Die unerwartete Verkettung des katastrophalen Abzugs der USA aus Afghanistan und des ersten offiziellen Treffens zwischen Premierminister Naftali Bennett und Präsident Joe Biden bedarf einer näheren Betrachtung.
von Gregg Roman
Obwohl die beiden Ereignisse scheinbar nichts miteinander zu tun haben, musste das Treffen zwischen den beiden wegen des Terroranschlags des Islamischen Staats vor dem Flughafen von Kabul um mehr als 24 Stunden verschoben werden.
Der Rückzug aus Afghanistan lässt viele Experten und Kommentatoren ratlos zurück und zerstört die Hoffnung, dass der Westen das Land friedlich, diplomatisch und in einer besseren Situation verlassen könnte, als man es 2001 vorgefunden hat.
Anne Applebaum, Schriftstellerin, Historikerin und Mitarbeiterin des SNF Agora Instituts an der Johns Hopkins Universität, schrieb kürzlich in der Zeitschrift The Atlantic: „Von all den leeren, sinnlosen Aussagen, die von westlichen Politikern regelmässig wiederholt werden, ist keine leerer und sinnloser als diese: ‚Es gibt keine militärische Lösung für diesen Konflikt‘.“
Afghanistan dürfte diesem Ansinnen den Todesstoss versetzen.
Natürlich sollte es selbstverständlich sein, dass es vorzuziehen ist, alle Konflikte ohne Blutvergiessen und durch Diplomatie zu beenden. Die Behauptung, dass ein Konflikt niemals mit militärischen oder anderen Mitteln beendet werden kann, ist jedoch sehr weit hergeholt.
Leider zeigt die jahrzehntelange gewaltsame Verweigerung der Palästinenser, die nicht ab-, sondern zunimmt, trotz gegenteiliger Beteuerungen, dass der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nicht allein durch Verhandlungen beendet werden kann.
Wenn man sehen will, wie tief dieser gewalttätige palästinensische Ablehnungswille geht, muss man nur die Kommentare des britisch-palästinensischen Journalisten Abdel Bari Atwan lesen, der regelmässig für die BBC arbeitet.
Nach Angaben von MEMRI sagte Beri Atwan, die Israelis wüssten, dass sich die Szenen vom Flughafen Kabul auf dem israelischen Flughafen Ben Gurion wiederholen würden. Er äusserte sich in einem Interview, das am 19. August 2021 im panarabischen Sender Mayadeen TV ausgestrahlt wurde. Atwan sagte, dass die Israelis dann feststellen würden, dass keine Flugzeuge vom Ben-Gurion-Flughafen abfliegen und sie gezwungen seien, ins Mittelmeer zu fliehen. Er sagte weiter, dass PLO-Führer Jassir Arafat ihm 1995 versprochen habe, er werde den Tag erleben, an dem die Israelis aus Palästina fliehen würden „wie Ratten aus einem sinkenden Schiff“. Atwan fügte hinzu: „Heute glaube ich, dass sich diese Prophezeiung erfüllen wird.“
Leider werden Atwans Ansichten von vielen Palästinensern geteilt.
Allen Umfragen zufolge ist die Hamas nach wie vor die beliebteste Partei in den von den Palästinensern kontrollierten Gebieten und sandte nach der Machtübernahme durch die Taliban eine Glückwunschbotschaft an ihren afghanischen Verbündeten. Der Taliban-Führer bedankte sich bei den palästinensischen Gratulanten und verband den Erfolg in Afghanistan mit den palästinensischen Bemühungen, Israel zu vernichten und einen palästinensischen Staat vom Fluss bis zum Meer zu errichten.
Auch wenn dies angesichts der relativen Stärke Israels im Vergleich zu den Palästinensern absurd erscheinen mag, wurden die Skeptiker unter ihnen durch die Hartnäckigkeit und die Opferbereitschaft der Taliban beim Sieg über die grösste Supermacht der Welt ermutigt.
Die Hamas und andere palästinensische Widersacher wollen aus der Dynamik der Taliban Kapital schlagen und haben trotz Israels jüngster Goodwill-Massnahmen den Druck erhöht, indem sie erneut den israelischen Grenzzaun um den Gazastreifen angriffen und explosive Geschosse einsetzten.
Für die israelischen Behörden mag dies ein blosses Ärgernis sein, aber für die gewaltbereiten Gruppen stellen sie einen Ansporn dar, dass der jüdische Staat trotz des Machtungleichgewichts letztendlich vertrieben werden könnte.
Die palästinensischen Führer die sich verweigern, müssen von dieser Hoffnung und diesem Glauben abgebracht werden, ja sie müssen zerschlagen werden. Der Wille der Hamas, den Kampf fortzusetzen, muss gebrochen werden, denn nur so wird der Konflikt mit ihr beendet werden. Es spielt keine Rolle, wie viele Gebäude Israel zerstört, welche Art von Blockade es verhängt oder welche Beschränkungen es einführt, der Schlüssel zum Sieg ist, den Willen des Gegners zum Weiterkämpfen zu brechen.
Wir haben dies im Laufe der Geschichte erlebt und werden jetzt in der Gegenwart daran erinnert.
In Afghanistan haben die USA und ihre westlichen Verbündeten den Willen der Taliban, den Kampf fortzusetzen, nie gebrochen, so dass sie, wenn auch auf perverse Weise, darauf warteten, dass der Wille der Amerikaner, den Kampf fortzusetzen, sich auflöste, was schliesslich auch geschah.
Der Unterschied in der Kampfkraft und Stärke zwischen den Taliban und den USA ist weit grösser als der zwischen der Hamas und Israel. Sogar die afghanische Armee sollte den Taliban zahlenmässig fast 4:1 überlegen sein und war mit den neuesten und besten Geräten der technischen Kriegsführung ausgestattet, doch die Schlacht dauerte kaum Tage.
Israel muss diese Ereignisse zur Kenntnis nehmen und aus ihnen lernen. Überlegene Schlagkraft und Beständigkeit sind nicht immer der Schlüssel zum Sieg. Manchmal ist es die blosse Zähigkeit und die Zermürbung des Gegners. Mit anderen Worten: Solange die Hoffnung auf einen Sieg und der Wille zum Weiterkämpfen bestehen, wird der Konflikt andauern, auch wenn es Jahrzehnte dauert.
Die Hamas glaubt an ihren Endsieg und die Niederlage des jüdischen Staates, heute mehr denn je.
Israel hat es wiederholt mit der Diplomatie versucht, bis zu dem Punkt, an dem das Land endlich an eine militärische Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts glauben muss. Diese Lösung wird nicht bevorzugt, aber sie könnte die einzige Option sein, die übrig bleibt, um den Konflikt wirklich zu beenden und eine bessere Zukunft sowohl für Israelis als auch für Palästinenser herbeizuführen, befreit von der Last, dem Blutvergiessen und dem Schmerz dieses „ewigen Krieges“.
Die Terrororganisation Hamas zu besiegen war noch nie so wichtig wie heute, und hoffentlich werden Premierminister Bennett und Präsident Biden sich daran erinnern.
Der Autor ist Direktor des Middle East Forum. Übersetzung Audiatur-Online.