Geiselnahmen durch das iranische Regime: Wo bleibt der Westen und die UN?

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Richard Ratcliffe und Tochter am 2000. Tag der Inhaftierung von Ehefrau und Mutter Nazanin. Foto IMAGO / Parsons Media
Richard Ratcliffe und Tochter am 2000. Tag der Inhaftierung von Ehefrau und Mutter Nazanin. Foto IMAGO / Parsons Media
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In der Hoffnung, das katastrophale Iran-Atomabkommen (Joint Comprehensive Plan of Action) wieder aufleben zu lassen und in der Folge die Sanktionen gegen die herrschenden Mullahs im Iran aufzuheben, schweigen die Regierung Biden und die Europäische Union über das Schicksal der ausländischen Geiseln, die in den berüchtigten iranischen Gefängnissen festgehalten werden.

von Majid Rafizadeh

Einige der ausländischen Geiseln im Iran stammen aus westlichen Ländern, darunter die USA, Frankreich, Kanada, Deutschland, das Vereinigte Königreich und Australien.

Zu den ausländischen Staatsbürgern, die derzeit in Iran als Geiseln festgehalten werden, gehört Nazanin Zaghari-Ratcliffe, eine britische Mutter, die 2016 zusammen mit ihrer damals 22 Monate alten Tochter nach Iran reiste, um ihre Familie zu Nowruz, dem iranischen Neujahrsfest zu besuchen. Dies nachdem das Atomabkommen zustande gekommen war und die Sanktionen gegen die Islamische Republik aufgehoben worden waren. Als sie ein Flugzeug besteigen wollte, um in das Vereinigte Königreich zurückzukehren, wurde sie von Mitarbeitern des Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) umzingelt und festgenommen.

Inmitten der laufenden Nukleargespräche zwischen dem iranischen Regime und den Weltmächten verurteilte das Gericht der IRGC sie im April 2021 zu einem weiteren Jahr Haft.

Zu den amerikanischen Staatsbürgern, die im Iran inhaftiert sind, gehören die iranischen Amerikaner Baquer und Siamak Namazi, Morad Tahbaz und der Geschäftsmann und Naturschützer Emad Shargi. Shargis Familie hat die Regierung Biden gebeten, sich für seine Freilassung einzusetzen. „Unsere Familie ist auseinandergerissen worden. Mein Mann wurde entführt“, sagte seine Frau Bahareh Shargi gegenüber der Moderatorin von „Face the Nation“, Margaret Brennan. Shargis Tochter, Hannah, sagte:

"Das Ziel, auf das ich hinarbeite, ist, dass er durch unsere Haustür kommt. Das ist alles, was ich will. Und davon träume ich... dass er nach Hause kommt, durch die Tür kommt und uns überrascht. Und dann wache ich auf, und es ist natürlich nur ein Traum."

Die Inhaftierung ausländischer Staatsangehöriger unterliegt in der Regel der Kontrolle der rigiden iranischen Judikative. Der Leiter des Justizwesens, der auch als Oberster Richter Irans bezeichnet wird, wird direkt vom Obersten Führer Irans, Ali Khamenei, ernannt. Das Justizsystem benötigt also die Zustimmung des Obersten Führers, um Entscheidungen über ausländische Gefangene und Geiseln zu treffen.

Es ist kein Geheimnis, dass die iranischen Behörden ausländische Staatsbürger als Druckmittel und Pfand benutzen, um wirtschaftliche Zugeständnisse zu erlangen oder politische und finanzielle Vorteile zu erzielen, sowie um Gefangene auszutauschen. Dies ist die Politik des theokratischen Establishments seit der islamischen Revolution von 1979, die mit der Erstürmung der US-Botschaft in Teheran und der 444-tägigen Geiselnahme von 52 Amerikanern am ersten Tag der Gründung der Islamischen Republik begann.

Das Regime lässt Geiseln nur frei, wenn es seine politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Ziele erreicht hat. Die Obama-Regierung hat beispielsweise 1,7 Milliarden Dollar in bar an den Iran überwiesen, um im Gegenzug mehrere iranisch-amerikanische Staatsbürger freizubekommen.

Gegenwärtig sieht das Regime höchstwahrscheinlich in den inhaftierten Ausländern ein starkes Druckmittel, um bei den Atomgesprächen die Oberhand zu gewinnen.

Ausländische Staatsangehörige werden ausserdem unter äusserst schwierigen Bedingungen festgehalten. Sie haben in der Regel keinen Zugang zu einem ordnungsgemässen Verfahren, ihnen wird routinemässig ein Anwalt verweigert, und sie werden häufig in Einzelhaft gehalten. Laut dem Bericht von Human Rights Watch für das Jahr 2021:

"Iranische Gerichte, insbesondere Revolutionsgerichte, führen regelmässig äusserst unfaire Verfahren durch und verwenden Geständnisse, die wahrscheinlich unter Folter erlangt wurden, als Beweismittel vor Gericht. Die Behörden haben es versäumt, zahlreiche Foltervorwürfe gegen Inhaftierte ernsthaft zu untersuchen. Die Behörden schränken routinemässig den Zugang von Gefangenen zu einem Rechtsbeistand ein, insbesondere während der ersten Ermittlungsphase."
"Der Geheimdienst des IRGC verhaftet nach wie vor iranische Staatsbürger mit doppelter Staatsbürgerschaft und ausländische Staatsangehörige unter vagen Anschuldigungen wie 'Zusammenarbeit mit einem feindlichen Staat'."

Kürzlich veröffentlichte eine Hackergruppe, die sich Edalat-e Ali (Alis Gerechtigkeit) nennt, Videos aus iranischen Gefängnissen, von denen einige Misshandlungen, einschliesslich Schlägen und unsäglicher Behandlung von Häftlingen durch die Behörden im berüchtigten Evin-Gefängnis, in dem politische Gefangene festgehalten werden, zeigen. „Wir werden weiterhin die Unterdrückung aufdecken, die die iranische Regierung den Menschen zufügt“, sagte die Gruppe.

Anstatt das iranische Regime zu besänftigen und die Augen vor seinen Menschenrechtsverletzungen zu verschliessen, muss der Westen die herrschenden Mullahs im Iran dafür zur Rechenschaft ziehen, dass sie ausländische Staatsangehörige als Geiseln, Verhandlungsmasse und Pfand für politische und wirtschaftliche Zugeständnisse festhalten.

Dr. Majid Rafizadeh ist ein iranisch-amerikanischer Politikwissenschaftler, Harvardgelehrter und Vorsitzender des International American Council on the Middle East. Auf Englisch zuerst erschienen bei Gatestone Institute. Übersetzung Audiatur-Online.