid-Zertifikat demonstriert. Foto IMAGO / Andreas Haas
Lesezeit: 2 Minuten

Wenn der Holocaust und dazugehörige jüdische Symbole zu Objekten der Instrumentalisierung werden oder schlimmer noch, wenn sie für politische Zwecke missbraucht werden, ist das nicht tolerierbar und ein Skandal.

Der jüngste Fall in dieser Reihe von Dummheiten, ist der Redebeitrag eines SVP Politikers an einer Demonstration von Corona Massnahmen-Kritikern in Rapperswil. In seiner Wutrede, in welcher der Schwyzer SVP-Kantonsparlamentarier unter anderem die «Pandemie-Verantwortlichen vor ein Kriegsgericht» stellen wollte, verglich er das Covid-Zertifikat mit dem Judenstern. «Als unterjochte Bürger brauchte man früher einen Stern. Jetzt muss man ein Covid-Zertifikat haben» sagte der Redner David Beeler.

Es ist legitim und in einer Demokratie wichtig, wenn Massnahmen des Staates hinterfragt, kritisiert und wo nötig auch bekämpft werden. Mit allen politischen Mitteln die zu Verfügung stehen, inklusive friedlichen Kundgebungen und Demonstrationen.

Aber Aussagen und Vergleiche wie die des SVP Politikers aus Schwyz sind unzulässig. Das Aktionsbündnis Urkantone, MASS-VOLL! und der Verein Stiller Protest, die als Organisatoren der Demonstration auf Plakaten aufgeführt sind, hätten sich nach dieser Rede dazu äussern müssen. Auch die SVP wäre als Partei gefordert hier mehr zu tun, als sich in nichtssagenden Floskeln wie «die Wortwahl ist teilweise sehr unglücklich gewesen» zu flüchten.

Der Judenstern bedeutet Leiden, Schmerz, Abschiebung, Eliminierung, Massenmord. Die Vermischung des Covid- Zertifikats mit der schrecklichen Realität der Shoah, ist eine Beleidigung des Gedenkens an Millionen von Männern, Frauen und Kindern, die aufgrund der verbrecherischen Machenschaften des Nationalsozialismus gedemütigt, gefoltert, deportiert und auf barbarische Weise ermordet wurden.

Der Vergleich ist inakzeptabel, er beleidigt die Erinnerung an jene Menschen, die unter den Rassengesetzen gelitten haben und ermordet wurden. Er verletzt ausserdem die noch wenigen Überlebenden und diejenigen, die noch heute jeden Tag dafür kämpfen, dass die Erinnerung an die Oper der Shoah lebendig bleibt und respektiert wird. Während des Nationalsozialismus wurden Menschen diskriminiert, weil sie als Juden oder Roma geboren wurden, weil sie homosexuell oder behindert waren, sie wurden gefoltert und getötet, nur weil sie existierten.

Man muss immer und überall für Frieden, Freiheit und Souveränität demonstrieren, aber ohne unsägliche Vergleiche des Covid-Zertifikats mit dem Judenstern oder Konzentrationslagern.

PS. Auch sogenannte Komiker oder Satiriker, welche Massnahmen-Kritiker als Ignoranten oder Schwurbler bezeichnen oder gar etwas von Gaskammern faseln, sollten sich mit respektlosen und unfassbaren Vergleichen und Entgleisungen zurückhalten. Manchmal hilft es etwas an die frische Luft zu gehen.

1 Kommentar

  1. Obwohl ich Ihnen in einigen Punkten zustimme, muss Ihnen in einem wesentlichen Punkt widersprechen , Herr Raffa. Der Judenstern bedeutet eben nicht nur Leiden, Schmerz, Eliminierung und Massenmord. Der Judenstern, das Schild Davids, bedeutet vor Allem eine Verbundenheit zwischen Gott und dem Menschen, zwischen der diesseitigen und der jenseitigen Welt. Er ist von Alters her ein Schutzsymbol für Alle, die an die göttliche Macht vertrauen. Nicht umsonst findet er sich auch auf den Pforten alter Brauereien, obwohl diese keinen Juden gehört haben.
    Die Vereinnahmung dieses Symbols für all das Böse in der Welt geschah durch die Feinde Gottes, die mitnichten bei den Juden Halt machen wollten. Eine wenig bekannte aber gut dokumentierte Tatsache ist, dass im Falle eines Endsiegs die Katholiken und Protestanten das Schicksal der Juden geteilt hätten: Der Nazi-Staat duldete keinen Gott neben dem Führer. Die Juden waren nur die ersten, die das erkennen mussten.

    Es stimmt sicher, dass man eine Verharmlosung des Holocaust begeht, wenn man behauptet, dieser sei mit dem gegenwärtigen Druck auf Andersdenkende auch nur ansatzweise vergleichbar. Aber tun das die Leute, die diese Sterne auf Demonstrationnen tragen und für die Grundrechte demonstrieren? Ich finde nicht. Alles, wovor diese Leute warnen, und mit Einigen habe ich mich zu dem Thema unterhalten, ist, dass man heute dieselben Mechnismen der Ausgrenzung, Diffamierung und Verdächtigung gegen sie einsetzt, wie seinerzeit gegen die Juden. Alle, die ich gesprochen habe, waren sich bewusst, dass der Holocaust eine historische Einmaligkeit darstellt. Dies jedoch beschränkt auf dessen Ende mit 6 Mio. toten Juden. Was die Mechanismen betrifft, die zu dem bekannten Ende geführt haben, gibt es jedoch diesen Einmaligkeitsanspruch nicht. Die Werkzeuge der Meinungsmanipulation haben sich nicht geändert – sie sind nur ausgefeilt worden und kommen in einem modernen Gewand daher.

    Das Ansinnen, vor deren wiedererstarken mit dem Davidsstern halte ich daher für legitim, wenn auch durchaus missverständlich. Aber Missverständnisse können durch Kommunikation ausgeräumt werden. Gerade Journalisten sollten das wissen.

Kommentarfunktion ist geschlossen.