Neuer Bericht beleuchtet Hisbollah-Aktivitäten in Frankreich

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Hisbollah Unterstützer während einer Kundgebung für Qassem Soleimani in südlichen Vororten von Beirut, Libanon, am 5. Januar 2020. Foto IMAGO / Xinhua
Hisbollah Unterstützer während einer Kundgebung für Qassem Soleimani in südlichen Vororten von Beirut, Libanon, am 5. Januar 2020. Foto IMAGO / Xinhua
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Frankreich wird von der libanesischen Terrororganisation Hisbollah als „sicherer Hafen“ benutzt, um Geld zu sammeln, Propaganda zu verbreiten und neue Rekruten für den Terrorkrieg gegen Israel zu gewinnen – das ist das Ergebnis einer Beobachtung und Analyse von Accounts auf Facebook und in anderen sozialen Netzwerken im Internet durch Wissenschaftler des israelischen Abba Eban Institute for International Diplomacy an der privaten Universität IDC Herzliya.

Die Studie mit dem Titel France – A Safe Haven for Hezbollah’s Illicit Activity – Uncovering Hezbollah’s Activity in France through Social Media Analysis wurde Anfang des Monats veröffentlicht. Frankreich ist dabei ein Anschauungsbeispiel: Vieles, was die Autoren herausgefunden haben, gilt sicherlich in ähnlichem Masse für andere europäische Länder wie Deutschland, Belgien, die Niederlande und die Schweiz.

Die Autoren, das sind: der Internet- und Terrorismusexperte Daniel Cohen und Daniel Citrinowicz, ein langjähriger Offizier des israelischen Militärgeheimdienstes. Wie sie im Vorwort darlegen, nutzten die beiden für ihre Studie „innovative Datensammlung in den sozialen Medien“ (SOCMINT). Solche Softwarewerkzeuge zur Analyse des Verhaltens von Nutzern sozialer Medien ist aus der kommerziellen Anwendung bekannt, wo Firmen mit ihrer Hilfe etwa bestimmen, welchem Facebooknutzer sie ihre Werbung einblenden, um mit ihren Werbeausgaben die Zielgruppe möglichst effektiv zu erreichen.

Die Hisbollah, so Cohen und Citrinowicz, sei „seit über drei Jahrzehnten“ in Europa aktiv, um Mitglieder zu rekrutieren, Gelder zu sammeln, Waffen zu beschaffen sowie um Spionage und Terroroperationen durchzuführen. Dabei könne sie sich auf ein weltweites Netzwerk von Unterstützern und Sympathisanten stützen. Dazu gehörten sowohl „informelle Netzwerke“ als auch „zentral gesteuerte Unternehmen, die mit der internationalen organisierten Kriminalität vergleichbar“ seien. Wichtige Finanzierungsquellen seien Zahlungen der iranischen Regierung und Spenden der schiitischen Diaspora in Europa.

Um an mehr Geld, Unterstützer und Rekruten zu kommen, tut die Hisbollah den Autoren zufolge das, was auch legale Unternehmen, Vereine und Parteien tun: Sie nutzt das Internet und vor allem die sozialen Medien wie etwa Facebook, um Kontakte zu möglichen Unterstützern zu knüpfen. Im Falle der Hisbollah sind das Personen, die für die Ideologie und Ziele der Terroristen empfänglich sind. Dann kommt der nächste Schritt:

„Nachdem sie eine aufkeimende Beziehung aufgebaut haben, kommunizieren Hisbollah-Agenten normalerweise per E-Mail mit einem potenziellen Rekruten und senden Anweisungen zur Verwendung verschlüsselter Kommunikationsplattformen, einschliesslich verschlüsselter Nachrichten.“

Die Hisbollah sei Unternehmen wie Facebook und Twitter dabei „einen Schritt“ voraus: Sie fordere ihre Unterstützer dazu auf, Fotos und Videos zu verbreiten, die zwar als Botschaft der Hisbollah verstanden werden, ohne aber die unternehmenseigenen Wächter der sozialen Medien auf den Plan zu rufen.

Mit mehreren Fallbeispielen zeigen die Autoren, wie die Hisbollah von Frankreich aus operiert, um verschiedene Ziele zu erreichen:

Geldwäsche und -Transfer

2016 wurde der Libanese Mohamad Noureddine auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle verhaftet. Noureddine, der mittlerweile zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, führte eine Geldwäscheoperation der Hisbollah in Europa. Auch der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat darüber vor einigen Monaten berichtet. Grob gesagt ging es darum, mit Einnahmen aus dem Verkauf illegaler Drogen in Europa gebrauchte Autos und Luxusuhren zu kaufen, die dann in den Libanon gebracht und dort wieder zu Geld gemacht werden. „Die Hisbollah betreibt Geldwäsche durch eine ausgefeilte Gebrauchtwagenmasche in Nord- und Südamerika, Afrika und dem Nahen Osten“, so die Autoren. Länder in Afrika, wie etwa Benin, die wichtige regionale Umschlagplätze für den (legalen) Re-Export von Gütern seien, eigneten sich auch gut für illegale Aktivitäten der Geldwäsche. Was ist die Verbindung zu Frankreich? Im Zuge einer grenzübergreifenden Polizeiaktion gegen das Geldwäschenetz wurde auch der deutsche Staatsbürger Hassan T. festgenommen, der in Düsseldorf eine KFZ-Werkstatt betrieb. Über einen Facebook-Account, der Hassan T. gehören soll, meinen die Autoren herausgefunden zu haben, dass Hassan T. in Frankreich lebte. Interessanter als diese Tatsache ist aber wohl, dass Hassan T. auf Facebook nur einen einzigen „Freund“ hatte, einen gewissen „Said H.“. Das legt nahe, dass dieser Facebook-Account allein der Kommunikation zwischen diesen beiden Personen diente. Cohen und Citrinowicz zeigen einen Screenshot, der belegen soll, dass Hassan T. Facebook nutzte, um „Said H.“ eine französische Festnetztelefonnummer mitzuteilen.

Radikalisierung über schiitische religiöse Zentren

Neben den Untergrundaktivitäten hat die Hisbollah auch eine offizielle Abteilung für auswärtige Beziehungen, die die Autoren mit dem englischen Kürzel FRD (für Foreign Relations Department) bezeichnen. Die Verbindungsleute des FRD, so Cohen und Citrinowicz, habe die Aufgabe, im Ausland Zentren zu errichten und zu erhalten, um Auslandslibanesen für die Sache der Hisbollah zu gewinnen bzw. bei der Stange zu halten, Spenden zu sammeln und Rekruten zu werben. Zudem seien sie Kontaktleute, über die örtliche Unterstützer mit den Hisbollahführern im Libanon und vielen anderen Ländern kommunizieren. In der Praxis würden die Verbindungsleute auch verdeckte Operationen durchführen, etwa zur Beschaffung von Informationen oder logistischer Unterstützung. Das FRD sei auf der ganzen Welt aktiv, und viele schiitische Zentren hätten enge Verbindungen zu ihm. „Diese Zentren sind Knotenpunkte der Hisbollahaktivitäten, wie etwa Spendensammlung und Aufhetzung der Anhänger gegen Israel und die USA. In einigen Fällen dienen die Zentren sogar als sichere Orte, um Waffen zu lagern und Personen für die Organisation zu rekrutieren.“

In Frankreich, und vor allem im Raum Paris, gibt es zahlreiche schiitische Zentren. Die Autoren verweisen in diesem Zusammenhang auf eine Durchsuchung, die die französischen Sicherheitsbehörden 2018 im schiitischen Al-Zahra-Zentrum in der nordfranzösischen Stadt Grande Synthe durchgeführt haben. Diese stand in Zusammenhang mit den Ermittlungen zu dem vereitelten Bombenanschlag auf eine Versammlung oppositioneller Exiliraner in der Pariser Vorstadt Villepinte.

Die Verbindungen zwischen den schiitischen Zentren und der Hisbollah werden in der Regel nicht der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Mit ihren Recherchen auf Facebook glauben Cohen und Citrinowicz aber, viele solcher Verbindungen aufzeigen zu können. Sie nennen etwa Scheich Mohammed Abbas, den aus Venezuela nach Frankreich eingewanderten Hauptimam des 1994 gegründeten schiitischen Al-Ghadir-Zentrums in Paris. Eine Analyse des Facebook-Accounts von Al-Ghadir und Scheich Abbas zeige „eine starke Verbindung des Zentrums und der radikalen Hisbollah-Ideologie“, so die Autoren. Schon in seiner Zeit in Venezuela habe Abbas auf Facebook Unterstützungsbotschaften für die Hisbollah gepostet; das habe er in Frankreich fortgesetzt. Ein Foto, das Abbas 2017 auf Facebook gepostet hat, zeigt ihn zudem, wie er eines Hisbollah-„Märtyrers“ gedenkt. Andere Fotos auf seinem Account sind Porträts von getöteten Hisbollah-Mitgliedern, die ebenfalls als „Märtyrer“ bezeichnet werden, wie etwa der in Syrien bei einem Raketenangriff getötete Hisbollah-Kommandant Mustafa Badreddine. Zudem zeigt der Account von Abbas Fotos von Propagandaaktivitäten des Zentrums, wie etwa dem „Al-Quds-Tag“ in Paris 2019.

Über ein anderes schiitisches Zentrum in Paris, den Verband „Imam Al-Khoei“, schreiben die Autoren, das dieser in Kontakt stehe zu schiitischen Zentren in der westafrikanischen Elfenbeinküste, die „für ihre Unterstützung der Hisbollah bekannt“ seien. Die Facebookseite von „Imam Al-Khoei“ zeige sowohl die starke Unterstützung der Hisbollah als auch Verbindungen zum Al-Ghadir-Zentrum.

Rekrutierung auf Facebook

Recherchen der beiden Autoren zeigen, dass Personen, von denen die Sicherheitsbehörden wissen, dass sie von der Hisbollah oder der iranischen Terrorgruppe „Quds Force“ rekrutiert wurden, auf Facebook Accounts angelegt hatten, die sie schon wenige Stunden später wieder löschten. Die Hisbollah, so Cohen und Citrinowicz, suche für die Rekrutierung auf Facebook besonders nach Personen, die sich bereits als antiisraelisch zu erkennen geben, etwa durch Sympathien für die Anti-Israel-Boykottkampagne „BDS“. Indem Hisbollah-Agenten in den sozialen Medien für „BDS“ werben, könnten sie effektiv ihre Zielgruppe ansprechen, um französische Staatsbürger als Rekruten für ihre Ziele zu gewinnen.

Handlungsempfehlung

Aufgrund der komplexen und ausgeklügelten Struktur der Netzwerke der Hisbollah, die darauf abzielten, die Vermögenswerte der Hisbollah in einem Land zu schützen, selbst wenn eines ihrer Netzwerke von den Sicherheitsbehörden aufgedeckt wird, halten die Autoren es für unverzichtbar, dass die internationale Staatengemeinschaft „auf einheitliche Weise mit einem kalkulierten Aktionsplan“ vorgeht, um die Infrastruktur der Organisation weltweit zu zerschlagen. Nur eine „umfassende internationale Kampagne mit Aktivitäten gegen die religiösen Zentren und Kleriker“ könne die Präsenz der Hisbollah in Europa ernsthaft schwächen. Um dieses Ziel zu erreichen, sei es notwendig, dass die internationale Gemeinschaft die Hisbollah als eine „zusammenhängende Organisation“ begreife. „Ohne wirksame Gegenmassnahmen, geeintes Handeln und gemeinsame Bemühungen europäischer Nationen“, so die Autoren, werde die Hisbollah wohl auch weiterhin Mitglieder für terroristische Aktivitäten rekrutieren. Die in dem Bericht analysierten Beweise legten nahe, dass es eine „viel genauere Überwachung von BDS-Gruppen, Hisbollah-Sympathisanten und anderen radikalen Elementen, die leicht zu gewalttätigen Aktionen im In- und Ausland zu bewegen sind“, geben müsse.

Über Stefan Frank

Stefan Frank ist freischaffender Publizist und lebt an der deutschen Nordseeküste. Er schreibt regelmässig über Antisemitismus und andere gesellschaftspolitische Themen, u.a. für die „Achse des Guten“, „Factum“, das Gatestone Institute, die „Jüdische Rundschau“ und „Lizas Welt“. Zwischen 2007 und 2012 veröffentlichte er drei Bücher über die Finanz- und Schuldenkrise, zuletzt "Kreditinferno. Ewige Schuldenkrise und monetäres Chaos."

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